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China: Antworten auf die brennendsten Fragen

China ist im Spannungsfeld zwischen Null-Covid-Politik und wirtschaftlichem Abschwung. (Bild: ZVG)
China ist im Spannungsfeld zwischen Null-Covid-Politik und wirtschaftlichem Abschwung. (Bild: ZVG)

Von der Null-Covid-Politik über die Stützung der Wirtschaft und des Aktienmarktes bis hin zum Risiko eines militärischen Konflikts um Taiwan: Jian Shi Cortesi von GAM Investments gibt Antworten auf einige der brennendsten Fragen, die Kunden zum Thema China gestellt haben.

21.07.2022, 11:35 Uhr

Redaktion: rem

Was verbirgt sich hinter Chinas Null-Covid-Politik?
Die chinesische Regierung steht vor einem Zielkonflikt zwischen Covid-Sterbefälle und wirtschaftlichem Abschwung. Zu den Herausforderungen hinsichtlich der Covid-Todesfälle zählen:

  • Aufgrund erfolgreicher Eindämmungsmassnahmen in China in den vergangenen zwei Jahren infizierten sich weniger als 0,1% der chinesischen Bevölkerung mit Covid, und China hatte nur einige Tausend Covid-Todesfälle zu beklagen (im Vergleich zu 1 Mio. in den USA). Dies macht die chinesische Bevölkerung vermutlich anfälliger für eine Covid-Infektion im Vergleich zu Ländern, die auf dem Weg sind, eine Herdenimmunität zu erreichen.
  • Die am stärksten gefährdete Bevölkerungsgruppe in China ist nicht bereit, sich impfen zu lassen. Nur 60% der Menschen über 60 Jahre haben eine Auffrischungsimpfung erhalten, was bedeutet, dass 100 Millionen ältere Menschen in China nicht geimpft sind.
  • Der Anteil der Intensivbetten (Intensive Care Units/ICU) ist in China völlig unzureichend. Laut Umfragedaten der Chinese Society of Critical Care Medicine beträgt das Verhältnis von Intensivbetten zu Krankenhausbetten landesweit lediglich 1,65%, was bedeutet, dass pro 100'000 Menschen nur 3,43 Intensivbetten zur Verfügung stehen.

Ausgehend von den 2-3 Todesfällen pro 1000 Menschen, die in zahlreichen westlichen Ländern zu verzeichnen sind, schätze ich, dass das Einstellen der Null-Covid-Massnahmen in China zu 3-4 Mio. Todesfällen im Land führen könnte (ausgehend von 1 Mio. Covid-Todesfällen in den USA bei einer Bevölkerung von 300 Mio. China hat die vierfache Bevölkerung) und zu einem erheblichen Druck auf die Krankenhäuser führen würde. Dies ist das Szenario, das die politische Führung Chinas vermeiden möchte.

Wird der mRNA-Impfstoff für China zu einem Wendepunkt führen?

China steht kurz vor der Zulassung seines ersten mRNA-Impfstoffs. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts befinden sich mindestens sechs inländische mRNA-Impfstoffe in der klinischen Erprobung.

mRNA-Impfstoffe lösen nachweislich eine stärkere Antikörperreaktion aus als der Sinovac-Impfstoff aus China. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein mRNA-Impfstoff für China den Durchbruch bringt; drei Impfungen mit dem Sinovac-Impfstoff führen zu einer Wirksamkeit von mehr als 90% gegen den Covid-Tod.

Daher liegt der Schlüssel für China nicht im mRNA-Impfstoff, sondern in der Erhöhung der Impfrate bei älteren Menschen. Wie bereits erwähnt, lag die Durchimpfungsrate bei den über 60-Jährigen bei lediglich 60% und bei den 80-Jährigen und Älteren bei nur 20%. Um ältere Menschen zur Impfung zu motivieren, bietet die Regierung mittlerweile verschiedene finanzielle Anreize.

Wann wird China die Null-Covid-Politik lockern?

Es ist schwer vorherzusagen, wann genau China die Null-Covid-Politik aufgeben wird, wir erwarten jedoch, dass der Trend in Richtung einer Lockerung geht. So wurde beispielsweise die Quarantänezeit für einreisende Touristen vor kurzem von zwei Wochen auf eine Woche verkürzt.

China wird die Null-Covid-Politik endgültig aufgeben, wenn die Städte über ausreichende medizinische Ressourcen und eine hohe Durchimpfungsrate verfügen, insbesondere bei älteren Menschen und sonstigen gefährdeten Gruppen.

Was erwarten Sie vom Parteitag im Herbst?

Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) wird voraussichtlich im Oktober/November zu ihrem 20. nationalen Parteitag zusammenkommen. Der Parteitag wird Chinas neue Spitzenpolitiker für die nächsten fünf Jahre benennen.

Wie es im Bericht der Heritage Foundation heisst, wird zwar allgemein erwartet, dass Xi als Staatsoberhaupt wiedergewählt wird, das Ergebnis ist jedoch nicht garantiert. Xi leitet seine Macht von der Zustimmung der breiteren KPCh-Führung ab, die er sich, wie bei früheren Führern, durch Leistung und Kompromisse sichert.

Die auf dem Parteitag vorgestellten Prioritäten werden dazu beitragen, den politischen, wirtschaftlichen und aussenpolitischen Kurs Chinas für die kommenden Jahre zu bestimmen.

Was tut China, um die Wirtschaft und den Aktienmarkt zu stützen?

Folgende Massnahmen sollen zur Stützung der Wirtschaft und des Aktienmarktes beitragen:

  • China ist die einzige grosse Volkswirtschaft, die dieses Jahr die Zinsen gesenkt hat.
  • Lockerung der Beschränkungen für den Immobilienerwerb und die Hypothekenvergabe zur Unterstützung des Immobilienmarktes.
  • Unterstützung eines gesunden Internet-Wachstums und Förderung der globalen Wettbewerbsfähigkeit des chinesischen Internets.
  • Erhöhung der MwSt.-Vergünstigungen sowie Einräumung der Möglichkeit für Kleinunternehmen, Sozialversicherungszahlungen aufzuschieben.
  • Verdoppelung des Volumens von Vorzugsdarlehen für mittelgrosse Unternehmen. Ermöglichung eines Zahlungsaufschubs von Darlehensrückzahlungen für Privatpersonen und kleine Unternehmen.
  • Beseitigung von Transportbeschränkungen für die Industrielogistik. Ausbau der nationalen und internationalen Flugverbindungen.
  • Steigerung der Verbraucherausgaben für Autos und Wohnungen durch die Befreiung von 60 Mrd. RMB an Kfz-Steuern für Käufer von Personenkraftwagen sowie die Verbesserung der Wohnungsbaupolitik zur Erleichterung von Immobilienkäufen.
  • Steigerung der Kohleproduktion zur Gewährleistung der Energiesicherheit.
  • Verbesserung der Unterstützung der arbeitslosen Bevölkerung.
Jian Shi Cortesi, Investment Director, ist Mitglied des Global Growth Equity Teams und verwaltet chinesische und asiatische Aktienfonds bei GAM.
Jian Shi Cortesi, Investment Director, ist Mitglied des Global Growth Equity Teams und verwaltet chinesische und asiatische Aktienfonds bei GAM.

Wie gross ist das Risiko eines militärischen Konflikts um Taiwan?

Die Volksrepublik China, die von der KPCh regiert wird, definiert ihr Territorium als China plus Taiwan, sie kontrolliert Taiwan jedoch nicht. Laut taiwanesicher Verfassung ist Taiwan Teil der Volksrepublik China und definiert sein Territorium als Taiwan inklusive chinesisches Festland. Dies ist das Ergebnis des früheren Bürgerkriegs. Die KPCh hofft, dass Festlandchina und Taiwan durch friedliche Gespräche, wie sie zwischen Ost- und Westdeutschland stattgefunden haben, wiedervereint werden können. In den letzten Jahren haben jedoch einige Politiker in Taiwan darauf gedrängt, die Verfassung zu ändern, um Taiwan als eigenständige souveräne Einheit neu zu definieren. Für Festlandchina käme dies einer Unabhängigkeitserklärung gleich. Die chinesische Regierung hat offen erklärt, dass sie Taiwan in diesem Fall mit militärischer Gewalt besetzen wird. Wir sind jedoch der Überzeugung, dass der derzeitige Krieg in der Ukraine als Abschreckung dient und die Wahrscheinlichkeit eines Taiwan-Konflikts tatsächlich verringert.

Verfolgt man die Medienberichterstattung über Taiwan, so zeigt sich, dass sich die Taiwanesen nicht sicher sind, ob die USA im Falle eines Krieges für sie kämpfen würden. Wir haben den Eindruck, dass Taiwan derzeit weniger auf die Unabhängigkeit drängt als in früheren Zeiten.

In Anbetracht der Sanktionen und der wirtschaftlichen Störungen, denen Russland ausgesetzt ist, ist es unwahrscheinlich, dass China militärische Massnahmen ergreift, ohne dass Taiwan seine Unabhängigkeit erklärt.

Die USA haben einen sehr starken Einfluss auf Taiwan und sind stark motiviert, das Land an einer Verfassungsänderung zu hindern, um einen dauerhaften Frieden zu ermöglichen. Sollte Taiwan beschliessen, seine Verfassung zu ändern, würde dies die USA in eine sehr schwierige Lage bringen, da sie vor einem Dilemma stünden – sie könnten entweder gegen China kämpfen oder nichts tun – und keine der beiden Alternativen erscheint besonders wünschenswert.

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