14.11.2024, 15:34 Uhr
Sven Württemberger ist zum neuen CEO der DWS Schweiz berufen worden. Zuletzt war er als Head of Client Coverage Division Schweiz für den Vertrieb verantwortlich. Württemberger ist seit 2017 für den deutschen...
Marktteilnehmer dürften bei den Inflationsprognosen im Nebel stochern. Einmal mehr lagen die Zahlen diese Woche über den Erwartungen. Die Anleihemärkte reagieren entsprechend, doch die Aktienmärkte erstaunlich gelassen. Wie lange noch, fragen die DWS-Experten und geben Antworten.
Es ist fast genau zehn Jahre her, dass Mario Draghi seine berühmten Worte "whatever it takes" auf der EZB-Pressekonferenz denjenigen Investoren vor den Latz knallte, die es wagten, an der Zahlungsfähigkeit europäischer Peripherieländer und/oder an der Hilfsbereitschaft der EZB zu zweifeln. Diese Woche nun wurden Inflationsraten der Eurozonenländer in Höhe von 6% bis 10% gemeldet. Natürlich standen Zentralbanken laut DWS schon vorher parat, alles Notwendige zu tun, um Volk und Wirtschaft vor grossen Gefahren zu bewahren. Etwa die Federal Reserve im Jahre 2008, um den Folgen der Finanzkrise zu begegnen. Damals stieg die Bilanzsumme der Zentralbank von einer auf über 2 Bio. USD. Im Rahmen der Corona-Pandemie stieg sie dann von 4 auf jetzt 9 Bio. USD. Die USA vermeldeten zuletzt eine Inflationsrate von 7,9% für Februar. Dass das eine, die Inflation, mit dem anderen, der Bilanz der Notenbanken, nichts zu tun haben, betonen derzeit nicht nur die Zentralbanken regelmässig.
"Konsumenten und Arbeitnehmern dürfte der Wahrheitsgehalt dieser These egal sein, sie sehen nur die aktuell steigenden Preise. Und die steigen, genau wie die Renditen. Wie unser Chart der Woche zeigt, war die Inflationskomponente der treibende Faktor für den Renditeanstieg der 10-jährigen US-Staatsanleihen seit März 2020. Realrenditen hingegen pendeln seit zwei Jahren überraschend stetig zwischen minus 0,5 und minus 1%. Aber die Inflationserwartungen sind allein seit Ausbruch des Krieges um rund einen halben Prozentpunkt gestiegen, was angesichts der aktuellen Inflationsschübe wenig verwundert. Auf zehn Jahre hochgerechnet entspräche das einem zusätzlichen Kaufkraftverlust von satten 6%", so die DWS.
Überraschend sei jedoch die Gleichgültigkeit des Aktienmarkts. Der S&P 500 notiert wieder deutlich über dem Niveau, welches er vor Kriegsbeginn hatte. Dabei heisse es doch seit zwei Jahren, die Aktienbewertungen kämen unter Druck, wenn 10-jährige Treasuries über 2% notierten. Allerdings habe man da noch gedacht, höhere Renditen würden im Rahmen der Wiedereröffnungskonjunktur durch die reale Komponente getrieben.
Wie die DWS-Experten weiter erläutern, bedeuten aus Sicht eines Portfoliomanagers steigende oder gar positive Realrenditen eine steigende Attraktivität von Anleihen. Andersherum freue sich der Aktionär über negative Realrenditen, weil dann das TINA-Argument (There Is No Alternative) zünde – also die vermeintliche Alternativlosigkeit ihrer Anlage. "Doch sind höhere, durch Inflationserwartungen getriebene Nominalrenditen ein Selbstläufer für Aktionäre", stellen die Experten die Frage in den Raum. Ihre Antwort darauf: "Nun, ceteris paribus würde ein Ertragswertmodell zum gleichen Kurswert kommen, wenn Erträge und Kosten der Firmen im Rahmen der Inflation stiegen. Der grössere Zähler würde durch einen ebenfalls inflationierten grösseren Nenner kompensiert."
Ungemütlicher werde es allerdings, wenn die Inflation absolute Dimensionen annehme, welche die Geschäftsplanung erschweren. Bei Raten von beispielsweise 10% müssten die Firmen realistischerweise mit einem Schwankungskorridor von 10% (fünf Prozentpunkte nach oben oder unten) rechnen. Im letzten Jahrzehnt war ein Korridor von 3% schon vorsichtig. "Diese höhere Unsicherheit sollte sich in höheren Risikoabschlägen widerspiegeln", so die Experten. Davon sei an den Aktienmärkten wenig zu sehen. Vielleicht weil die hohen Inflationsraten immer noch als vorübergehend angesehen werden. Oder weil man glaube, die Unternehmen könnten die Preise noch länger stärker als die eigenen Kosten anheben.
Doch warum sollten Aktienanleger die Inflationsprognosen besser hinbekommen als Anleihenanleger, auch wenn Letzteren die Arbeit seit Jahren zusätzlich durch die massiven Anleihekäufe der Zentralbanken erschwert werde. "Tatsache ist, dass derzeit wohl alle Marktteilnehmer im Nebel stochern dürften, wie sich auch am Mittwoch zeigte, als die Schätzungen der Ökonomen die tatsächlichen deutschen Inflationszahlen um ganze 1,3 Prozentpunkte verfehlten", kommentiert die DWS.