Anleihen-ETFs bestehen Liquiditätstest

ETFs dürften dank ihrer Flexibilität und täglichen Handelbarkeit künftig noch stärker gefragt sein – insbesondere in volatilen Zeiten. (Bild: Shutterstock.com/katjen)
ETFs dürften dank ihrer Flexibilität und täglichen Handelbarkeit künftig noch stärker gefragt sein – insbesondere in volatilen Zeiten. (Bild: Shutterstock.com/katjen)

Durch die Kursbewegungen aufgrund der Corona-Krise wurden eine ganze Reihe von Anleihen-ETFs vorübergehend mit einem erheblichen Abschlag gegenüber ihrem offiziell festgestellten Wert gehandelt. Das löste eine Debatte darüber aus, ob ETFs durch die extremen Marktbewegungen an ihre Grenzen getrieben worden waren und vielleicht sogar die Finanzmarktstabilität gefährden könnten.

26.06.2020, 06:00 Uhr
ETF

Redaktion: lek

Ein neues Invesco-Whitepaper geht der Frage nach, ob ETFs durch die Kurseinbrüche und Spreadausweitungen der letzten Monate an ihre Grenzen getrieben wurden. Das Fazit der Autoren: Der Grund für die hohen Abschläge war nicht in den ETFs selbst begründet, sondern vielmehr in der Ermittlung des Net Asset Value (NAV). "ETFs haben diesen Liquiditätstest nicht nur bestanden, sondern gezeigt, dass sie den eigentlichen Wert der zugrunde liegenden Anleihen sogar besser reflektieren", sagt Pasquale Capasso, EMEA ETF Capital Markets bei Invesco.

Volatilität erschwert Bestimmung des NAV

Capasso erläutert, dass Investoren den NAV im Anleihenbereich nicht mit dem fairen Wert gleichsetzen sollten. Da Anleihen ausserbörslich (over-the-counter, OTC) gehandelt werden, gebe es keine offiziellen "Schlusskurse" wie an den Aktienmärkten. Daher müsse der NAV anders ermittelt werden. Wie eine Studie aus dem vergangenen Jahr zeigt, werden an einem normalen Tag nur für rund ein Drittel der USD-Unternehmensanleihen Kauf- und Verkaufskurse gestellt. Dadurch kann der Preis einer Anleihe mehrere Tage alt sein. Hinzu kommt, dass in einigen Anleihemärkten zum Teil gar nicht alle Transaktionen erfasst und gemeldet werden. Das macht es selbst in normalen Zeiten schwierig, den wirklichen Wert einer Anleihe zu bestimmen – und in einem volatilen Marktumfeld noch mehr.

Um diese Lücke zu schliessen, erfragen Pricing-Service-Anbieter zum Beispiel Preisschätzungen von unterschiedlichen Anleihehändlern. "Die Genauigkeit ihrer Berechnungen hängt damit natürlich von der Legitimität der bereitgestellten Preisschätzungen ab und diese war nicht immer zweifelsfrei", sagt Capasso. Wie er hinzufügt, reagieren die Broker mit höheren Geld-Brief-Spannen auf das höhere Risiko, wenn Anlagewerte, wie es in einigen Anleihemärkten Ende März und Anfang April der Fall war, nur schwer zu bepreisen sind.

Anpassungen gefordert

Die Invesco-Experten kommen zu dem Schluss, dass die NAVs von Anleihen-ETFs und -Publikumsfonds in der Phase extremer Volatilität an den Kreditmärkten praktisch bedeutungslos waren, da die Pricing-Anbieter ihre für die NAV-Berechnung verwendeten Preisbildungsmodelle nicht entsprechend adjustierten. "Die Investoren vertrauen dem NAV als akkuratem Mass des Werts ihrer Fonds- und ETF-Portfolios", so Capasso. "Eine genauere Untersuchung der Art und Weise, wie die NAVs in dieser Phase ermittelt wurden, hat bedenkliche Defizite deutlich gemacht."

Daher fordern die Invesco-Experten Anpassungen zur Verbesserung der Marktstruktur der Anleihemärkte sowie der Preisbildungsmechanismen von Anleihen-ETFs und -Fonds. So solle es für mehr OTC-Märkte ein zentrales Reporting von Handelstransaktionen und Preisen geben, und diese Daten sollten den Marktteilnehmern mit minimaler Verzögerung zur Verfügung stehen. Ausserdem solle der Fokus stärker auf den Börsenkursen als auf nicht ausführbaren Händler-Quotierungen liegen. "Wir hoffen, dass diese Analyse den Anstoss für wichtige Anpassungen der Marktstruktur der Anleihemärkte und Verbesserungen zum Schutz der Investoren gibt", sagt Capasso.

Aber auch wenn eine akkurate Wertfeststellung für die meisten Investoren in der jüngsten Krisenphase schwierig gewesen sei, hätten die ETFs gezeigt, dass sie auch unter schwierigsten Bedingungen handelbar bleiben und liquider sind als einige andere Produkte - in vielen Fällen sogar als die zugrundeliegenden Anleihemärkte selbst. "Damit dienten sie quasi als Preisfindungsinstrument, das Investoren einen Eindruck davon vermittelt, wo der faire Preis liegen sollte. Selbst wenn zum Teil unerwartet hohe Preisabschläge zu zahlen waren, waren dies zumindest Preise, zu denen Investoren weiter mit ETFs handeln konnten", so Capasso. Und das taten sie auch. Selbst an den volatilsten Tagen waren sowohl Käufer als auch Verkäufer aktiv – während sich viele Investoren auf der Flucht in die Liquidität von allem Liquidierbaren in ihren Portfolios – darunter ETFs – trennten, nutzten andere Investoren die Turbulenzen als Chance für den Markteinstieg.

ETFs haben ihre Resilienz bewiesen

Seit der extremen Volatilität vom März und April haben sich die Marktbedingungen verbessert, da die US-amerikanische Notenbank (Fed) und weitere Zentralbanken im Rahmen ihrer Ankaufprogramme jetzt auch Unternehmensanleihen – und Unternehmensanleihen-ETFs – ankaufen. Diese Stimulusmassnahmen haben zu bedeutenden Zuflüssen in Investment-Grade-Anleihen-ETFs sowie ETFs für Hochzinsanleihen geführt, darunter "Fallen Angel"-Anleihen von Unternehmen, deren Ratings aufgrund der Folgen der Corona-Krise für ihr Geschäft heruntergestuft wurden.

Nachdem sie die jüngste Bewährungsprobe gemeistert haben, glaubt Capasso, dass ETFs mit ihrer Flexibilität und täglichen Handelbarkeit künftig – insbesondere in volatilen Zeiten – noch stärker gefragt sein könnten. "ETFs haben ihre Resilienz unter Beweis gestellt und Investoren nicht nur einen jederzeitigen Marktzugang geboten, sondern im Krisenumfeld auch als Preisfindungsinstrument und wichtige Quelle der Liquidität gedient", so der Invesco-Experte.

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