Die Türkische Lira in der Krise

Über dem Finanzplatz Istanbul braut sich etwas zusammen. (Foto Pixabay)
Über dem Finanzplatz Istanbul braut sich etwas zusammen. (Foto Pixabay)

Die türkische Zentralbank kämpft gegen den freien Fall der Lira. Die Landeswährung hat seit Jahresbeginn über 40 Prozent an Wert verloren. Die Finanzexperten sehen vorerst keine Entspannung der Situation.

13.08.2018, 15:06 Uhr

Autor: glc/cwe

Die türkische Landeswährung befindet sich im freien Fall. Der seit Jahresbeginn anhaltende Wertzerfall konnte zwar kurzzeitig gebremst werden, doch die Ankündigungen der USA, die Zölle auf Stahl und Aluminium zu verdoppeln, liessen den Kurs am Freitag absacken.

Paul McNamara, Investment Director bei GAM Investments, über die Probleme des Landes: "Die Türkei leidet unserer Einschätzung nach unter einer toxischen Kombination aus einem Leistungsbilanzdefizit, einer übermässigen Verschuldung des privaten Sektors und einer hohen Auslandsfinanzierung des Bankensystems. Die Situation spitzt sich nun zu, da eine dringend benötigte Nachfrageverlangsamung zu Qualitätsproblemen der Vermögenswerte bei den Banken führt."

Aktionsplan zur Rettung der Lira
Der Finanzminister Albayrak sagte gegenüber der türkischen Zeitung "Hürriyet", der Aktionsplan für Banken und Realwirtschaft sowie die einzelnen Massnahmen seien vorbereitet und fertig. Der Plan richte sich auch an kleine und mittlere Unternehmen, die von Währungsschwankungen am stärksten betroffen seien. Genaue Details nannte er nicht.

Viktor Sabzo, Senior Investment Manager bei Aberdeen Standart kommentiert die Aussagen des Finanzministers folgendermassen: "Er hat wichtige Themen angesprochen, wie die Notwendigkeit, das Wachstum zu bremsen, die Bedeutung der Finanzstabilität und die Unabhängigkeit der Zentralbank. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass er nicht die Art von Details geliefert hat, welche die Märkte beruhigen werden. Die Ankündigung der US-Behörden, die Zölle auf türkische Stahl- und Aluminiumausfuhren in die USA zu verdoppeln, hat ausserdem neues Öl ins Feuer gegossen."

Präsidenten-Rede nicht mit gewünschter Wirkung
Auch der türkische Präsident Erdogan hat sich am Wochenende geäussert. In seiner Rede bezeichnete er den Kursverfall der Landeswährung als "Angriff" in einem Wirtschaftskrieg gegen die Türkei. "Die mit Spannung erwartete Rede des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan über das neue Wirtschaftsmodell für die Türkei hat an den Finanzmärkten mehr Schaden angerichtet als Unterstützung geboten", meint Aneeka Gupta, Associate Director Equity and Commodities bei WisdomTree. Die Anleger sind offenbar gleicher Meinung, denn auch heute Montag ging die türkische Lira gegenüber dem Euro nochmals schwächer aus dem Handel. "Daher erscheint eine beträchtliche Zinserhöhung, gefolgt von drastischen Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung, nach wie vor als die praktikabelste Option, um die Lira wieder zu verankern und die türkische Wirtschaft vom Abgrund zu reißen", sieht Delphine Arrighi, Fondsmanagerin bei Old Mutual Global Investors.

Wie ernst die Lage eingeschätzt wird, zeigt die jüngste Entwicklung der Prämien für Kreditausfallversicherungen (CDS) auf türkische Staatspapiere. Diese stiegen allein seit letzter Woche um mehr als 200 Basispunkte auf heute 540 Basispunkte, zu Jahresbeginn hatten sie noch bei 160 Basispunkte gelegen.

Grant Webster, Emerging Market Fixed Income-Spezialist von Investec Asset Management rät von einem Engagement in der Türkei ab: "Wir bevorzugen in unserem Anlageuniversum Opportunitäten mit besseren fundamentalen Gegebenheiten und konstruktiverer Politik."

Auch wenn die Schwäche der Türkei die negative Stimmung gegenüber Schwellenländern im Allgemeinen verstärkt, dürfte der breitere wirtschaftliche Spillover auf andere Emerging Markets-Länder begrenzt sein, sieht Lale Akoner, Global Market Strategist bei BNY Mellon Investment Management.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen eine bestmögliche Nutzung zu ermöglichen. Mit der Annahme der Cookies bestätigen Sie, dass Sie ein professioneller Anleger mit Sitz in der Schweiz sind.> Datenschutzerklärung