25.11.2024, 14:10 Uhr
Invesco erwartet für 2025 eine Kombination aus sinkender Inflation, geldpolitischer Lockerung und stärkerem Wachstum. Daraus ergibt sich für Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research «eine vorerst...
Nach dem historischen Iran-Abkommen sehen Invesco Experten sowohl grosse Chancen als auch Gefahren für Emerging-Market-Anleihen im Nahen Osten.
Am 14. Juli haben die P5+1 mit dem Iran ein Nuklear-Abkommen unterzeichnet. Das Emerging Markets Debt Team von Invesco hat die Auswirkungen der Wiedereingliederung des Irans in die Weltwirtschaft analysiert. Die Anleiheexperten rechnen mit unterschiedlichen Folgen für die regionalen Märkte und die jeweiligen Risikoaufschläge für Anleihen.
Auswirkungen auf die umliegende Region
Mit dem Auslaufen der Sanktionen würden die intensiveren Handelsverflechtungen enorme Chancen für die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), den Irak und die Türkei eröffnen. Türkischen und irakischen Zementunternehmen zum Beispiel könnten sich im Zuge des Wiederaufbaus der iranischen Infrastruktur bedeutende Geschäftschancen bieten. Dienstleister wie Banken und Telekommunikationsanbieter aus den VAE und der Türkei könnten von der Erschliessung des aktuell unterversorgten iranischen Marktes profitieren.
Im Gegenzug sei die Nachfrage nach Gas in den VAE und der Türkei dramatisch gestiegen und könne durch die reichlichen Gasreserven des Irans kosteneffizient gedeckt werden. Wenn erst einmal wieder Öl aus dem Iran zur Verfügung stünde, könnte das zusätzliche Angebot den Ölpreis weiter unter Druck setzen. Von einem längerfristig niedrigen Ölpreis würden Ölimporteure wie die Türkei, Tunesien, Ägypten, Marokko und der Libanon profitieren.
Starker Iran ist eine wirtschaftliche Bedrohung für Nachbarländer
Wie Banu Asik Elizondo, Senior Portfolio Manager im Emerging Markets Debt Team von Invesco, erläutert, profitiert der Iran neben seinen reichlichen Öl- und Gasreserven auch von günstigen demographischen Strukturen und gut ausgebildeten Arbeitskräften. Bei wichtigen sozialen Indikatoren schneide das Land besser ab als andere Schwellenländer - mit einer Alphabetisierungsrate von über 80% und hohen Absolventenquoten im sekundären und tertiären Bildungsbereich. (1) Wenn die notwendigen Strukturreformen erst einmal umgesetzt seien, könnte der Iran somit eine wirtschaftliche Bedrohung für Nachbarländer wie die Türkei darstellen, die sich mit ihrer produktionslastigen Wirtschaft und ihrer hohen Abhängigkeit von Rohstoffimporten durch eine nur geringe Wertschöpfungsintensität auszeichnen.
Sollte es dem Iran - der über rund 18% der weltweiten Erdgasreserven verfügt (2) - gelingen, seine Kapazitäten durch umfangreiche Explorations- und Produktionsarbeiten deutlich auszuweiten, könnte das Land zudem einen hohen Anteil des regionalen Erdgasbedarfs abdecken und dadurch die Bedeutung des regionalen Oligopols von Russland und Katar schwächen.
Falls die iranischen Ölexporte den Ölpreis weiter drücken sollten, dürfte das den Irak und alle Länder des Golf-Kooperationsrats schmerzhaft treffen. Die Staatseinnahmen dieser Länder, zu denen Bahrain, Kuwait, Oman, Katar, Saudi-Arabien und die VAE gehören, hängen zu 60% bis 80% vom Öl ab. (1)
Politische Instabilität ist die grösste Sorge
Die grössten Risiken für Emerging-Market-Anleihen sieht das Invesco Team aber nicht in der Rohstoffpreisentwicklung oder dem Handel, sondern in geopolitischen Entwicklungen. Angesichts der andauernden Konflikte in Syrien und dem Jemen werde die aussenpolitische Haltung des Irans künftig von entscheidender Bedeutung sein. "Eine Abstimmung der Aussenpolitik mit der anderen regionalen Macht Saudi-Arabien und ein gemeinsames Engagement für den Frieden in der Region wären positiv. Umgekehrt könnten das Scheitern derartiger Verhandlungen oder eine fehlende Kooperationsbereitschaft zu noch mehr Gewalt in der Region führen", sagt Elizondo. "Unser Basisszenario ist das einer Kooperation zwischen den beiden regionalen Mächten. Sollte es zu einer derartigen Kooperation nicht kommen, dürften die Risikoprämien in der Region deutlich steigen."
(1) Quelle: CEIC-Daten, 16. Juli 2015 (2) Quelle: BP Statistical Review of World Energy, 2015