18.12.2024, 08:38 Uhr
Raiffeisen-Schweiz-Chef Heinz Huber nimmt bereits zum Jahreswechsel seinen Hut. Ab Juli soll er Präsident der Graubündner Kantonalbank (GKB) werden.
Obligationen sind so interessant wie seit Jahren nicht mehr. Aufgrund des Zinsanstieges notieren viele Titel deutlich unter 100%. Neuemissionen in Franken haben je nach Laufzeit und Schuldnerqualität wieder Coupons zwischen 1,5 und 2,5%. "Zupacken", empfiehlt da Benno Demont, Leiter Investment Management und Fondsmanager der Graubündner Kantonalbank.
Herr Demont, Sie sind mit Ihrem Team verantwortlich für den GKB (CH) Obligationen CHF ESG. Schlafen Sie gut zurzeit?
Ich schlafe fast immer gut. Wieso meinen Sie?
Der Blick auf die Wertentwicklung 2022 der Obligationenmärkte sieht düster aus. Die meisten Märkte sind seit Jahresbeginn zwischen 10% und 20% im Minus.
Die in den letzten Jahren oft heraufbeschworene Zinswende ist Tatsache. Die Leitzinserhöhungen der Notenbanken haben zu einem der schnellsten Zinsanstiege in der Geschichte geführt. Die Volatilität an den Zinsmärkten war tatsächlich enorm. Man kann durchaus von einem Obligationen-Crash sprechen.
Was sind die Gründe für diese Entwicklung an den Obligationenmärken?
Hierzu müssen wir einige Jahre zurückblicken. Klar ist, dass die extrem expansive Geldpolitik der Notenbanken mit teilweise negativen Zinsen im vergangenen Jahrzehnt den Nährboden für diese Entwicklung geschaffen hat. Dann kam Covid-19: die Sparquote der Haushalte ist hochgeschnellt und die Lieferketten wurden unterbrochen. Der aufgestaute Konsum hat nach der Öffnung der Wirtschaft zu einem Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage geführt, was die Preise in die Höhe trieb – eine Entwicklung wie aus dem Lehrbuch.
Also sind eben doch die Notenbanken mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik dafür verantwortlich?
Ich sage nur, dass sie die notwendige Bedingung für diese Entwicklung geschaffen haben. Die entscheidende Frage heisst: Was war damals die Alternative? Wo stünden wir heute ohne diese Massnahmen der Notenbanken?
Was ist Ihre Antwort?
Ich bin der Meinung, dass durch ihr Einschreiten kurzfristig Schlimmeres verhindert werden konnte. Allerdings wurde 2021 dann zu lange an der ultraexpansiven Geldpolitik festgehalten. Der Glaube, dass die Inflationsentwicklung nur transitorisch sei, war ein grosser Irrtum.
Wohin geht nun die Reise?
Diesbezüglich sind wir heute in einer entscheidenden Phase. Denn der Ausstieg aus dem Niedrigzinsumfeld ist in vollem Gange. Ein Prozess, vor dem sich Anlegerinnen und Anleger seit Jahren gefürchtet haben. Entscheidend wird sein, ob es den Notenbanken gelingt, eine schwerere Rezession zu verhindern. Dann werden wir im kommenden Jahr entgegen der Marktmeinung keine Leitzinssenkung(en) sehen und werden das Tief- bzw. Negativzinsumfeld auch nachhaltig hinter uns lassen. Der 'Exit' aus dem historischen Tiefzinsumfeld wäre geschafft.
Was, wenn dieses einigermassen positive Konjunkturszenario nicht eintrifft?
Dann dürfte uns ein neuerlicher Rückfall in ein Umfeld negativer Zinsen drohen, also zurück auf Feld eins.
2022 ist die Inflation zurückgekehrt. Wie sehen Sie die weitere Inflationsentwicklung?
Die Inflation wird in den USA weiter sinken. Zudem hilft der seit einigen Wochen schwächere US-Dollar im Kampf gegen die globale Inflationsentwicklung, insbesondere der Eurozone. Wir gehen also davon aus, dass wir den Inflationshöhepunkt in den meisten Industrieländern überschritten haben.
Also alles nur ein kurzer und heftiger Inflationsschub, der bald wieder vorbei ist?
Das würde ich so nicht sagen. Denn Inflationsraten um 2% werden wir in vielen Ländern so schnell nicht wieder sehen. Dies ist auch ein Grund, weshalb wir 2023 noch keine Zinssenkungen der wichtigsten Notenbanken erwarten.
Zum Obligationenmarkt: Ist die Zeit für Obligationen wieder gekommen?
Ja, das ist sie! Obligationen sind so interessant wie seit Jahren nicht mehr. Aufgrund des Zinsanstieges notieren viele Obligationen deutlich unter 100%. Neuemissionen in Schweizer Franken haben je nach Laufzeit und Schuldnerqualität wieder Coupons zwischen 1,5 und 2,5%. Der Schweizer Obligationenmarkt ist 2022 wie ein Phönix aus der Asche gestiegen.
Wo stehen wir in der Schweiz im Zinserhöhungszyklus?
In der Schweiz sind wir auf halbem Weg nach oben. Die Schweizerische Nationalbank wird ihren zwei bisherigen Zinsschritten weitere folgen lassen.
Das ist kein optimales Umfeld für Obligationen.
Entscheidend ist, was der Markt einpreist. Hier haben wir bereits mehr als den halben Weg hinter uns. Die Rendite auf Verfall vieler Anleihen, auch im oberen Ratingsegment, ist sehr attraktiv.
Wie gehen Sie derzeit in Ihrem Fonds GKB Obligationen CHF ESG vor?
Seit Frühsommer haben wir die Eidgenossen sukzessive reduziert und sind nun fast 15% untergewichtet. Im Gegenzug haben wir vor allem Schweizer Pfandbriefe und gute Unternehmensanleihen gekauft. Insbesondere die Renditedifferenz zwischen Eidgenossen und Schweizer Pfandbriefen war mit gegen 100 Basispunkten auf einem Extremwert. Diese Opportunität haben wir ausgenutzt.
Wie positionieren Sie sich auf der Zinskurve?
Im ersten Halbjahr profitierten wir von einer um 1 bis 1.5 Jahre tieferen Duration im Vergleich zur Benchmark, dem SBI AAA-BBB ESG. In den letzten zwei Monaten haben wir die Duration laufend erhöht und sind nur noch leicht tiefer als unser Vergleichsindex.
Lohnt es sich langjährige Obligationen zu kaufen, wenn die Rendite von kurzen Obligationen unwesentlich geringer ist?
Die Zinskurve ist in der Schweiz und in Europa in der Tat sehr flach und in den USA sogar deutlich invers, das heisst, die kurzen Sätze sind höher als die langen Zinsen. Dies ist ein starkes Rezessionssignal. Die entscheidende Frage ist: Weshalb kaufen Anlegerinnen und Anleger lange Obligationen, wenn sie die gleiche oder sogar höhere Jahresrendite mit kurzen Obligationen erreichen können?
Ihre Antwort ist?
Weil sie sinkende Zinsen erwarten. Anlegerinnen und Anleger stehen vor folgender Entscheidung: Kaufe ich vom selben US-Schuldner eine zweijährige Anleihe mit 5,0% p.a. oder eine 10-jährige mit 4,5% p.a.? Zehn Jahre lang 4,5% pro Jahr sind ziemlich gut – zumal die Markterwartung ist, dass die zweijährigen Zinsen in zwei Jahren unter 4,5% liegen. In einem solchen Szenario sind lange Obligationen zu bevorzugen.
Nichtsdestotrotz: Die Realrendite ist negativ.
Abzüglich der aktuellen Inflation ist dem so. Zu bedenken ist aber, dass im genannten Beispiel über zehn Jahre nominal 4,5% Zins p.a. anfallen. Sinnvoller ist daher, die Inflationserwartung für die nächsten zehn Jahre heranzuziehen, die sogenannte Break-Even-Inflationsrate – abgeleitet aus der Rendite von inflationsgeschützten Anleihen. Diese beträgt aktuell 2,5%. Real bleiben somit 2%. Die tatsächlich realisierte Realrendite ist selbstverständlich abhängig von der realisierten Inflation in den nächsten zehn Jahren.
CHF-, USD- oder EUR-Obligationen: Welches Segment empfehlen Sie einem CHF-Anleger?
Wir bei der Graubündner Kantonalbank meiden Fremdwährungsrisiken bei Obligationen. Wir mögen die Volatilität der Währungen in einer üblicherweise wenig volatilen Anlageklasse nicht. Deshalb sichern wir die Fremdwährungsrisiken in der Regel ab. Diese Absicherung ist aktuell aufgrund der hohen Zinsdifferenz zwischen der CHF- und USD-Kurve am kurzen Ende sehr teuer. In der Gesamtbetrachtung präferieren wir zurzeit CHF-Obligationen.