14.11.2024, 15:34 Uhr
Sven Württemberger ist zum neuen CEO der DWS Schweiz berufen worden. Zuletzt war er als Head of Client Coverage Division Schweiz für den Vertrieb verantwortlich. Württemberger ist seit 2017 für den deutschen...
Die EZB belässt den Leitzins auf dem Rekordtief von 0,0% und verabschiedet sich im Frühjahr von ihrem billionenschweren Pandemie-Krisenprogramm. Die schrittweise Abkehr vom Krisenmodus vollzieht sich auch vor dem Hintergrund rasant steigender Preise. Beendet sind die Wertpapierkäufe der Notenbank damit aber nicht.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wagt die schrittweise Abkehr vom Krisenmodus und lässt ihr billionenschweres Pandemie-Notprogramm PEPP auslaufen. Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag das Aus für die Anleihenzukäufe für Ende März 2022. Das bedeutet, dass die Zentralbank ab April keine zusätzlichen Papiere mehr hinzukaufen wird. Fällige Tilgungsbeträge sollen jedoch noch bis mindestens Ende 2024 reinvestiert werden. Im kommenden ersten Quartal werden die Zukäufe noch fortgesetzt – allerdings in niedrigerem Tempo als Ende 2021.
Der EZB-Rat ist der Auffassung, dass die Fortschritte bei der wirtschaftlichen Erholung und im Hinblick auf sein mittelfristiges Inflationsziel eine schrittweise Verringerung seiner Ankäufe von Vermögenswerten in den kommenden Quartalen zulassen. Damit sich die Inflation auf mittlere Sicht bei dem Zielwert von 2% stabilisiere, sei jedoch nach wie vor eine geldpolitische Akkommodierung erforderlich. In Anbetracht der derzeitigen Unsicherheit müsse der EZB-Rat bei der Durchführung der Geldpolitik Flexibilität und Optionalität wahren.
Kritiker werfen der EZB vor, mit dem vielen billigen Geld die Inflation anzuheizen, die sie eigentlich im Zaum halten will. Die Notenbank strebt stabile Preise bei einer Teuerungsrate von etwa zwei Prozent an. Die schrittweise Abkehr vom Krisenmodus vollzieht sich auch vor dem Hintergrund rasant steigender Preise. Die Teuerung erreichte im November in der Eurozone ein Rekordniveau von 4,9%, in Deutschland lag sie zuletzt gar bei 5,2%. Trotzdem gibt sich die EZB gelassen – und verweist beim sprunghaften Anstieg der Teuerung vor allem auf Sonderfaktoren wie die Entwicklung der Ölpreise, Lieferengpässe und die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung in Deutschland im zweiten Halbjahr 2020.
Die EZB rechnet in diesem und im kommenden Jahr mit einer teilweise deutlich höheren Inflation im Euroraum als zuletzt angenommen. Gemäss der neuesten Prognose wird die Teuerungsrate dieses Jahr bei 2,6% liegen. Im September war die Notenbank noch von 2,2% ausgegangen. Für 2022 rechnen die Währungshüter im Jahresschnitt mit einer Preissteigerung von 3,2%, was deutlich über der September-Prognose von 1,7% liegt. Für 2023 sagt die EZB eine Inflationsrate von 1,8% (September-Prognose: 1,5 Prozent) voraus. Die erstmals für 2024 vorgelegte Prognose geht von einer Rate von ebenfalls 1,8% aus.
Damit es mit dem nun angekündigten Entzug der auf 1,85 Bio. Euro angelegten Krisenhilfe im Frühjahr nicht zu Marktturbulenzen kommt, will die EZB mit dem neu justierten kleineren Ankaufprogramm namens APP einen Übergang schaffen: Die Ankäufe im Volumen von zuletzt 20 Mrd. Euro pro Monat werden im zweiten Quartal 2022 auf 40 Mrd. Euro verdoppelt, im dritten Quartal dann auf 30 Mrd. Euro zurückgefahren. Dies stehe im Einklang mit der schrittweisen Reduzierung der Ankäufe von Vermögenswerten und stelle sicher, dass der geldpolitische Kurs weiterhin mit einer mittelfristigen Stabilisierung der Inflation bei seinem Zielwert vereinbar sei. Ab Oktober 2022 werden die Nettoankäufe von Vermögenswerten im Rahmen des APP in einem monatlichen Umfang von 20 Mrd. Euro so lange fortgesetzt, wie es zur Förderung der Konjunktur notwendig ist. Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Nettoankäufe beendet werden, kurz bevor er mit der Erhöhung der EZB-Leitzinsen beginnt.
Den Leitzins von 0,0% beliess der EZB-Rat nun wie erwartet auf dem rekordniedrigen Niveau. Auch der Einlagesatz bleibt im Euroraum bei minus 0,5%. Die Banken müssen daher weiterhin Strafzinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken.
Die Wirtschaft im Euroraum wird nach der neuesten EZB-Vorhersage in diesem Jahr um 5,1% zulegen (September-Prognose: 5,0%). Für das kommende Jahr erwarten die Experten der Notenbank einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um 4,2% (September-Prognose: 4,6%). Im Jahr 2023 soll das Bruttoinlandsprodukt um 2,9% wachsen (September-Prognose: 2,1% und ein Jahr später um 1,6%.
"Im Gegensatz zu anderen Notenbanken ist die Europäische Zentralbank heute ihrer Linie treu geblieben", kommentiert Ulrike Kastens von der DWS. "Wie erwartet läuft das Notfallinstrument, das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), im März 2022 aus, während die Anleihekäufe im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) bis Herbst 2022 erhöht werden. Zwar fallen Laufzeit und Volumen mit 90 Mrd. Euro geringer aus als gedacht, doch im Bedarfsfall (etwa ein pandemiebedingter negativer Schock) kann das PEPP reaktiviert werden. Hinzu kommt einer Verlängerung der Reinvestitionen im Rahmen des PEPP bis 2024. Zinserhöhungen wurden zumindest für 2022 ausgeschlossen. Damit halten sich unserer Meinung nach die weniger expansiven und expansiven Aspekte dieser Entscheidung die Waage und dürften einer möglichen Unsicherheit am Markt entgegenwirken."
Dennoch sorge diese Entscheidung vor dem Hintergrund der Anhebung des gesamten prognostizierten Inflationspfads zumindest für hochgezogene Augenbrauen. Immerhin sei im Vergleich zu den September-Projektionen die Inflationsschätzung für die Jahre 2021 bis 2023 kumuliert um 2,2 Prozentpunkte angehoben worden. Dies gelte auch für die Prognosen der Kerninflationsrate. "Gerade im Hinblick auf andere Notenbanken hätte dies auch eine härtere geldpolitische Reaktion nach sich ziehen können. Doch angesichts der heutigen Rahmenbedingungen wollte die EZB nicht mehr machen. Insofern war dies heute zwar ein erster deutlicher Schritt in Richtung Normalisierung. Ob er ausreicht, wird jedoch entscheidend von der Inflationsentwicklung in den kommenden Monaten abhängen. Doch eins bleibt auch festzuhalten: Im Gegensatz zu anderen Notenbanken wie der US-Fed dürfte die EZB mit einer deutlich geringeren Geschwindigkeit aus der expansiven Geldpolitik aussteigen", so Kastens.