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Keine Seite will ihr Gesicht verlieren

Bild: Unsplash
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Die Kluft zwischen der EU und Italien zu den vorgeschlagenen Haushaltsplänen sei gross, sagt Paul Markham von Newton IM. Wegen der Angst der EU vor erneuten "Italexit"-Drohungen könne die italienische Regierung ihre bisherige Linie weiterverfolgen.

30.11.2018, 14:15 Uhr

Redaktion: ase

"Trotz der anhaltenden Missbilligung der EU drängt die italienische Koalitionsregierung auf ein noch grosszügigeres Rentenpaket für ihre Bürger", erklärt Paul Markham, Portfolio Manager bei Newton IM (eine Boutique von BNY Mellon): "Ungeachtet der bereits erheblichen Last auf ihre öffentlichen Finanzen schlägt sie gleichzeitig eine deutliche Erhöhung ihrer Sozialausgaben vor." Angesichts der ohnehin schon niedrigen Steuersätze zwischen 10% und 15% sei es schwer vorstellbar, dass ein solcher Schritt nachhaltig sein würde.

Italienische Regierung nicht zu erweichen
Die Investoren hätten gehofft, dass sich die prekäre Haushaltslage der italienischen Regierung etwas abschwächen würde und die Haltung der Regierung lediglich eine "Trump'sche"-Übung sei, wo mehr angestrebt als tatsächlich erwartet wird, erläutert Markham. Bislang habe sich die Regierung jedoch keinen Zentimeter bewegt. "Angesichts der Unsicherheit, die zu einer Volatilität an den italienischen Anleihemärkten führt, dürfte es bei einem Renditeanstieg von über 4% zu einem extremen Druck auf italienische Staatsanleihen kommen", erklärt er. Dies bedeute aller Wahrscheinlichkeit nach, dass der Europäischen Zentralbank die Hände gebunden seien. Dadurch würden sie nicht in der Lage sein, den Ankauf von Staatsanleihen, die sie im Rahmen ihres quantitative-easing Programms durchgeführt hat, im geplanten Umfang zu verringern.

"All diese Unsicherheiten wirken sich negativ auf die Stimmung der italienischen Unternehmen aus und machen Italien aus unserer Sicht derzeit eher zu einem Problemfall als zu einer Investmentmöglichkeit", so Markham. Aus diesem Grund sei er momentan sehr vorsichtig bei italienischen Vermögenswerten und bei direkten Engagements. Er beobachte zwar einen potenziell attraktiven Bewertungseinstiegspunkt. Da Italien jedoch keine Kontrolle über die eigene Währung hätte, glaube Markham nicht, dass es eine grosse Anzahl von Vermögenswerten gebe, die bei einer Implosion der italienischen Wirtschaft auf risikoangepasster Basis überzeugen würde.

Alle Augen auf Brexit gerichtet
"Die Italiener werden das Endergebnis der Brexit-Verhandlungen zwischen Grossbritannien und der EU sehr genau verfolgen", erwartet Markham. Letztere würden gewillt sein, den kürzlich vorgelegten Abkommensentwurf zwischen der Regierung von Theresa May und der EU aufzugreifen. Andernfalls könnten alle erfolgreichen Änderungen zugunsten des Vereinigten Königreichs die Italiener in ihren eigenen intensiven Verhandlungen mit Brüssel ermutigen. "Im Moment hält die italienische Regierung jedoch an ihren Waffen fest, obwohl einige davon wie eine politische Pose aussehen und sie irgendwann womöglich ihre Haltung ändern muss", urteilt Markham.

Allerdings würde die EU voraussichtlich gezwungen sein, Italien in irgendeiner Weise zu unterstützen. Ein "Italexit" von der EU oder allein vom Euro würde den drittgrössten Staatsschuldverschreibungsmarkt der Welt in grosse Gefahr eines Zahlungsausfalls bringen, prognostiziert er. Des Weiteren wäre die Idee, eines der Gründungsmitglieder der EU zu verlieren, aus symbolischer Sicht für die EU undenkbar. "Jede Lösung, die die EU und Italien vorschlagen, muss so strukturiert sein, dass keine Seite ihr Gesicht verliert", zieht Markham als Fazit. Vorerst dauere die Pattsituation jedoch an.

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