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«Das Vertrauen in den Dollar ist ausgehöhlt»

Arnab Das, Global Macro Strategist bei Invesco über die Kräfte, die hinter der Entdollarisierung stehen. (Bild pd)
Arnab Das, Global Macro Strategist bei Invesco über die Kräfte, die hinter der Entdollarisierung stehen. (Bild pd)

Geostrategische Verschiebungen stellen die Vormachtstellung des US-Dollars als führender Reservewährung und wichtigste Währung der Welt in Frage. Das hat potenziell weitreichende Auswirkungen auf die globalen Zahlungs- und Abrechnungssysteme, heisst es in einem Paper von Invesco.

20.11.2023, 14:16 Uhr
Devisen

Redaktion: sw

In einem neuen Whitepaper mit dem Titel «De-dollarisation dilemmas» analysieren Arnab Das, Global Macro Strategist bei Invesco und Jennifer Johnson Calari von JJC Advisory die Kräfte, die hinter der Entdollarisierung stehen, die Frage, ob der Renminbi den Dollar als wichtigste Währung im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr oder sicheres Wertaufbewahrungsmittel ersetzen wird, sowie die Risiken für das derzeitige internationale Währungssystem durch eine mögliche Beschlagnahmung der russischen Devisenreserven als eine Form von Reparationszahlung.

Ihrer Meinung nach wird die Tatsache, dass eine Leitwährung grosse, tiefe und liquide Finanzmärkte in dieser Währung erfordert, den Wettbewerb zwischen den Währungen weiter begrenzt halten. Daher sollten ihrer Meinung nach politische Entscheidungsträger, Reservemanager und Investoren die Geopolitik und vor allem die technologische Entwicklung zwar aufmerksam verfolgen, sich bei ihren Entscheidungen aber trotzdem weiter an traditionellen Makrofaktoren orientieren.

Als Sanktionswaffe verwendet

«Die Tatsache, dass der Westen die Leitwährung Dollar als Sanktionswaffe verwendet und die Dominanz des US-Dollars im globalen Finanzsystem dazu genutzt hat, andere Staaten zu bestrafen oder zu Verhaltensänderungen zu zwingen, hat das Vertrauen in den Dollar ausgehöhlt. Gleichzeitig stellen China und dessen Verbündete die Vormachtstellung der USA zunehmend in Frage. Der Renminbi scheint zwar im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr weiter an Boden zu gewinnen. Die Wettbewerbsvorteile des Dollars sprechen aber dafür, dass die US-Währung als Massstab für die Preisbildung wichtiger Vermögenswerte und führende Reservewährung ‚Primus inter Pares‘ der grossen Währungen bleiben wird», schreibt Das.

Renminbi ist nicht frei konvertierbar

Wie die Daten des China International Payments System (CIPS) zeigen, stellt China seine eigenen internationalen Transaktionen rasch auf Renminbi um. Im weltweiten grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr dominieren aber weiterhin der US-Dollar und der Euro, was neben Gewohnheit vor allem in den Umstellungskosten und starken Netzwerkeffekten begründet ist. Der Dollar ist eine natürliche Rechnungseinheit, da er frei handelbar ist, während der Renminbi nicht frei konvertierbar ist und strengen Kapitalverkehrskontrollen unterliegt. So könnten Marktteilnehmer und Unternehmen den Renminbi in Verträgen, Rechnungen und für Zahlungen im Handel mit China verwenden, während sie für die zugrunde liegenden Geschäfte und die Preisbildung weiterhin den Dollar nutzen.

Darüber hinaus werden nur die US-Märkte den Anforderungen grosser Reservehalter an die Markttiefe, -grösse und -liquidität gerecht. Der Invesco-Experte fügt hinzu: «In der dollarisierten Weltwirtschaft mit ihren engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Defizit- und Überschussländern über geopolitische Bruchlinien hinweg wäre eine vollständige Entkopplung oder Entdollarisierung übermässig kostspielig und unwahrscheinlich – es sei denn, es kommt zu einem ausgewachsenen Konflikt.»

Den Autoren des Invesco-Whitepapers zufolge ist der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr der Bereich, in dem die Vorrangstellung des Dollars am unmittelbarsten angefochten werden dürfte. Grund dafür seien sowohl geopolitische Faktoren als auch der technologische Wandel. Einerseits bemühten sich derzeit viele Regierungen darum, ihre Abhängigkeit vom Dollar und den USA oder dem Westen zu reduzieren. Gleichzeitig trieben viele private Akteure die Entwicklung effizienterer Zahlungssysteme voran.

Digitale Zentralbankwährungen als Alternative

Die derzeitige globale Zahlungsverkehrsinfrastruktur wird von internationalen Korrespondenzbanken dominiert, die Geld auf der Grundlage von sicheren, standardisierten Zahlungsanweisungen bewegen, die von SWIFT verwaltet werden. Dabei ist das SWIFT-Nachrichtensystem ein wesentlicher Bestandteil der heutigen globalen Zahlungsverkehrsinfrastruktur, da es ein universelles Nachrichtenprotokoll bereitstellt, das von fast allen Banken der Welt verwendet wird. «Das ist ein kurzfristiger Vorteil für SWIFT, wird aber kein unüberwindbares Hindernis darstellen, da Fintechs die Banken durch mobile Wallets ersetzen und viele Zentralbanken die Einführung digitaler Zentralbankwährungen ausloten», erklärt Das.

Als Alternative zum heutigen Zahlungssystem könnten Wholesale-CBDC, also digitale Zentralbankwährungen für Geschäftsbanken und andere Finanzinstitute, die Dollar-Dominanz verringern, wenn die «Interoperabilität» der CBDCs untereinander sichergestellt sei, da dies eine direkte, nahtlose und schnelle Zahlungsabwicklung zwischen Zentralbanken ermöglichen würde.

«Der wichtigste Unterschied zum bestehenden Zahlungssystem besteht darin, dass mehrere Währungen über eine zentrale, Blockchain-basierte Plattform direkt miteinander verbunden wären und viele internationale Akteure direkten Zugang zu dieser Plattform hätten. Damit könnte ein Importeur aus Singapur einen Exporteur aus Thailand über die Plattform direkt in einer Retail-CBDC bezahlen, ohne den Umweg über den Dollar nehmen zu müssen», erklärt der Invesco-Experte.

Wenig Länder sind dabei

Bevor CBDCs das derzeitige Zahlungssystem ablösen, müssten jedoch zunächst einmal wichtige politische Fragen in Bezug auf Governance-Aspekte, rechtliche Befugnisse, Stabilität, Information und Sicherheit geklärt werden. Vor allem aber hinge der Erfolg der CBDCs davon ab, dass genug Zentralbanken von Ländern mit bedeutenden Handelsbeziehungen interoperable nationale CBDCs einführen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hat aus einer vor kurzem durchgeführten Befragung von Zentralbanken geschlossen, dass vermutlich weniger als zehn Länder vor 2030 eine Wholesale-CBDC einführen werden.

Vorrangstellung schwächen

«CBDCs oder CIPS könnten eine Ablösung des Dollars als globaler Leitwährung wahrscheinlicher machen», schreibt Das. «Am ehesten könnte es dazu unserer Ansicht nach durch die Herausbildung eines Handelsblocks von potenziell verbündeten Handelspartnern kommen, die sich als Gegner des westlichen Bündnisses verstehen oder einfach nicht dem Risiko von Sanktionen ausgesetzt sein wollen. Diesen Ländern wäre nicht notwendigerweise daran gelegen, den Dollar zu ersetzen. Durch die komplette Vermeidung von Dollar-Transaktionen würden sie jedoch die Netzwerkeffekte in den Bereichen Rechnungsstellung, Zahlungsverkehr und Reserven reduzieren und so seine Vorrangstellung schwächen.»

Eine Spaltung droht

Gefährdet sähen Das und seine Co-Autoren ihr Szenario einer begrenzten Entdollarisierung, wenn der Westen entscheiden sollte, die russischen Devisenreserven zu beschlagnahmen und als eine Art Reparationszahlung zur Finanzierung des Wiederaufbaus in der Ukraine zu verwenden. «Unabhängig von der rechtlichen oder moralischen Rechtfertigung würde eine Beschlagnahmung der russischen Reserven zeigen, dass der von einigen Ländern gefürchtete Verlust der souveränen Immunität oder sogar Souveränität eine echte Gefahr ist», betont der Experte.

«Das könnte die Entdollarisierung des Zahlungsverkehrs beschleunigen, mit Folgen für die Stellung aller westlichen Reservewährungen als globale Wertaufbewahrungsmittel. Wahrscheinlich würde eine derartige Entwicklung die Globalisierung noch weiter zurückdrehen und potenziell sogar zu einer Spaltung der Weltwirtschaft und -märkte führen: Auf der einen Seite stünden dann die westlichen und dem Westen nahe stehenden Staaten, die die Auffassung teilen, dass die staatliche Souveränität durch Regeln der internationalen Beziehungen begrenzt sein sollte – auf der anderen diejenigen, die diese Auffassung nicht teilen oder fürchten, mit immer mehr finanziellen Sanktionen belegt zu werden», so das Fazit.

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