12.12.2024, 08:22 Uhr
Die Finanzmarktaufsicht Finma schliesst ein Verfahren gegen den Derivate-Spezialisten Leonteq im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Produkten ab. Sie spricht von einem schweren Verstoss und zieht Gewinne von mehr als 9...
Die betrügerischen Anlagegeschäfte bei der UBS, bei denen auch ETFs zum Einsatz gekommen sind, haben diese Anlageinstrumente in ein schlechtes Licht gerückt. Die FINMA publizierte am 21. September eine Mitteilung zu ETFs. Diese sei aber schon lange vor dem Betrugsfall bei der UBS geplant gewesen, wie der Sprecher Tobias Lux gegenüber NZZ online betonte.
Mit der Mitteilung richtet sich die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA an die Fondsleitungen und Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen und informiert sie über die Voraussetzungen für die Zulassung von ETFs in der Schweiz.
Die Mitteilung der FINMA im Wortlaut: Exchange Traded Funds (ETFs) sind seit Jahren sowohl bei institutionellen als auch bei Publikumsanlegern ein beliebtes Anlageinstrument und dadurch zu einem festen Begriff geworden. Die grosse Nachfrage nach ETFs hat nicht nur zu einem starken Wachstum dieser Produkte, sondern auch dazu geführt, dass immer komplexere Strukturen von ETFs angeboten werden. Dies birgt auch gewisse Risiken. Die Bank for International Settlements, das Financial Stability Board FSB, die Bank of England und der IWF haben denn auch auf potentielle Risiken für die Stabilität der Finanzmärkte hingewiesen, welche von ETFs ausgehen. Auch die FINMA hat seit Anfang dieses Jahres ETFs einer vertieften Prüfung und Analyse unterzogen und nutzt mit vorliegender FINMA-Mitteilung die Gelegenheit, die Bewilligungsträger, namentlich die Fondsleitungen und die Vertreter ausländischer kollektiver Kapitalanlagen, über die Voraussetzungen der Genehmigung von schweizerischen als auch von in oder von der Schweiz aus zum öffentlichen Vertrieb angebotenen ausländischen ETFs zu informieren.
Merkmale von ETFs
Die Kollektivanlagengesetzgebung kennt für ETFs keine Legaldefinition. Die schweizerischen als auch die in oder von der Schweiz aus zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen ausländischen ETFs sind offene kollektive Kapitalanlagen in der Form des vertraglichen Anlagefonds oder in der Form der Investmentgesellschaft mit variablem Kapital (SICAV). ETFs müssen damit wie sämtliche offenen kollektiven Kapitalanlagen - dem Anleger grundsätzlich ermöglichen, seinen Anteil täglich zum Nettoinventarwert auf dem Primärmarkt, d.h. direkt bei der Fondsleitung (für einen vertraglichen Anlagefonds oder für eine fremdverwaltete SICAV) oder direkt bei der SICAV (für eine selbstverwaltete SICAV) zurückzugeben. Da ETFs an einer schweizerischen Börse kotiert werden müssen, können die Anteile aber auch an dieser, d.h. am sog. Sekundärmarkt, veräussert und erworben werden. Gegenwärtig können ETFs ausschliesslich an der SIX Swiss Exchange kotiert werden. Im Unterschied zu gewöhnlichen an der SIX Swiss Exchange kotierten kollektiven Kapitalanlagen (z.B. Immobilienfonds) muss bei ETFs zwingend ein Market Maker einen liquiden Handel sicherstellen. Der Market Maker verpflichtet sich gegenüber der SIX Swiss Exchange und dem ETF-Anbieter, verbindliche Geld- und Briefkurse zu stellen, zu denen die Anlegerinnen und Anleger ihre ETF-Anteile verkaufen resp. kaufen können. Er muss während der Handelszeit und bei normalen Marktverhältnissen jederzeit je auf der Kauf- und Verkaufsseite eine minimale Auftragsgrösse von EUR 50000 sicherstellen und sich zudem verpflichten, dass die Spanne zwischen Geld-/Briefkurs und dem indikativen Nettoinventarwert, der laufend durch die SIX Swiss Exchange veröffentlicht wird, einen gewissen Prozentsatz nicht übersteigt. Die Überwachung der Einhaltung der entsprechenden Market-Making-Verpflichtungen obliegt der SIX Swiss Exchange, nicht der FINMA. Schliesslich charakterisieren sich ETFs dadurch, dass sie einen Index replizieren. Ein Index ist eine statistische Kennzahl, welche einen Korb voller bewerteter Finanzinstrumente wiedergibt. Unterdessen existieren zahlreiche verschiedene Indizes (z.B. Kurs- vs. Performanceindizes, Gesamtmarktindizes, Branchenindizes, Strategieindizes, etc.). ETFs können aber auch unter Umständen die Wertentwicklung eines Basiswertes, wie z.B. des Goldes, abbilden.
Sämtliche schweizerischen als auch in oder von der Schweiz aus öffentlich vertriebenen ausländischen ETFs haben vorgenannte Merkmale gemeinsam. Der massgebende Unterschied bei der Betrachtung verschiedener ETFs ist die Art der Index-Replikation.
Kategorisierung der ETFs nach der Replikationsmethode
Die verschiedenen ETFs unterscheiden sich insbesondere in der Art und Weise der Replikation des Index. Vollständig physisch replizierende ETFs erwerben sämtliche Wertpapiere des Index entsprechend ihrer Indexgewichtung. Der Erwerb sämtlicher Wertpapiere ist jedoch bei Indizes, die breite Märkte repräsentieren (z.B. Index MSCI World mit mehr als 1700 Aktienwerten), mit einem hohen Aufwand sowie hohen Kosten verbunden. Aus diesen Gründen wenden physisch replizierende ETFs auch die sog. Sampling Methode an. Bei dieser erwirbt der ETF nur eine Teilmenge der dem Index zugrunde liegenden Wertpapiere. Im Gegensatz zu physisch replizierenden ETFs bilden synthetisch replizierende ETFs den Index mittels Derivaten ab. Bei den sog. Unfunded Swap ETFs schliesst der ETF mit einer oder mehreren Swap-Gegenparteien ein Swap-Geschäft ab. Der ETF investiert in der Regel nicht in die dem Index zugrunde liegenden Wertpapiere, sondern erwirbt im Umfang des Fondsvermögens von der Swap-Gegenpartei einen steueroptimierten Wertpapierkorb. Dieser Wertpapierkorb kann gänzlich aus anderen Wertpapieren als der Index, den der ETF abbildet, bestehen. Der ETF tauscht sodann die Performance seines Wertpapierkorbes gegen die Performance des zu replizierenden Index (sog. Total Return Swap). Bei den sog. Funded Swap ETFs schliesst der ETF ebenfalls mit einer oder mehreren Swap-Gegenparteien ein Swap-Geschäft ab. Im Unterschied zum Unfunded Swap ETF erwirbt der ETF hier jedoch nicht einen Wertpapierkorb, welcher in das Fondsvermögen übergeht, sondern er hält lediglich einen vollständig abgesicherten Swap (sog. Fully-Funded-Swap). Da Funded Swap ETFs ihr gesamtes Fondsvermögen in den Swap, welcher in der Regel mit einer einzigen Gegenpartei abgeschlossen wird, investieren, kommt hier der Gefahr der Insolvenz der Gegenpartei eine besondere Bedeutung zu. Die schweizerische Kollektivanlagengesetzgebung begrenzt dieses Risiko für Effektenfonds (Art. 53 ff. KAG) und für Fonds der Art übrige Fonds für traditionelle Anlagen (Art. 68 ff. KAG) auf max. 10% des Fondsvermögens (Art. 57 KAG i.V.m. 80 KKV). Damit muss die Swap-Gegenpartei dauernd Sicherheiten im Wert von mind. 90% bzw. 95% des Nettoinventarwertes des Funded Swap ETFs hinterlegen.
Funded Swap ETFs im Besonderen
Die FINMA hat im Rahmen ihrer Prüfung und Analyse von Funded Swap ETFs mehrere Probleme festgestellt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Funded Swap ETFs sämtliche Elemente einer kollektiven Kapitalanlage erfüllen. Gemäss Legaldefinition sind kollektive Kapitalanlagen Vermögen, die von Anlegern zur gemeinschaftlichen Kapitalanlage aufgebracht und für deren Rechnung verwaltet werden. Der Begriff der Verwaltung des Vermögens für Rechnung der Anleger (sog. Fremdverwaltung) besagt, dass die Verwaltung des Vermögens den Anlegern entzogen und dem geschäftsführenden Organ der kollektiven Kapitalanlage zugewiesen ist. Der Begriff der Fremdverwaltung enthält zwei Elemente, nämlich das Element der Verwaltung und dasjenige der Fremdheit. Von einer Verwaltung ist dann auszugehen, wenn das geschäftsführende Organ des ETFs selbständig über die Anlagen, d.h. in eigener Verantwortung über Kauf und Verkauf der Anlagen, entscheidet. Bei den klassischen ETFs, d.h. den physisch replizierenden ETFs, kann ohne weiteres von einer Verwaltung durch das geschäftsführende Organ des ETFs gesprochen werden. Innerhalb der vorgegebenen Anlagepolitik muss dieses nämlich z.B. über die Höhe der gehaltenen flüssigen Mittel und über den Zeitpunkt des Kaufs oder Verkaufs der im Index enthaltenen Anlagen entscheiden. Anders ist die Situation bei Funded Swap ETFs. Hier wird in der Regel der gesamte Cash-inflow des ETFs an die Swap-Gegenpartei transferiert, so dass das geschäftsführende Organ des ETFs zu keinem Zeitpunkt über die Höhe der gehaltenen flüssigen Mittel noch über einen allfälligen Kauf oder Verkauf von Anlagen zu entscheiden hat. Hieran mag auch nicht zu ändern, dass dem geschäftsführenden Organ des ETFs im Rahmen der Annahme der Sicherheiten eine gewisse Entscheidungsbefugnis zusteht. Ebenfalls vermag die Auswahl der Swap-Gegenpartei grundsätzlich nicht als Verwaltung zu qualifizieren, insbesondere wenn eine Konzerngesellschaft des ETF-Anbieters (z.B. die Investmentbank) Swap-Gegenpartei ist. Schliesslich ist zu beachten, dass Funded Swap ETFs auch in Bezug auf das Begriffselement der Kapitalanlage problematisch sind. Als Vorgang kann die Kapitalanlage als längerfristig geplante Verwendung von Geldern zur Erzielung eines Ertrages und/oder eines Wertzuwachses oder wenigstens zur Erhaltung der Substanz definiert werden. In Bezug auf den Gegenstand lässt sich die Kapitalanlage in verschiedene Arten wie Effekten, andere Beteiligungs- und Forderungspapiere, Wertrechte, verzinsliche Bankguthaben, Edelmetalle etc. einteilen. Funded Swap ETFs verfügen wie ausgeführt über keine Anlagen im Fondsvermögen. In der Regel dürfte auch der OTC-Swap nicht als Anlage, sondern als Anlagetechnik qualifizieren. Funded Swap ETFs erfüllen damit unter Umständen nicht die Merkmale einer kollektiven Kapitalanlage im Sinne von Art. 7 Abs. 1 KAG. Es obliegt damit dem Gesuchsteller bei der Einreichung des Gesuchs unter anderem nachzuweisen, dass das eingereichte Produkt eine kollektive Kapitalanlage darstellt.
Vorgenannte Ausführungen zu den Funded Swap ETFs zeigen zudem, dass sich diese von ihrer Funktionsweise her stark von den herkömmlichen, physisch replizierenden ETFs unterscheiden, so dass nicht davon auszugehen ist, dass ein Publikumsanleger versteht, in was für ein Produkt er bei einem Funded Swap ETF investiert (vgl. für Unfunded Swap ETFs nachfolgend S. 6). Schliesslich ist bei Funded Swap ETFs zu beachten, dass diese ihr gesamtes Fondsvermögen in einen oder mehrere OTC-Swaps investieren. Da die schweizerische Kollektivanlagengesetzgebung das Gegenparteirisiko bei OTC-Swaps auf 5% bzw. 10% beschränkt, müssen die Swap-Gegenpartei/en im Umfang von mindestens 90% bzw. 95% des Nettoinventarwertes des Funded Swap ETFs Sicherheiten hinterlegen. Die Kollektivanlagengesetzgebung sieht jedoch keine Vorschriften bezüglich der zu leistenden Sicherheiten vor. Damit kann die Swap-Gegenpartei unter Vorbehalt des Einverständnisses des ETF-Anbieters beliebige Anlagen als Sicherheiten hinterlegen. Hier besteht die Gefahr, dass die Swap-Gegenpartei dem Funded Swap ETF einzig Wertpapiere als Sicherheiten hinterlegt, welche nicht mit den im Index enthaltenen Wertpapieren korrelieren oder nicht über die gleiche Liquidität verfügen. Die Sicherheiten sind insbesondere bei Insolvenz der Swap-Gegenpartei von Bedeutung.
Weitere Anforderungen an ETFs
Bezeichnung ETF
ETFs replizieren einen Index physisch oder synthetisch. Ausgeschlossen ist jedoch, dass der Index einzig als Benchmark dient und der ETF ausschliesslich zum Ziel hat, eine Outperformance gegenüber dem Benchmark-Index zu erzielen, ohne dass er nur annähernd in die dem Index zugrunde liegenden Wertpapiere investiert. Hier liegt eine Täuschung des Anlegers i.S.v. Art. 12 KAG vor (Beispiel: Name ETF SMI. Anlagepolitik verfolgt das Ziel, durch Investition in japanische Wertpapiere eine Outperformance gegenüber dem SMI zu erzielen). Deshalb dürfen offene kollektive Kapitalanlagen, bei denen der Index einzig als Benchmark dient, nicht die Bezeichnung ETF in ihrem Namen tragen.
Zudem müssen bei einem Umbrella-Fonds, welcher die Bezeichnung ETF trägt, sämtliche Teilvermögen kotiert werden. Trägt bei einem Umbrella-Fonds einzig ein Teilvermögen die Bezeichnung ETF, so ist dieses zu kotieren. Bei einem Einzelfonds mit der Bezeichnung ETF ist dieser zu kotieren. Demgegenüber ist es unzulässig, bei einem Einzelfonds nur einzelne Anteilsklassen zu kotieren und diese als ETF zu bezeichnen. Anteilsklassen sind nämlich keine rechtlich verselbständigten kollektiven Kapitalanlagen. Deshalb müssen sämtliche Anteilsklassen eines Einzelfonds bzw. eines Teilvermögens bei einem Umbrella-Fonds an einer Schweizer Börse kotiert sein, wenn einzelne Anteilsklassen die Bezeichnung ETF tragen sollen.
Die vorgenannten Massnahmen sind auf schweizerische wie auch auf in oder von der Schweiz aus öffentlich vertriebene ausländische kollektive Kapitalanlagen anwendbar.
Transparenz der Fondsdokumente schweizerischer ETFs
Physisch replizierende ETFs unterscheiden sich wie gesehen grundlegend von synthetisch replizierenden ETFs. In den Fondsdokumenten schweizerischer ETFs ist deshalb klar offenzulegen, welche Replikationsmethode angewendet wird, wie diese funktioniert und welche Risiken diese haben kann.
Dasselbe gilt für den zu replizierenden Index. ETFs replizieren, wie eingangs erwähnt, in der Regel einen Index ab. Aufgrund der Vielzahl an existierenden Indizes ist es für den Anleger von grundlegender Bedeutung, dass die Transparenz des Index sichergestellt ist. Zudem definiert der Index das Rendite-Risiko-Profil des ETFs, weshalb der Transparenz und Information der Anlegerinnen und Anleger grosse Bedeutung beizumessen ist. Sie müssen sich darüber informieren können, wer der Indexanbieter ist, wie sich der Index zusammensetzt, d.h. wie dieser konstruiert und bewertet wird, welche Risiken bestehen und schliesslich, wo aktuelle Informationen über den Index erhalten werden können. Zudem ist, sofern der Indexanbieter und der ETF demselben Konzern angehören, dies sowie die getroffenen Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten (z.B. Chinese Walls zwischen den Verantwortlichen für die Indexbildung/-Änderung und den Verantwortlichen für die Vermögensverwaltung) in den Fondsdokumenten offenzulegen.
Unfunded Swap ETFs müssen zudem neu in den Fondsdokumenten ihre Anlagepolitik in Bezug auf den Referenzwertpapierkorb offenlegen. Unfunded Swap ETFs legen zwar offen, welchen Index sie synthetisch abbilden und welche Performance sie entsprechend erzielen wollen, doch ist zu beachten, dass die im Referenzwertpapierkorb enthaltenen in der Regel nicht den dem Index zugrunde liegenden Wertpapieren entsprechen. Die Zusammensetzung des Referenzwertpapierkorbes ist insbesondere im Hinblick auf die Liquidation des ETFs von Bedeutung (Beispiel: ETF SMI mit einer Unfunded Swap Struktur. Referenzwertpapierkorb besteht aus japanischen Aktien. Bei Liquidation des Fonds muss der Referenzwertpapierkorb, welcher aus japanischen Aktien besteht, versilbert werden).
Die vorgenannten Massnahmen betreffen ausschliesslich schweizerische ETFs, handelt es sich doch um konkrete Vorschriften in Bezug auf den Inhalt der Fondsdokumente. Die Anforderungen sind mit einer Ausnahme (Offenlegung der Anlagepolitik in Bezug auf den Referenzwertpapierkorb bei Unfunded Swap ETFs) auch von bereits genehmigten schweizerischen ETFs zu erfüllen.