14.11.2024, 15:34 Uhr
Sven Württemberger ist zum neuen CEO der DWS Schweiz berufen worden. Zuletzt war er als Head of Client Coverage Division Schweiz für den Vertrieb verantwortlich. Württemberger ist seit 2017 für den deutschen...
Die Europäische Zentralbank erhöht den Negativzins und kehrt zum Aufkauf von Staats- und Unternehmensanleihen zurück. Gleichzeitig hat sie durchblicken lassen, dass das aktuelle Zinsniveau noch lange andauern könnte. Je länger dies der Fall ist, desto lauter wird die Kritik an der unorthodoxen Zinspolitik werden. Die deutsche Fondsgesellschaft DWS spricht von "erheblichen Risiken" und ist mit dieser Einschätzung nicht allein.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihrem Willen zur geldpolitischen Expansion Taten folgen lassen. Der Einlagensatz für Banken steigt von minus 0,40 Prozent auf minus 0,50 Prozent. Das liegt am unteren Rand der Erwartungen. Unklar war, ob sie den Wertpapieraufkauf zur Dämpfung der Marktrenditen (auch in Deutschland notieren Staatsobligationen wie in der Schweiz negativ) wiederaufnimmt. Die Antwort ist Ja. Das Staatsanleihen-Ankaufprogramms wird in Höhe von 20 Milliarden Euro pro Monat neu lanciert.
Auf zwiespältiges Echo stösst jedoch vor allem der längerfristige geldpolitische Ausblick der EZB, die Forward Guidance, mit der sie die Markterwartungen zu lenken versucht. Die erneuten Wertpapierkäufe der EZB dürften erst kurz vor einer möglichen Zinserhöhung enden, schreibt DWS. Gleichzeitig bleiben die Zinsen auf dem jetzigen - oder einem noch stärker negativen Niveau, bis die Inflationsrate "dauerhaft" gegen die von der EZB anvisierte Inflationsrate in Höhe von zwei Prozent tendiert.
Mit anderen Worten heisst das: noch sehr lange, denn, so folgert DWS-Volkswirtin Europa, Ulrike Karsten: "Vor dem Hintergrund der schwächelnden Konjunktur dürfte die Inflation sich noch viel Zeit lassen, in Richtung des EZB-Ziels zu marschieren." Mit anderen Worten: Die Staatsanleihekäufe entwickeln sich somit zu einem dauerhaften Instrument."
Azad Zangana, Senior European Economist und Stratege von Schroders, nennt gar ein konkretes Datum. "Draghis Abschiedsgeschenk: Quantitative Easing bis 2026?", kommentiert er den Zentralbanken-Entscheid. Draghi sei zuversichtlich, dass die Inflation das EZB-Ziel von 2 Prozent erreichen werde, allerdings nicht vor 2021.
Draghi werde mit den legendären Worten "whatever it takes" zur Behebung der Finanzkrise 2008 in Erinnerung bleiben. Aber genauso werde man sich an ihn erinnern als einen Geldpolitiker, der Sparer und Investoren um den Zinseszins brachte und sie auf eine harte Probe des Renditeverzichts stellte.
Die Senkung des Einlagensatzes, die Einführung eines zweistufigen Systems beim Einlagenzins und die verbesserten Konditionen bei den Langfrist-Tendern runden das soeben beschlossene Paket der EZB ab. Letztere unterstützen vor allem die Banken in Südeuropa, stehen jedoch nicht im Zentrum der Diskussion.
Das Hauptthema bleibt das Risiko der ultraexpansiven Politik der EZB. Das Regime birgt, wie Ulrike Karsten stellvertretend für viele andere Auguren erklärt, "erhebliche Risiken." Zwar sorgt der expansive Kurs weiterhin für extrem günstige Finanzierungsbedingungen im Euroraum, jedoch zum Preis zunehmender negativer Effekte der Niedrigzinspolitik,
Ihrer Meinung nach dürften die Nebenwirkungen der ultralockeren Geldpolitik unter der neuen EZB-Präsidentin Christine Lagarde noch stärker in den Fokus geraten. Auch Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung würden zunehmen. Die mehrheitlich kritischen Medienberichte auf den Zinsentscheid belegen dies.
Und die bange Frage bleibt: Was tun, wenn es trotz all dieser geldpolitischen Massnahmen dennoch zu einer Rezession kommt? Fest steht: Die Geldpolitik hat ihre Grenzen erreicht. Nun ist die Fiskalpolitik gefordert. Doch diese folgt dem Ruf erst zögerlich. Das müsse sich im Falle einer Ausbreitung der Wachstumsverlangsamung ändern, ist die Forderung und Hoffnung von DWS in einem.
Ähnlich argumentiert Ronald Temple, Co-Head Multi Asset Investing von Lazard Asset Management. "Die EZB hat ihre Arbeit getan, jetzt sind die Regierungen an der Reihe", sagt er. Leider hätten im zurückliegenden Jahrzehnt die Regierungen der Eurozone "die Erwartungen in dieser Hinsicht nicht erfüllt – und das trotz immer niedrigerer Finanzierungskosten."
So könnte am Schluss die Erkenntnis sein, dass der Schwarze Peter trotz allem bei den Notenbanken hängen bleibt. Das betrifft auch die Schweiz. Um den Franken nicht einer unbeschränkten Höherbewertung zum Euro preiszugeben, befindet sich die Schweizerische Nationalbank im Schlepptau der EZB. Die Schweizer Währungshüter orientieren am kommenden Donnerstag über ihre weitere Zinspolitik.