09.02.2022, 11:16 Uhr
Der Multithemen-Aktienfonds Decalia Sustainable Society investiert in Unternehmen, welche die Gesellschaft von morgen gestalten werden.
Metaverse lautet das neueste Trendwort. Aber ist das Metaverse wirklich so neu und können Anleger von diesem Megatrend profitieren? Quirien Lemey von Decalia erklärt, wo die Entwicklungen des Metaversums stehen und welche Unternehmen in Zukunft davon profitieren dürften.
Metaversum oder englisch "Metaverse" ist das neueste Schlagwort unter Anlegern. Seit Facebook, eines der grössten Unternehmen der Welt, beschlossen hat, seinen Namen in Meta zu ändern und in den nächsten zehn Jahren jährlich zehn Milliarden US-Dollar in das Metaversum zu investieren, sind die Aktienkurse von Unternehmen explodiert, die auch nur entfernt etwas mit dem Metaversum zu tun haben. "Im Zuge des Ausverkaufs bei Technologieaktien zu Beginn des neuen Jahres sind sie dann massiv eingebrochen. Die Big-Tech-Branche feiert das Metaversum als nächste Stufe des Internets. Bei diesem Phänomen stellt sich die Frage, ob es wirklich etwas Neues ist und wie Anleger von diesem Megatrend profitieren können", sagt Quirien Lemey, Senior Fund Manager bei Decalia.
Das Metaversum ist laut Lemey nichts Neues. Er erläutert: Bereits vor 30 Jahren erwähnte Neal Stephenson diesen Begriff in seinem Science-Fiction-Roman Snow Crash: Darin beschreibt der Autor das Metaverse als eine Kombination aus virtueller und erweiterter Realität (Virtual und Augmented Reality, kurz VR und AR) sowie dem Internet. Menschen können dort in einer immersiven Umgebung arbeiten, studieren, einkaufen gehen, Konzerte besuchen und miteinander interagieren. Wenn das nicht visionär ist. Daneben existiert noch seit rund 20 Jahren die virtuelle Onlinewelt Second Life. "Das Metaversum kann somit sicherlich nicht als neues Phänomen bezeichnet werden. Aber wie lässt sich dann die plötzliche Begeisterung für das Metaversum erklären", fragt der Fondsmanager.
Facebook sei daran nicht unbeteiligt: Die Firma aus Menlo Park sei nicht nur ein digitaler Gigant, der bereit ist, Milliarden für sein Metaversum auszugeben. Das Unternehmen neige auch dazu, sich auf die Themen zu konzentrieren, die Aufmerksamkeit erregen und fesseln. So wurden WhatsApp und Instagram gekauft, weil man gesehen habe, dass die Jugend ihre Zeit auf anderen Plattformen als Facebook verbringe. Für die Jugend von heute sei Facebook etwas, was Mama und Papa nutzen. Aus dieser Sicht sei Instagram im Nachhinein eine sehr gute Akquisition gewesen, auch wenn der Markt damals weniger begeistert von dem ausgehandelten Preis gewesen sei.
"Daher ist man zu Recht wachsam, wenn Facebook sich positioniert", betont Lemey. Mark Zuckerberg und seine Mitarbeiter hätten wahrscheinlich festgestellt, dass Fortnite und Roblox weltweit eine beachtliche Nutzerbasis aufgebaut haben. Diese sehr junge Nutzerbasis spielt jedoch nicht nur Spiele auf diesen Plattformen. Sie nutzen sie auch als Treffpunkt, besuchen Konzerte wie Ariana Grande kürzlich in Fortnite oder besuchen virtuelle Geschäfte wie das von Vans world. Angesichts dieser Fortschritte sehe Facebook das Konzept des Metaversums zwangsläufig als eine enorme Chance für Werbeeinnahmen. Wenn man dann noch NFTs (non-fungible token) und Kryptowährungen hinzufüge, die in einer virtuellen Welt gedeihen können, habe man einen Karneval der Trendwörter, der die Fantasie des Marktes beflügele.
"Die Frage ist, ob unsere Fantasie zu weit geht oder ob wir tatsächlich auf dem Weg in eine Welt sind, wie sie in Stephen Spielbergs Ready Player One zu sehen ist", gibt Lemey zu bedenken. Zunächst einmal sei festzuhalten, dass es nicht das "eine" Metaversum gebe. Vielmehr seien aktuell viele verschiedene Versionen und Formen davon anzutreffen. Zumindest in absehbarer Zukunft werde es daher unterschiedliche Erfahrungen geben. "Zweitens: Versuchen Sie einmal, ein paar Stunden lang ein Virtual-Reality-Headset zu tragen. Sie wären nicht die erste Person, die anschliessend mit Übelkeit zu kämpfen hätte. Allerdings glauben wir auch nicht, dass der Zugang zu einem Metaversum unbedingt über ein VR-Headset erfolgen muss. Wahlweise stehen auch Endgeräte wie Smartphone, Tablet, PC oder Konsole zur Verfügung, obwohl in diesen Fällen das Erlebnis weniger immersiv sein dürfte", sagt der Experte. Man dürfe daher gespannt sein auf die potenziellen Einsatzmöglichkeiten von Augmented Reality, mit deren Hilfe digitale Elemente auf die reale Welt projiziert werden können. Ein Headset werde (vorläufig) immer noch gebraucht, aber das könne auch nur eine einfache Brille sein. "Es wäre doch schön, endlich wie in Star Wars zu telefonieren", meint Lemey.
Jüngsten Gerüchten zufolge soll Apple unter der Bezeichnung "Mixed Reality" an einem Headset arbeiten, das Virtual Reality und Augmented Reality miteinander verbindet... Drittens mache es ein bisschen skeptisch, dass die Älteren oder die nächsten Generationen dazu gebracht werden könnten, alles in einer virtuellen Welt zu tun. Man kann sich vorstellen, virtuelle Meetings abzuhalten und hin und wieder auch ein Onlinekonzert zu besuchen. Wenn es aber um Filme oder Netflix schauen geht – womit die meisten immer noch einen Grossteil der Freizeit verbringen –, wäre es nach Meinung Lemeys überraschend, wenn viele in eine virtuelle Welt abtauchen wollten, um Netflix mit Freunden auf einem Bildschirm innerhalb eines Bildschirms anzuschauen: "Netflix and Chill, also das entspannte Geniessen der Video-on-Demand-Angebote, so weit man es sich noch vorstellen kann."
Andrerseits könnten viele auch zu alt sein, um richtig zu verstehen, was einen Teenager heutzutage antreibt. Hinzu kommt, so der Experte, dass man sich zwar gelegentliche virtuelle Meetings vorstellen kann. Die echten Live-Gespräche und -Interaktionen seien jedoch zu wichtig, um sie vollständig in den digitalen Raum zu verlagern. Abschliessend sei an dieser Stelle gesagt, dass es immer mehr erfolgreiche Anwendungen im Metaversum geben wird – zumindest genug, um nach Investitionsmöglichkeiten in diesem Bereich zu suchen. Aber der Übergang werde allmählich erfolgen und es werde hoffentlich Grenzen geben, die die Gesellschaft akzeptieren.
Obwohl diese Frage laut Lemey keinesfalls erschöpfend zu beantworten ist, gebe es doch einige Bereiche, die für Anleger interessant sein könnten: Dabei stehen angesichts möglicher "First Mover"-Vorteile zunächst die bestehenden Metaverse-Plattformen im Vordergrund: Der einzige echte, börsenkotierte "Pure Player" ist hier Roblox, wie der Fondsmanager weiter sagt: "Es gibt durchschnittlich rund 50 Millionen täglichen Nutzern, die Milliarden von Stunden auf der Plattform verbringen. Nike, Disney, Gucci und viele andere sind bereits an Sponsoringprogrammen auf der Plattform beteiligt, und der CEO ist dafür bekannt, dass er erklärt hat, dass in drei bis fünf Jahren alle Marken ihre Roblox-Strategie haben werden."
Facebook scheint unlängst mit Horizon Worlds eine ähnliche Welt lanciert zu haben, in der man jetzt seinen eigenen schwebenden Avatar erstellen kann. Lemey fragt: "Der Beginn von Facebooks Metaversum?" Dann sei da noch Fortnite, entwickelt von dem Privatunternehmen Epic Games, an dem wiederum Tencent einen grossen Anteil hält. In Asien gibt es das südkoreanische Unternehmen Naver, das mit Zepeto eine bestehende Metaverse-Plattform hat, die nur virtuelle Erlebnisse bietet. Gerade wird jedoch laut dem Experten auch ein neuer Hybrid namens Arcverse entwickelt, der digitale und reale Welten vereinen soll. Ebenfalls in Asien könne NetEase als einer der grössten Gaming-Anbieter weltweit hier natürlich nicht nachstehen und werde sein eigenes nutzergeneriertes Spielerstellungssystem herausgeben. Dieses funktioniere wie Roblox, sei aber auf Erwachsene fokussiert. Die Herausforderung bei Roblox sei, dass dort ein Grossteil der Nutzerbasis aus unter 13-Jährigen bestehe.
"Anstatt herauszufinden, welche Metaverse-Plattform vielleicht das Rennen machen wird, könnte man auch überlegen, in die 'Waffenbeschaffer' für die Metakriege zu investieren. Diese Plattformen benötigen Inhalte. Denn ohne Inhalte wird es den Nutzern schnell langweilig", so Lemey. Vor diesem Hintergrund könnte man die grösste Übernahme in der Geschichte von Microsoft sehen: den Spieleentwickler Activision für 68,7 Milliarden US-Dollar. Der Gaming-Bereich zähle weiterhin zu den offensichtlichsten Nutzniessern dieser virtuellen Welten und sei auch für die Nutzer mit am attraktivsten. Aus der Perspektive von Microsoft betrachtet sei Activision eine hervorragende Akquisition, die das Portfolio um die erfolgreichsten Videospielmarken der Welt (Warcraft, Starcraft, Call of Duty usw.) erweitert.
Ob allerdings die Übernahme ohne Weiteres durchgewunken werde, sei eine andere Frage. Da in diesem Fall ein Grossdistributor (Xbox) einen führenden Content-Entwickler übernimmt und Microsoft als Technologieschwergewicht eine Grossakquisition tätigt (obwohl die Transaktion gemessen an der Grösse von Microsoft gar nicht so gross ist), bleibe abzuwarten, ob die US-Regulierer nur bellen oder auch beissen werden. Sicherlich rückten durch diese Transaktion auch andere Spieleentwickler wie EA, Take Two und Ubisoft ins Rampenlicht. Und natürlich müsse man die Gaming-Erlebnisse auch erzeugen – vielleicht unter Verwendung der Engine von Unity Software? Ein weiterer potenziell interessanter Bereich sei Musik, der dank Streaming-Anbietern wie Spotify neues Leben eingehaucht wurde. Dieser Bereich dürfte in Zukunft seine Umsätze zunehmend aus Spielen und dem Metaversum generieren, meint Lemey.
Wie er weiter ausführt, könnte jenseits von Software und IPs schliesslich auch noch der Hardwaresektor interessant sein", meint Lemey und fährt fort: "Da sei beispielsweise an Unternehmen zu denken, die Komponenten für VR-Headsets produzieren – von Displays bis zu Linsen und Sensoren. Viele der Hardwarekomponenten-Hersteller seien aber eher zu meiden – unter anderem wegen des Risikos der Kommodifizierung. Eine Ausnahme stelle vielleicht Nvidia angesichts des massiven technologischen Vorsprungs des Unternehmens und der Möglichkeiten mit Spitzensilicon dar. Interessant ist auch Nvidias Omniverse, eine leistungsstarke virtuelle 3D-Plattform, die es Nutzern ermöglichen soll, 'Digital Twins' – also digitale Zwillinge – von realen Objekten/Strukturen zu simulieren.
In diesem Zusammenhang muss man sich laut dem Experten zunehmend der unvermeidlichen Frage nach der Einbeziehung von ESG-Überlegungen (also Umwelt, Soziales und Governance) stellen: Facebook/Meta zähle, milde ausgedrückt, nicht zu den ESG-Lieblingen der Anleger. Von der Produktausrichtung auf Minderjährige – Nachforschungen zeigen, dass dies bei einigen jugendlichen Mädchen zum Suizid geführt hat – bis zur Verbreitung von Falschinformationen und der Beeinflussung von Wahlergebnissen: Die Anschuldigungen gegen das Unternehmen sind zu zahlreich, um sie alle zu nennen. Hinzu komme das Metaversum und ein kürzlich erschienener Artikel der Financial Times, die Hunderte von Anträgen beim US-Patent- und Markenamt (USPTO) untersucht hatte, um herauszufinden, wie genau Facebook vom Metaversum profitieren könnte. Angesichts der Rechercheergebnisse sollte es nicht überraschen, wenn das Unternehmen hypergezielte Werbung und gesponserte Inhalte nutzt. Aber die Verwendung von biometrischen Nutzerdaten wie Augenbewegungen, um dieser Art von Werbung und Inhalten mehr Schlagkraft zu geben, könnte sich als ein bisschen kontroverser erweisen, sagt Lemey.
Meta habe zudem die Möglichkeit von Sicherheitszonen integriert, da es schon Fälle gab, in denen Nutzer in virtuellen Welten sexuell belästigt wurden. Letzteres ist natürlich nicht nur ein Meta-spezifisches Problem, aber es zeige, dass selbst in einer virtuellen Welt die Sicherheit der Nutzer ein Thema ist. Der Impact dieser Branche ist insgesamt neutral, wobei einzelne Unternehmen durchaus das Potenzial für eine positive Wirkung haben, sofern sie geeignete Vorschriften aufstellen und wirksame Massnahmen umsetzen – etwa rund um den Themenbereich Minderjährigenschutz. Ein Unternehmen könnte auch zusätzlich Lernspiele produzieren, um positiv zu punkten. "Ähnlich positive wie negative Effekte sehen wir auch durch das Metaversum und könnten es somit ebenfalls als neutral einstufen, ergänzt durch eine eingehende ESG-Analyse auf Einzelunternehmensebene", so der Fondsmanager von Decalia.
"Es gibt viele Unternehmen, die von all diesen Investitionen in das Metaversum profitieren können. Da aber keine Entwicklung in Richtung eines einzig wahren Metaversums erkennbar ist, kann davon ausgegangen werden, dass viele verschiedene Metaversen miteinander konkurrieren werden und deshalb das wahre Potenzial dieses Phänomens begrenzt sein könnte. Ferner gibt es Grenzen dafür, was Menschen in dieser alternativen Realität tun werden. Wer ist schon bereit, auf ein reales Feierabendbier mit Kollegen zu verzichten? Aus Anlagesicht gibt es zwar viele Gelegenheiten, von Werbung über Shopping bis hin zu Musikkonsum und Gaming. Doch ist nicht zu erwarten, dass sich durch das allumfassende Metaversum die Spielregeln aller Branchen verändern werden. Eine genaue Beobachtung, sorgfältiges Stock-Picking, eine Prüfung der Fundamentaldaten und die Einbeziehung von ESG-Überlegungen sind hier daher gerechtfertigt", zieht Lemey ein Fazit.