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Renditesuche der Anleger geht weiter

John Greenwood, Chefökonom von Invesco
John Greenwood, Chefökonom von Invesco

Die Industrie- und Schwellenländer können sich dem negativen Sog der Euro-Krise nicht entziehen. Trotz wiederholter Krisengipfel ist eine Lösung der Schuldenkrise kein Stück näher gerückt. In seinem vierteljährlichen Wirtschaftsausblick für das dritte Quartal 2012 beleuchtet John Greenwood, Chefökonom von Invesco, die fundamentalen Fehler in der Architektur der Währungsunion sowie die künftigen Aussichten für die Eurozone und die globale Wirtschaft.

16.07.2012, 11:21 Uhr

Redaktion: sek


Greenwood zufolge ist eine anhaltende globale Schwächephase unvermeidbar, solange sich keine glaubwürdige, nachhaltige Lösung für die Krise der Eurozone abzeichnet. Da die EU rund ein Fünftel zum globalen BIP beisteuert, führe diese Krise nicht nur zu einer regionalen Rezession, sondern stelle eine gravierende Belastung für den globalen Handel dar sowie für das Wachstum in Grossbritannien, Osteuropa, Nordamerika und den exportorientierten asiatischen Volkswirtschaften.

„Angesichts der globalen Wachstumsschwäche werden die Leitzinsen in den Industrieländern voraussichtlich bis auf weiteres nahe der Nulllinie verharren, begleitet von periodischen Ausweitungen der Zentralbankbilanzen durch Anleihekäufe“, so Greenwood. In diesem Umfeld werde die Renditesuche der Anleger weitergehen, wodurch sich Qualitätsanlagen mit sicheren und nachhaltigen laufenden Einnahmen gegenüber Anlagen mit einer geringeren Verzinsung verteuern dürften. In der Folge rechnet Greenwood nicht damit, dass die quantitativen Lockerungsmassnahmen der Zentralbanken zu einem allgemeinen Kursaufschwung führen werden, wie er in der Vergangenheit nach Liquiditätsspritzen üblich war. Auch meint er, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte deutlicher nachgeben wird als erwartet und die Rohstoffpreise im weiteren Jahresverlauf weiter zurückgehen werden.

Hoffnung in erneuten Refinanzierungsgeschäten
Aufgrund der anhaltenden politischen Ablehnung einer Fiskalunion, die den fundamentalen Makel in der Architektur der Eurozone korrigieren würde, sieht Greenwood die grösste Hoffnung für die Eurozone in der erneuten Bereitstellung dreijähriger Refinanzierungsgeschäfte durch die EZB. Diese könnten eine starke Erholung in Deutschland und anderen Kernländern in Gang setzen und sich positiv auf die notleidenden Peripheriestaaten auswirken. Tatsächlich aber ziehen die Rezessionen in sieben Euro-Staaten – vor allem in der Peripherie – inzwischen auch die Wirtschaft der Kernländer in Mitleidenschaft. In der Folge rechnet der Chefökonom von Invesco 2012 mit einem realen BIP-Wachstum von -0,3% in der Eurozone bei einer Inflationsrate von 2,8%.

Derweil scheint das reale BIP-Wachstum in den USA an Fahrt zu verlieren. Zudem nährt die aktuelle politische Pattsituation hier Sorgen über einen möglichen fiskalischen Schock Anfang 2013 – d.h. das Risiko, dass eine einschneidende Kürzung der Staatsausgaben mit einer Anhebung der Steuern zusammenfällt, was die US-Wirtschaft zusammen 3 bis 5 Prozentpunkte BIP-Wachstum kosten könnte. Greenwood stellt der US-Wirtschaft ein deutlich unter ihrem Potenzial liegendes, mässiges Wachstum in Aussicht, solange die Bilanzgesundung im Haushalts- und Finanzsektor andauert. Für 2012 rechnet er mit einem durchschnittlichen realen BIP-Wachstum von 2,3% – deutlich unter der für das Frühstadium einer Erholung üblichen Rate von 3-4% – und einer Inflationsrate von 2,2%.

Trotz sinkender Inflationsrate schwaches BIP-Wachstum erwartet
Wie auch in den USA steht die wirtschaftliche Entwicklung in Grossbritannien im Zeichen der anhaltenden Bilanzgesundung. Allerdings ist der Ausgangspunkt hier schlechter. Zum einen sind die britischen Banken und Haushalte bereits mit einer höheren Schuldenlast in den Abschwung gestartet, zum anderen dämpfen der grössere öffentliche Sektor und die Nähe und höhere Abhängigkeit der Exportwirtschaft zur Eurozone die Wirtschaftsentwicklung. Greenwood geht davon aus, dass die Inflationsrate 2012 auf insgesamt 2,8% sinken wird, meint aber, dass die Auswirkungen der hohen Teuerung in der ersten Jahreshälfte und die Euro-Krise das reale BIP-Wachstum im Gesamtjahr auf schwache 0,4% begrenzen werden.

Durch die Krise in der Eurozone haben sich auch die Aussichten für die grossen exportorientierten Schwellenländer wie China, die ostasiatischen Tigerstaaten und Brasilien eingetrübt. In China dürfte sich die durch die panikartige Kreditausweitung in den Jahren 2008-09 selbst verursachte Wachstumsverlangsamung kurzfristig genauso fortsetzen wie der Rückgang der Exporte in die wichtigsten ausländischen Absatzmärkte. Für 2012 rechnet Greenwood in China mit einem realen BIP-Wachstum von 8,0% bei einer Inflationsrate von 3,5%. Der Rest der Region Asien ex Japan werde das langsamere chinesische Wachstum in Verbindung mit den unterdurchschnittlichen Wachstumsraten der Industrieländer und der deutlichen Abschwächung in Indien ebenfalls deutlich zu spüren bekommen. Diesen Ländern wird für 2012 ein schwächeres reales BIP-Wachstum von 6,4% in Aussicht gestellt. Derweil sieht Greenwood Japan nicht in der Lage, das im Nachgang des Tsunamis vom März 2011 verzeichnete Wachstumstempo aufrechtzuerhalten, und beobachtet einen schrittweisen Rückfall in die Deflation. Er rechnet in Japan 2012 mit einem – vor allem auf den positiven Basiseffekt zurückzuführenden – realen BIP-Wachstum von 2,7% und einer Inflationsrate von 0,6%.

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