14.11.2024, 15:34 Uhr
Sven Württemberger ist zum neuen CEO der DWS Schweiz berufen worden. Zuletzt war er als Head of Client Coverage Division Schweiz für den Vertrieb verantwortlich. Württemberger ist seit 2017 für den deutschen...
Coronavirus, strebsame Studierendenflut, ausgezehrte US-Mittelschicht: Bildungsaktien profitieren von zahlreichen Entwicklungen. Paul Buchwitz von DWS erläutert, warum Bildung ein Markt ist, der bis 2030 auf 10 Bio. Dollar wachsen kann.
"Bildung kommt von Bildschirm und nicht von Buch, sonst hiesse es ja Buchung», kalauerte einst Dieter Hildebrandt. Hätte der 2013 verstorbene Kabarettist doch noch erfahren können, wie sehr ihm die Coronavirus-Pandemie Recht geben sollte. Denn viele Menschen haben den Lockdown der vergangenen Monate dazu genutzt, sich weitere Qualifikationen anzueignen; aufgrund der Social-Distancing-Massnahmen online auf dem Cyber-Campus.
"Dies hat den Kursen der Bildungsunternehmen wie schon regelmässig in der Vergangenheit abermals zu antizyklischen Höhenflügen verholfen. Daneben werden diese Firmen künftig aber auch von längerfristigen Trends profitieren. Denn die Pandemie hat gleichzeitig offenbart, wie schwachbrüstig die E-Learning-Infrastruktur vielerorts ist und welcher Investitionsbedarf dort besteht", sagt Paul Buchwitz, Fondsmanager des DWS Invest SDG Global Equities.
Einen anderen längerfristigen Trend hat er in den Schwellenländern ausgemacht. Dort sei es für die Regierungen finanziell gar nicht machbar, für die zu erwartende Studierendenflut Präsenzuniversitäten zu bauen. Daher müsse auf alternative Lösungen wie E-Learning zurückgegriffen werden, wobei auch der Privatsektor gefragt sei. "Daneben lässt sich, wer in China an einer der Top-Universitäten reüssieren will, an privaten Bildungseinrichtungen für den rigorosen Auswahlprozess fit machen», sagt der Fondsmanager.
In den USA dominieren seiner Ansicht nach ganz andere langfristige Trends. Beispielsweise könnten sich dort die Kinder einer aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre finanziell ausgezehrten Mittelschicht das Leben auf dem Campus häufig nicht mehr leisten. Um die Misere zu bekämpfen, schmiedeten Universitäten vielfach Allianzen mit Bildungsunternehmen, die mit komplementären digitalen Angeboten den Rückgang der Zahl der Immatrikulationen stoppen und so die Einnahmenseite verbessern sollen.
Die zu erwartenden Investitionen, um das Bildungssystem widerstandsfähiger gegen Schocks wie die Coronavirus-Pandemie zu machen, und andere längerfristige Trends dürften der Branche in den kommenden Jahren zu einem kräftigen Wachstum verhelfen. Mit rund sechs Billionen Dollar hatte das Geschäft mit der Bildung nach Berechnungen von HolonIQ schon 2018 den Umfang des globalen Automobilmarkts erreicht. Bis 2025 erwartet der Brancheninformationsdienst einen Anstieg auf knapp acht Billionen Dollar, weitere fünf Jahre später sollen es dann bereits zehn Billionen Dollar sein. Damit wäre der Markt für Bildung zu Beginn der kommenden Dekade bereits rund eine Billion Dollar größer als das Geschäft mit dem Automobil.
Überproportionales Wachstum prognostiziert HolonIQ dabei für die so genannten EdTechs, deren Anteil an den weltweiten Bildungsausgaben von 2,6% im Jahr 2018 auf 4,4% 2025 steigen soll. EdTechs, das englische Kürzel für Unternehmen aus der Bildungstechnologie, verpacken auf digitalen Plattformen Inhalte und Didaktik in Software, die sie Lernenden online zugänglich machen. "Der Grossteil der Technologie der EdTechs ist zwar schon seit Jahren ausgereift, kam aus Unwissen und Trägheit vieler Entscheider sowie aufgrund allgegenwärtiger Budgetrestriktionen bislang aber nur in Nischen zum Einsatz. Durch den Katalysator der Coronavirus-Pandemie hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert", sagt Buchwitz.
Dies gilt vor allem für die USA, wo im weltweiten Vergleich am meisten Geld pro Kopf für Bildung ausgegeben wird. Dort zeichnet sich in wichtigen Bundesstaaten wie Kalifornien bereits ab, dass auch zu Beginn des Herbstsemesters noch viele Schulen und Universitäten geschlossen sein werden, weshalb der Unterricht auch weiterhin online stattfinden muss. "Und vor allem an den zahlreichen privaten Einrichtungen wird es dann nicht mehr reichen, weiter auf Behelfslösungen wie beispielsweise Zoom zu setzen", sagt der Fondsmanager.
Vielmehr würden die mit ordentlichen Gebühren zur Kasse gebetenen Eltern nahtlos in das gesamte pädagogische Setup integrierte Lösungen für das E-Learning fordern, mit denen sich dieselben Ergebnisse wie bei einer Anwesenheit vor Ort erzielen lassen. "Und das mit Recht", sagt Buchwitz. Denn der kritische Punkt für den Erfolg sei das Engagement, also die Motivation der Lernenden, beim Unterricht mitzumachen. In einer Klasse mit einem anwesenden Lehrenden hält er das für vergleichsweise einfach. "Doch welche Eltern haben Zeit und Musse, sich acht Stunden am Tag neben das Kind vor den Computer zu setzen und es anzuspornen? Hier sind kreativere Lösungen wie beispielsweise Gamification gefragt, wobei Lerninhalte spielerisch verpackt werden», so der Fondsmanager. Und es gebe einen guten Grund anzunehmen, dass Schulen und Universitäten danach strebten, diese Fähigkeiten auch nach der Coronavirus-Pandemie zu behalten und auszubauen: "Viele Einrichtungen sehen nämlich ihre Widerstandsfähigkeit gegen solche Krisen als Vorteil im Wettbewerb um die Studiengebühren der künftigen Lernenden."