EZB legt im Kampf gegen Corona nach

Die Corona-Pandemie stellt laut EZB weiterhin ein ernsthaftes Risiko für die öffentliche Gesundheit sowie für die Wirtschaft im Euroraum und weltweit dar. (Bild: Shutterstock.com/Katjen)
Die Corona-Pandemie stellt laut EZB weiterhin ein ernsthaftes Risiko für die öffentliche Gesundheit sowie für die Wirtschaft im Euroraum und weltweit dar. (Bild: Shutterstock.com/Katjen)

Die Europäische Zentralbank belässt die Leitzinsen unverändert auf dem bereits extrem niedrigen Niveau, beschloss aber ein ganzes Bündel von Massnahmen zur Stützung der Wirtschaft in der Corona-Krise. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte, dass die EZB bereit sei, in der Krise alle ihre Instrumente anzupassen, falls dies erforderlich werden sollte.

10.12.2020, 17:34 Uhr

Redaktion: rem

Die am Donnerstag von der Europäischen Zentralbank (EZB) ergriffenen geldpolitischen Massnahmen würden dazu beitragen, die günstigen Finanzierungsbedingungen während der Pandemie aufrechtzuerhalten und dadurch die Kreditvergabe an alle Wirtschaftssektoren zu fördern, die Konjunktur zu unterstützen und mittelfristig Preisstabilität zu gewährleisten. Zugleich herrsche weiterhin grosse Unsicherheit, auch im Hinblick auf die Entwicklung der Pandemie und den Zeitpunkt der Bereitstellung von Impfstoffen, so der EZB-Rat. EZB-Präsidentin Christine Lagarde sagte in Frankfurt, dass die Leitzinsen zum Instrumentenkasten der Notenbank gehörten. Sie ergänzte, dass die EZB bereit sei, in der Krise alle ihre Instrumente anzupassen, falls dies erforderlich werden sollte.

EZB senkt Wachstumsprognose für 2021 auf 3,9%

Die EZB senkt wegen der zweiten Pandemie-Welle ihre Konjunkturprognose für die Euro-Zone deutlich. Für das kommende Jahr rechnet sie nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,9% statt wie noch im September von 5,0%. "Die Pandemie stellt weiterhin ein ernsthaftes Risiko für die öffentliche Gesundheit sowie für die Wirtschaft im Euroraum und weltweit dar", sagte Lagarde. Die Massnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung schränkten die Wirtschaftstätigkeit in der Währungsunion erheblich ein.

Für das laufende Jahr erwartet die EZB nach der unerwartet starken Belebung im Sommer-Quartal einen Einbruch von nur noch 7,3%. Bislang war sie von minus 8,0% ausgegangen. Die Notenbank-Ökonomen gehen für 2022 von einem Plus von 4,2% (September-Prognose: 3,2%) und für 2023 von 2,1% aus.

Die zweite Infektionswelle und die Eindämmungsmassnahmen hinterlassen auch in der Inflationsentwicklung ihre Spuren. Die EZB erwartet dieses Jahr nun eine Teuerungsrate von 0,2% und für 2021 unverändert von 1,0%. Für 2022 werden 1,1% und für 2023 dann 1,4% vorhergesagt. Damit würde die Euro-Notenbank ihr Ziel einer Inflationsrate von knapp 2% auf Jahre hinaus klar verfehlen. Sie strebt diese Marke als Optimalwert für die Wirtschaft mittelfristig an, was sie aber bereits seit Jahren nicht erreicht.

Folgende Massnahmen hat der EZB-Rat getroffen:

  • Erstens bleiben die Leitzinsen unverändert. Der Hauptfinanzierungssatz wird bei 0,00%, der Spitzenrefinanzierungssatz bei 0,25% und der Bankeinlagensatz bei minus 0,50% belassen. Der EZB-Rat geht davon aus, dass die EZB-Leitzinsen so lange auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden, bis er feststellt, dass sich die Inflationsaussichten deutlich einem Niveau annähern, das hinreichend nahe, aber unter 2% liegt.
  • Zweitens wird der Umfang des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) um 500 Mrd Euro auf insgesamt 1'850 Mrd Euro erweitert. Ausserdem verlängerte der EZB-Rat den Zeithorizont für die Nettoankäufe im Rahmen des PEPP bis mindestens Ende März 2022. Er wird Nettoankäufe in jedem Fall durchführen, bis die Phase der Coronavirus-Krise seiner Einschätzung nach überstanden ist. Zudem wird die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere bei Fälligkeit mindestens bis Ende 2023 verlängert.
  • Drittens beschloss der EZB-Rat, die Bedingungen für die dritte Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) erneut zu rekalibrieren. Insbesondere beschloss er, den Zeitraum, in dem deutlich günstigere Bedingungen gelten, um zwölf Monate bis Juni 2022 zu verlängern. Ferner werden drei zusätzliche Geschäfte zwischen Juni und Dezember 2021 durchgeführt.
  • Viertens werden die Massnahmen zur Lockerung der Kriterien für Sicherheiten, die er am 7. und 22. April 2020 verabschiedet hatte, bis Juni 2022 verlängert. Dies soll weiterhin sicherstellen, dass Banken die liquiditätszuführenden Geschäfte des Eurosystems in vollem Umfang nutzen können, vor allem die rekalibrierten GLRGs.
  • Fünftens beschloss der EZB-Rat, 2021 vier zusätzliche längerfristige Pandemie-Notfallrefinanzierungsgeschäfte (Pandemic Emergency Longer-Term Refinancing Operations – PELTROs) anzubieten.
  • Sechstens werden die Nettoankäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme – APP) in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd Euro so lange fortgesetzt, wie dies für die Verstärkung der akkommodierenden Wirkung seiner Leitzinsen erforderlich ist, und dass sie beendet werden, kurz bevor der EZB-Rat mit der Erhöhung der EZB-Leitzinsen beginnt.
  • Siebtens werden die Eurosystem Repo Facility for Central Banks (EUREP) sowie alle befristeten Swap- und Repo-Linien mit Zentralbanken ausserhalb des Euroraums bis März 2022 verlängert.

Aufwertung des Euro drückt Inflationserwartung

"Vor allem die Aufstockung des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) um 500 Mrd. Euro und die Verlängerung bis März 2022 mutet sehr grosszügig an und muss daher als eine Art Versicherungsprämie verstanden werden", sagt die DWS-Ökonomin Ulrike Kastens und ergänzt: "Mit Spannung wurde die Einschätzung der Wechselkursentwicklung erwartet, nachdem der Euro über die Marke von 1,20 Dollar je Euro geklettert ist. Die EZB betonte, die Wechselkursentwicklung und ihren Einfluss auf die Inflationsentwicklung genau zu beobachten. Dies sollte als Signal an die Währungsmärkte genügen. Offensichtlich würde die EZB nur ungern eine Fortsetzung der Aufwertung des Euro sehen, da dies vor allem auf die Inflationsentwicklung drücken würde. Diese wird ohnehin bereits durch den neuerlichen Lockdown gedrückt, auch wenn dessen wirtschaftlichen Auswirkungen weniger gravierend als im Frühjahr ausfallen sollten."

"Wir gehen davon aus, dass der jüngste Aufwärtstrend des Euro gegenüber dem USD durch die heutigen Ankündigungen nicht beendet wird, zumal der Leitzinssatz nicht geändert wurde. Es wäre allerdings interessant zu wissen, ob die EZB zukünftig dazu Bedenken äussern wird. Schliesslich erwarten wir, dass der Spread zwischen den peripheren Anleihemärkten und den Kernmärkten weiter abnimmt, solange die lockere Politik beibehalten wird. Wir gehen davon aus, dass die Politik auf absehbare Zeit locker bleiben wird, um einer weiteren Marktvolatilität entgegenzuwirken. Trotzdem sollten sich die Anleger der Marktrisiken bewusst bleiben", kommentiert Paul Brain, Head of Fixed Income bei Newton Investment Management, eine Investmentgesellschaft von BNY Mellon Investment Management.

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