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G20-Gipfel: Ein Treffen mit Sprengkraft

US-Präsident Trump und der chinesische Präsident Xi treffen sich anlässlich des G20-Gipfels in Japan und wollen erneut einen Versuch unternehmen, den Handelskonflikt zu lösen. Experten von Newton IM, La Française AM und Investec AM analysieren mögliche Szenarien.

27.06.2019, 15:54 Uhr

Redaktion: rem

Der G20-Gipfel in Japan rückt an diesem Wochenende (28. und 29. Juni) in den Mittelpunkt des weltweiten Interesses, da die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt nach wie vor in einem anhaltenden Handelskrieg gefangen sind. US-Präsident Donald Trump und der chinesische Präsident Xi Jinping werden voraussichtlich am Samstag erstmalig nach Abbruch der Handelsgespräche im Mai zusammentreffen. Zuvor hatte die Regierung Trumps die Zölle auf rund 200 Milliarden Dollar chinesischer Importe von 10 Prozent auf 25 Prozent angehoben und China schlug daraufhin mit höheren Zöllen zurück. Präsident Donald Trump drohte auch damit, Zölle auf weitere chinesische Importe im Wert von 300 Milliarden Dollar zu erheben.

Wegweisender Gipfel

Die Handelsverantwortlichen Chinas und der USA führen bereits vor dem Trump-Xi-Treffen Gespräche, was Hoffnungen auf eine Entspannung der Handelsbeziehungen weckt. "Beide Länder wollen ein Abkommen, und Donald Trump will die US-Wirtschaft nicht vor den Wahlen 2020 schwächen", ist Hervé Chatot, Multi Asset Fund Manager, La Française AM, überzeugt. "Dieser G20-Gipfel wird die zukünftige Richtung der Verhandlungen vorgeben und die Marktentwicklung sowie die Reaktion der Zentralbanken in den kommenden Wochen und voraussichtlich im zweiten Halbjahr bestimmen", fügt er an.

John Stopford, Head of Multi Asset Income bei Investec Asset Management, schätzt die Lage so ein: "Der Markt scheint auf einige geringe Fortschritte zu hoffen, vielleicht eine Verzögerung bei der Umsetzung der nächsten Zollrunde, während die Handelsgespräche wieder aufgenommen werden. Es gibt eindeutig einige Anreize, dies zu versuchen und ein Abkommen zu erreichen. Trump mag es, Deals zu machen, nachdem er Druck ausgeübt hat und will nicht, dass eine schwache Börse oder Wirtschaft seine Wiederwahlkampagne beeinflusst. Gleichzeitig möchten die Chinesen Auswirkungen zusätzlicher Zölle auf ihre Wirtschaft vermeiden."

Die Zentralbanker haben bereits signalisiert, dass sie bereit sind, bei Bedarf rasch zu handeln und die Geldpolitik zur Unterstützung des Wirtschaftswachstums weiter zu lockern. Laut der Nachrichtenagentur Bloomberg wird in den USA von der Fed erwartet, dass sie den Leitzins bei der nächsten Sitzung im Juli um 25 oder sogar 50 Basispunkte senkt. Und das Ausmass der Senkung werde vom Ergebnis des G20-Treffens abhängen, meinen die Experten von La Française. Sie haben drei mögliche Szenarien identifiziert:

  • Ein Waffenstillstand, also ein Aufschub der zusätzlichen Zölle und die Fortsetzung der Handelsgespräche.
  • Ein Abkommen, in dem ein Teil oder die meisten der bestehenden Zölle schrittweise abgeschafft werden.
  • Die Eskalation, weil die Handelsgespräche scheitern. Neue Zölle werden erhoben.

Waffenstillstand als wahrscheinlichstes Ergebnis

Ein Abkommen, das beide Länder zufriedenstellt, ist aus der Sicht von La Française zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich. Das wahrscheinlichste Ergebnis sei ein Waffenstillstand. In diesem Szenario verpflichten sich die USA, zusätzliche Zölle zurückzuhalten und die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Dieses Ergebnis bleibe marktgerecht, sei aber bereits vom Markt eingepreist. "Wir glauben also, dass der Markt positiv reagieren, aber die Reaktion gedämpft sein könnte. Wir gehen nicht von einer starken Erholung der Aktienmärkte in den Industrieländern aus. Es sollte vor allem für Anlagen in Schwellenländern mehr Entlastung bringen. Es wird erwartet, dass die Staatsanleihen aus Kernländern zunächst für einen kurzen Zeitraum abgestossen werden", analysiert Chatot.

Auch Naomi Waistell, Fondsmanagerin bei Newton IM – einer Investmentgesellschaft von BNY Mellon Investment Management, will keine falschen Hoffnungen wecken: "Obwohl wir natürlich auf eine Verbesserung der Handelsbeziehungen nach dem Treffen der Präsidenten Xi und Trump in dieser Woche hoffen, können und werden wir unsere Anlageverhalten nicht auf solche Hoffnungen gründen", betont sie. Vor dem Hintergrund des Aufs und Abs des Handelskonflikts im Laufe des vergangenen Jahres habe man beobachten können, wie sprunghaft der Gesamtmarkt auf jeden Tweet reagiert. "In Anbetracht dieser kurzfristigen und stimmungsgetriebenen Märkte behalten wir unsere Anlagestrategie weitgehend bei, bleiben langfristig ausgerichtet und würden lediglich einen kurzfristigen Ausverkauf in China nutzen, um günstig in Aktien einzusteigen", sagt Waistell.

China sei zwar nicht immun gegen Änderungen im Handelsregime, aber angesichts seines riesigen Inlandsmarktes gut aufgestellt, um sich anzupassen, zumal die chinesischen Konsumausgaben gerade den US-Markt überholten – ein wichtiger Faktor für exportorientierte US-Unternehmen. "Auch erwarten wir insbesondere beim Schutz geistigen Eigentums Fortschritte, die in China längst überfällig sind. Viele schnell wachsende chinesische Dienstleistungsunternehmen sind gemessen an ihren zukünftigen Entwicklungs- und Umsatzchancen niedrig bewertet, weshalb wir in letzter Zeit gute Anlagechancen in der Region ausmachen konnten", so Waistell.

Nur Verlierer bei einer Eskalation

Handelskonflikte seien kein Allheilmittel für irgendein Land – auch nicht für die USA, deren industrielle Produktion trotz Trumps Bemühungen kaum wieder auf breiter Front aufleben werde, betont die Fondsmanagerin. "Potentiell höhere Importpreise und daraus resultierend eine höhere Inflation könnten zu steigenden Zinssätzen führen. Dies wiederum könnte den Wachstumsmotor vieler Unternehmen ins Stottern bringen, die auf niedrige Kapitalkosten setzen – ein Schlüsselfaktor für das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahrzehnten. Insbesondere Volkswirtschaften, die vom Dienstleistungssektor abhängen und von niedriger Inflation und billigen Schulden profitiert haben, könnten hierunter leiden", gibt sie zu bedenken.

"Die Eskalation der Spannungen trifft das Vertrauen der Unternehmen sowie deren Investitionen und beginnt, Jahrzehnte integrierter Lieferketten und der Globalisierung zu zerreissen", meint Stopford von Investec AM. Die Zustimmung zu mehr Gesprächen und zu Verschiebungen der Zollerhöhungen sei daher wahrscheinlich schon das Beste, worauf man hoffen dürfe – und selbst das könnte zu optimistisch sein.

Und wenn es dann tatsächlich zum Eskalationsszenario - also einem Scheitern der Verhandlungen - käme, würde die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen. Dieses Ergebnis birgt nach Meinung der Experten von La Française eindeutig ein sehr hohes Risiko für die Märkte und würde eine längere Zeit der Unsicherheit bedeuten. Alle risikoreichen Anlagen würden abgestossen werden und "Safe-Haven"-Anlagen sich stark erholen (vor allem US-Treasuries und Gold), denn die Märkte würden in den kommenden Monaten einen vollständigen Handelskrieg sowie eine globale Rezession einpreisen. "Wir halten dies für das unwahrscheinlichste Szenario, weil es sehr starke negative wirtschaftliche Auswirkungen für beide Länder sowie für das globale Wirtschaftswachstum hätte", sagt Chatot von La Française AM. Aber, wenn der Handelskrieg eskaliere, erwarte der makroökonomische Konsens, dass das globale Wachstum um etwa 70 Basispunkte reduziert wird.

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