28.10.2024, 12:16 Uhr
Die spektakuläre Performance der Tech-Mega-Caps hat die Faktorrenditen erheblich beeinflusst. Für systematische Investoren bringt dies sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich, so das Ergebnis einer...
Seit Beginn der Eurokrise waren die Schlagzeilen aus Europa selten gut. Weitgehend unbeachtet ist aber viel getan worden, um die europäischen Probleme zu lösen. Invesco analysiert, was dies für Aktieninvestoren bedeutet.
"Auf den ersten Blick scheinen europäische Aktien eine sehr riskante Anlage zu sein: Man denke an die hohe Arbeitslosigkeit und die hohe Staatsverschuldung,
die gelegentliche Unentschlossenheit der europäischen Politik und die strukturellen Probleme. Hinzu kommen negative Schlagzeilen etwa aus Zypern, das im Frühjahr auf ein Rettungspaket angewiesen war, und aus Italien und Portugal, wo die Politik Sorgen macht. Zumindest in der Theorie sind das viele Gründe, von Investitionen in europäische Aktien abzusehen. Aber warum halten wir Europa dann für eine so attraktive Anlageregion?
Der Grund ist einfach. Europa ist einer der weltweit am niedrigsten bewerteten Märkte. Die Gewinne sind konjunkturbedingt schwach und die Bewertungen sind im Vergangenheitsvergleich attraktiv. Die noch immer hohen Risikoprämien lassen vermuten, dass die Investoren nach wie vor skeptisch sind und die bisweilen sehr attraktiven Sektor- und Länderbewertungen übersehen.
Fortschritte an der Peripherie
Es gibt die Theorie, dass in Europa der Schuldenabbau, die Sparprogramme und die strukturellen Schwächen die Konjunktur und die Unternehmensgewinne
noch viele Jahre dämpfen werden. Dabei wird aus unserer Sicht aber übersehen, dass einige der grössten Belastungsfaktoren in den letzten zwei Jahren nachgelassen haben und Europa bei seinem Kampf gegen wichtige Ungleichgewichte grosse Fortschritte gemacht hat.
Viele der Reformen in den Peripherieländern in den letzten Jahren zeitigen jetzt erste Erfolge. Die strukturellen Defizite haben sich nach den drastischen Steuererhöhungen und Staatsausgabenkürzungen deutlich verringert, und aus Leistungsbilanzdefiziten sind rasch Überschüsse geworden. Beides dürfte die Staatsfinanzen stabilisieren. Zwar wird mit weiteren Sparmassnahmen gerechnet, aber mit weniger ausgeprägten. Das Verhältnis zwischen Sparen und Wachstum wird sich verbessern.
Unterschätzen Sie die Arbeitsmarktreformen nicht
Die Regierungen der Peripherieländer haben zahlreiche Reformen und Gesetzen verabschiedet, um das Wachstum zu stimulieren. Dazu zählen auch Arbeitsmarktreformen, die zu einem Rückgang der Lohnstückkosten geführt haben. Es wird deshalb wieder mehr exportiert, und es gibt deutliche Anzeichen für eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Zwar muss noch mehr getan werden, aber die ersten Schritte stimmen positiv.
Die Finanzen stabilisieren sich
Nach den sehr strengen Kreditbedingungen in den letzten Jahren entspannt sich die Lage jetzt. Der vierteljährliche ECB Lending Survey war im Juli durchaus ermutigend. Erstmals seit 2008 ist das Verbraucherkreditvolumen wieder gestiegen. Zwar werden die Kreditbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen sowie für Grossunternehmen nach wie vor strenger, doch lässt das Tempo der Straffung nach und die Stimmungsindikatoren signalisieren eine Verbesserung in den kommenden sechs bis zwölf Monaten. In Spanien und Italien hat sich die Liquiditätssituation in den Krisenjahren zwar deutlich verschlechtert, doch sind die Abflüsse ausländischen Kapitals hier jetzt zum Stillstand gekommen. Auch stabilisieren sich in beiden Ländern die Kreditzinsen für kleine und mittlere Unternehmen. Wir finden die Reformen der Bankensysteme von Problemländern wie Spanien ermutigend. Mit der Rekapitalisierung des Bankensektors dürften die mit Immobilien besicherten Problemkredite an Bedeutung verlieren, so dass es den Banken leichter fallen dürfte, einen Teil zur Konjunkturerholung beizutragen.
Das Wachstum kehrt zurück ...
Die unumgänglichen staatlichen Sparprogramme sind weitgehend abgeschlossen, und die Liquiditätssituation verbessert sich. Das Vertrauen kehrt daher nach Europa zurück. Nach sechs Quartalen der Rezession ist das BIP im 2. Quartal 2013 wieder gewachsen um 0,3%. Dabei lieferten sowohl die Binnennachfrage als auch die Nettoexporte positive Beiträge. Der Einkaufsmanager-Gesamtindex ist im September auf 52,2 gestiegen, was für weitere Fortschritte im 3. und im 4. Quartal spricht. Auch die spanische Wirtschaft dürfte irgendwann wieder zu wachsen beginnen, nachdem sie im 2. Quartal nur wenig geschrumpft ist. Für die kommenden Jahre erwarten wir aber keine starke Erholung. Wir rechnen lediglich damit, dass die sehr strenge Kreditvergabepraxis der letzten Jahre und die staatliche Sparpolitik etwas gelockert werden. Wenn die Wirtschaft wächst, wird dies für den Staat und die privaten Haushalte gleichermassen günstig sein.
und die Bewertungen bleiben attraktiv
Trotz der sehr guten Aktienmarktentwicklung seit Juli 2012 sind europäische Aktien gemessen an vielen Kennziffern noch immer unterbewertet, und die
Erwartungen sind vergleichsweise pessimistisch. Das aktuelle Shiller-KGV für den europäischen Aktienmarkt, bei dem die Gewinne um Konjunktureinflüsse
bereinigt werden, liegt noch immer um 24% unter dem langfristigen Median. In Ländern wie Spanien und Italien ist der Abstand des Shiller-KGVs zum langfristigen Durchschnitt sogar noch höher. Die Risikoprämie zeigt, dass europäische Aktien noch immer als überdurchschnittlich riskant gelten; sie liegt
nach wie vor deutlich über dem Vergangenheitsdurchschnitt. Nur ein kleiner Teil der bisherigen Fortschritte ist bereits in den Kursen berücksichtigt, und die Aussicht auf weitere Verbesserungen wird vom Markt bislang ebenfalls ignoriert.
Nicht alle Einzelwerte und Sektoren sind gleich
Das Ende einer Rezession und ein beginnender Aufschwung sind auch dann gut für die Unternehmensgewinne, wenn das Wachstum gering ausfällt. In den letzten drei Jahren hatte die Unternehmemsgewinne kaum zugelegt; heute liegen sie im Durchschnitt etwa 25% unter dem Höchststand des Jahres 2007, wobei es durchaus sektorspezifische Unterschiede gibt. In den Sektoren Banken, Verkehr, Versicherungen und Bau sind die Gewinne am stärksten eingebrochen. Wenn sich die Konjunktur in Europa jetzt erholt, dürften Sektoren, die am stärksten unter der Krise gelitten hatten, am stärksten aufholen. Ermutigend ist, dass die Gewinndynamik allmählich Fortschritte macht und nicht mehr so negativ ist wie bisher. Üblicherweise ist die Gewinndynamik ein Positivindikator für konjunktursensitive Werte sowie Aktien insgesamt. Die Frühindikatoren lassen vermuten, dass die Unternehmensgewinne in den kommenden zwölf Monaten wieder wachsen.
Wenn sich die Investoren weniger Sorgen über die Konjunktur machen, dürfte die Einzelwertauswahl wieder an Bedeutung gewinnen. In Europa gibt es eine Reihe erfolgreicher, gut geführter Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Viele von ihnen haben ihre Stärken: krisenfeste Geschäftsmodelle, ein fähiges Management und eine gute Marktposition. Die Finanzsituation der europäischen Unternehmen bleibt gut. Viele Industrieunternehmen aus dem MSCI Europe verfügen über hohe Nettokassebestände. Auch ist der Verschuldungsgrad seit seinem Höchststand im Jahr 2009 gefallen. Unserer Ansicht nach gibt es viele attraktive europäische Unternehmen aus unterschiedlichen Sektoren, die günstig bewertet sind.
All diese Entwicklungen, seien es die Reformen in den Peripherieländern oder die Wiederbelebung der Konjunktur, haben nicht nur Auswirkungen auf die
Richtung der Aktienmärkte, sondern auch auf die einzelnen Branchen und Sektoren. In den letzten Jahren haben die Anleger europäische Aktien entweder generell gemieden oder sich auf sichere Qualitätstitel beschränkt. Sie erscheinen inzwischen hoch bewertet, obwohl in vielen Branchen wie Tabak, Getränke und Konsumverbrauchsgüter zurzeit deutlich höhere Gewinne erzielt werden als im Jahr 2007, dem letzten Boomjahr. Wenn die recht hohe Risikoprämie für europäische Aktien zurückgeht und die Investoren die Konjunktur wieder optimistischer einschätzen, könnte es zu einer Branchenrotation weg von diesen vermeintlich sicheren Sektoren kommen.
Der Wunsch nach Qualität und Sicherheit um jeden Preis lässt nach. Substanzwerte und konjunktursensitive Titel könnten dann wieder attraktiver
werden.
Wir bevorzugen daher den Finanzsektor sowie ausgewählte Industrie- und Konsumgebrauchsgüterwerte, beispielsweise Medien- und Automobilaktien. Hier sind viele Aktien gemessen an den Unternehmensgewinnen unterbewertet. Unserer Ansicht nach ist das Risiko-Ertrags-Profil dieser Sektoren deutlich attraktiver als das vieler defensiver Wachstumswerte, etwa aus den Branchen Konsumverbrauchsgüter und Luxusgüter, die die Investoren während der Eurokrise bevorzugt haben.
Kommen wir zur Länderebene. Hier erscheinen Titel aus den Peripherieländern eindeutig am attraktivsten, insbesondere bei einer konjunkturbereinigten
Betrachtung.
Dies gilt insbesondere für Spanien. Hier sind die Unternehmensgewinne noch weit von ihrem bisherigen Höchststand entfernt und die konjunkturbereinigten Kennziffern befinden sich nahe ihren Allzeittiefs. Es gibt aber immer mehr Hinweise darauf, dass die Konjunktur bald ihren Tiefpunkt erreicht hat und sich wieder erholt.
Fazit
Die Probleme Europas sind wohlbekannt, aber immer mehr Indikatoren und Daten zeigen, dass Europa die Wende zum Besseren gelungen ist und die Krisenjahre vorbei sind. Die Massnahmen der Regierungen und der EZB sind eine solide Basis für eine Erholung in den kommenden Jahren. Die Investoren dürften europäischen Aktien dann wieder mehr vertrauen - aber auch die einzelnen Sektoren anders einschätzen als bisher."
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