16.10.2024, 09:31 Uhr
Fast 60 Prozent der Schweizer Finanzberater befürchten, das Vermögen der Ehepartner oder Kinder ihrer Kunden nach einer Vermögensübertragung nicht halten zu können. Trotzdem erwarten sie laut einer Umfrage von...
Philippe Berthelot, Head of Credit and Money Markets bei Ostrum AM, über die grössten Sorgen von Anlegern und deren Bedeutung für die Vermögensallokation im festverzinslichen Segment. Ostrum AM gehört zum Affiliate-Netzwerk von Natixis Investment Managers und ist Teil des «Expert Collective».
Die Rückkehr von Inflation, Energiekrise und Krieg. Für Anleger war der Weg in den vergangenen 18 Monaten mit vielen Herausforderungen gepflastert. Laut den 8550 Teilnehmern der Umfrage von Natixis Investment Managers von 2023 unter Privatanlegern aus 23 Ländern waren die grössten Anlegersorgen:
Im Gespräch bewertet Philippe Berthelot, Head of Credit and Money Markets bei Ostrum Asset Management (Ostrum AM), wie berechtigt diese Sorgen jeweils sind und wie sie sich auf die Allokation der Anleger in festverzinsliche Wertpapiere auswirken könnten.
Philippe Berthelot: 2022 war fraglos ein Annus horribilis für festverzinsliche Wertpapiere – für die Anlageklasse eines der schlechtesten der letzten 20 Jahre. 2023 dürfte nach unserer Einschätzung für diese Anlageklasse eindeutig besser im Gedächtnis bleiben – als Annus mirabilis.
Seit Jahresbeginn hat ein typischer Investment-Grade-Index in Euro per Ende Juli 2023 über 3 Prozent abgeworfen. Bei Euro-High-Yield sind es 5,5 Prozent, bei US-Investment-Grade 3,7 Prozent und im US-High-Yield-Segment fast 7 Prozent. Die allermeisten festverzinslichen Vermögenswerte haben also recht gut abgeschnitten. Wir profitieren nach wie vor von historisch hohen Renditen bei Unternehmensobligationen. So etwas haben wir seit 15 Jahren nicht mehr erlebt.
Die Kerninflation, also die Inflationsrate ohne die schwankungsanfälligsten Komponenten wie Energie- und Nahrungsmittelpreise, ist hartnäckiger als vielfach erwartet. Wir rechnen für die nächsten 12 bis 18 Monate mit einem weiteren Rückgang der Gesamt- und Kerninflation. Absolut betrachtet ist die Inflation zu hoch, der Trend geht aber in die richtige Richtung. Für Anleger, die in Obligationen investieren, sind das gute Nachrichten.
Ein Rezessionsszenario schliessen wir schon seit dem vierten Quartal 2022 aus, als 80 Prozent der Ökonomen und Strategen das anders sahen. Trotz des Zusammenbruchs US-amerikanischer Regionalbanken und der Volatilität, die dadurch auf den Märkten ausgelöst wurde, konnten sich die Festzinsstrategien von Ostrum AM bewähren.
Möglicherweise steht uns in den USA und Europa eine Konjunkturabschwächung ins Haus, eine unsanfte Landung aber nicht. Meiner Ansicht nach wird das Rezessionsrisiko von manchen Strategen, Ökonomen und Portfoliomanagern hochgespielt.
Marktvolatilität ist bei Aktien kein Thema. Beurteilt man die Anlegerstimmung anhand des VIX oder des V2X – also der impliziten Aktienvolatilität, jeweils für die USA und Europa –, so bewegt sich diese nach wie vor auf ungewöhnlich niedrigem Niveau, nämlich unter 15 Prozent. Dabei nähern wir uns auf beiden Seiten des Atlantiks dem Ende des Zinserhöhungszyklus.
Im Vergleich zur Aktienvolatilität ist die Zinsvolatilität allerdings ausgesprochen hoch. Diese sollte sich normalisieren. Geringe Volatilität auf den Aktienmärkten und ein hohes Niveau der Gewinnmargen stützen den Bullenmarkt für Aktien seit Anfang des Jahres. Unternehmen konnten die gestiegenen Produktionskosten über den Preis an die Endverbraucher durchreichen.
Seit der Pandemie ist das Umfeld eher schwierig. Jeder Portfoliomanager, ob im Festzins- oder im Aktienbereich, ist demütiger geworden. Angesichts der vielen schwarzen Schwäne und beispiellosen Entwicklungen, mit denen wir konfrontiert sind, ist das verständlich. Doch jetzt müssen wir beweglich bleiben.
In den zurückliegenden zwei Jahren haben wir die Zinsduration unserer Unternehmensobligationen-Portfolios äusserst aktiv überwacht und verändert, weil sie ein Performance-Treiber war, auf den im letzten Jahr 30 Prozent des von uns generierten Alphas entfielen. Erhöhen Zentralbanken die Zinsen, ist die Zinsvolatilität deutlich höher als in den vergangenen 20 Jahren. Das sollten Sie unbedingt im Blick behalten, denn Zinsvolatilität ist für Obligationsportfolios ein Risiko.
Vor zwei Jahren verzeichneten wir noch Negativrenditen – oder zumindest Renditen nahe null. Der Investment-Grade-Index stand nicht bei 4,5 Prozent, sondern bei 0,5 Prozent. Ein Drittel des Investment-Grade-Index wies negative Renditen aus – nicht sehr ansprechend für die meisten Anleger.
Das ist jetzt vorbei. Festverzinsliche Wertpapiere sind wieder im Kommen. Manche Kapitalverwalter finden die Anlageklasse wieder interessanter und schichten Kapital aus Aktien um. Im letzten Februar lag die Dividendenrendite von Aktien erstmals seit zehn Jahren unter der Rendite von Investment-Grade-Obligationen.
Die Natixis-Umfrage ergab, dass 57 Prozent der Anleger nach eigenen Angaben wissen, was mit Obligationen passiert, wenn die Zinsen steigen. In Wirklichkeit konnten aber nur 2 Prozent eine Frage zu den Auswirkungen steigender Zinsen auf Obligationen richtig beantworten.
Obligationen sind nicht so einfach zu verstehen, so viel steht fest. Man muss zum Beispiel wissen, was unter Rendite, laufenden Erträgen, Duration oder Carried Interest zu verstehen ist. Rendite und Zins werden häufig verwechselt, sind aber zwei Paar Schuhe. Ebenso gibt es Verwirrung um Laufzeit und Haltedauer.
Vereinfacht gesagt: Legen Sie Wert auf regelmässige laufende Erträge mit geringeren Risiken als bei Aktien, sollten Sie über festverzinsliche Wertpapiere nachdenken. Es mag möglich sein, auf eigene Faust in Aktien zu investieren, doch in Eigenregie in Obligationen anzulegen, erscheint für einen Privatanleger ungleich komplizierter.
Die einfachste Möglichkeit, sich Zugang zur Anlageklasse der festverzinslichen Wertpapiere zu verschaffen, ist unserer Ansicht nach, in Investmentfonds zu investieren, die von Profis verwaltet werden. Eine mögliche Lösung ist, in Strategien zu investieren, die auf das Halten von Papieren bis zur Endfälligkeit setzen (Hold-to-Maturity-Strategien) mit einem festen Laufzeitende und einer bestimmten Verzinsung.
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