EZB-QE: Für jeden ist etwas dabei

Holger Fahrinkrug, Chefvolkswirt bei Meriten Investment Management (Teil von BNY Mellon).
Holger Fahrinkrug, Chefvolkswirt bei Meriten Investment Management (Teil von BNY Mellon).

Mario Draghi hat sich durchgesetzt: Die europäische Zentralbank kauft Staatsanleihen für Hunderte Milliarden Euro. Lesen Sie anbei einen aktuellen Kommentar von Holger Fahrinkrug, Chefvolkswirt bei Meriten Investment Management (Teil von BNY Mellon).

23.01.2015, 10:11 Uhr

Redaktion: jod

Nach langem Zögern und viel diplomatischem Gezerre hat Mario Draghi sich durchgesetzt und ein neues Kapitel europäischer Zentralbankgeschichte geschrieben: Ab März 2015 wird die EZB auch Staatsanleihen der EWU-Mitgliedsländer und solche von EU-Institutionen (agencies) kaufen, um ihr Ziel einer Bilanzausweitung auf circa 3 Billionen Euro zu erreichen.

Dabei absolvierte er einen schwierigen Balanceakt, einerseits den Sorgen insbesondere der deutschen Öffentlichkeit vor Verlustrisiken Rechnung tragen zu müssen, und andererseits nicht die bereits weit vorausgelaufenen Markterwartungen an Volumen und Struktur der Anleihekäufe (QE) zu enttäuschen. Auf den ersten Blick scheint ihm dies gelungen zu sein.

Bewertung:

  1. Volumen, Struktur und Risikoverteilung des QE-Programms tragen einerseits den vor allem deutschen Sorgen vor Verlusten im Falle einer Staatsinsolvenz Rechnung. Andererseits war die Mischung den bereits weit vorausgeeilten Markterwartungen angemessen. Mario Draghi ist damit ein „geldpolitischer Drahtseilakt“ gelungen.
  2. Wir gehen davon aus, dass die Konjunktur der Eurozone durch das Programm unterstützt wird, vor allem, weil auch andere Stimuli bereits vorhanden sind. Dauerhaft niedrige Zinsen und Liquidität im Überfluss werden zusammen mit einem schwächeren Euro, einem erholten Bankensystem und der Entlastung durch den niedrigen Ölpreis 2015 für eine Beschleunigung des Wachstums sorgen.
  3. Dank dieser Konjunkturbelebung gehen wir ebenfalls davon aus, dass sich die Inflation im Laufe des Jahres nach noch einigen negativen Monaten wieder stabilisiert und auf einen leicht ansteigenden Trend einschwingt. Zum heutigen Zeitpunkt gehen wir also nicht davon aus, dass das QE-Programm im September 2016 verlängert werden muss, auch wenn dies nicht ausgeschlossen werden kann.
  4. Es obliegt den nationalen Regierungen und der EU-Kommission, dafür zu sorgen, dass die Entlastung durch die EZB nicht zu einem Erlahmen der Reform- und Konsolidierungsbemühungen hoch verschuldeter und langsam wachsender EWU-Länder führt. Dies ist nicht Aufgabe der EZB.
  5. Da die Erwartungen der heutigen EZB-Entscheidung bereits weit vorausgeeilt waren, rechnen wir nicht mit dramatischen Auswirkungen an den Finanzmärkten. Während der Laufzeit des EZB-QE-Programms, und solange im gleichen Zeitraum mit Zinserhöhungen der Fed zu rechnen ist, dürfte sich der Euro weiter moderat abschwächen. Prognosen einiger Marktteilnehmer von Parität zum US-Dollar binnen 18 Monaten halten wir für gewagt, aber nicht realitätsfern. Bei Renditen von Bundesanleihen sehen wir kaum Spielraum nach unten, allerdings dürften die Spreads von Anleihen anderer Euro-Staaten sich weiter einengen, da die EZB-Käufe hier mehr Bedeutung erlangen könnten. Und schliesslich dürften Risikoaktiva wie Aktien tendenziell davon profitieren, dass die EZB ihr Engagement für eine Konjunktur- und Inflationsnormalisierung bewiesen hat.

Hintergrund:

Ab März wird die EZB private und öffentliche Aktiva im Volumen von bis zu 60 Mrd. Euro pro Monat ankaufen. Dies schliesst die bisherigen Programme für ABS und Covered Bonds ein. Das Programm soll so lange weitergeführt werden, bis die EZB eine nachhaltige Verbesserung des Inflationspfades wahrnimmt. Zunächst beläuft sich das Gesamtvolumen also auf 1,14 Billionen Euro. Unter Einrechnung bilanzverkürzender Faktoren wie den Anleihefälligkeiten innerhalb des SMP-Programms und wahrscheinlicher Rückführungen von Refinanzierungsgeschäften mit Geschäftsbanken, wenn die EZB Offenmarktkäufe durchführt, dürfte dies eine Grössenordnung sein, die ausreicht, um die EZB-Bilanz um circa 800 Mrd. Euro zu verlängern und so auf eine Gesamtlänge von 3 Billionen Euro zu kommen.

Die Käufe werden nach Kapitalschlüssel der EZB allokiert, von der EZB initiiert und koordiniert, aber dezentral von den nationalen Zentralbanken durchgeführt. Verlustrisiken aus Anleihen staatsnaher Unternehmen werden innerhalb des Eurosystems geteilt, Risiken aus anderen Käufen nicht. Das heisst, dass lediglich 20 Prozent der zusätzlichen Käufe einer Risikoteilung unterliegen. Dies ist die Konzession, die vor allem gegenüber den deutschen QE-Skeptikern gemacht wurde. Draghi verwandte viel Zeit und Geduld darauf, um zu erklären, dass dies die Effektivität von QE nicht beschränkt. Wir stimmen dem zu; dieses Feature schliesst lediglich eine (fiskalische) Umverteilung von Risiken aus.

Zusätzlich zur Ausweitung der Offenmarktkäufe beschloss der EZB-Rat, die Prämie von 10 Basispunkten für zukünftige TLTROs auszusetzen, um die Geschäfte für Banken attraktiver zu machen. Der Zinssatz wird also für die kommenden Allokationen dem Hauptrefinanzierungssatz entsprechen.

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