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Investoren nicht für "Schwarze Schwäne" gewappnet

Die jüngste Global RiskMonitor Umfrage von Allianz Global Investors zeigt, dass unter Anlegern die Sorge in Bezug auf „Tail Risks“ wächst, sich aber viele nur bedingt abwehrbereit fühlen. Ein Gespräch mit Reinhold Hafner, CIO von AllianzGI Global Solutions und Chef von risklab.

15.06.2015, 10:53 Uhr

Redaktion: jod

Herr Hafner, seit einigen Jahren ist verstärkt die Rede von „schwarzen Schwänen“ und „Tail Risks“. Was verbirgt sich dahinter genau?
Reinhold Hafner: In der Finanzbranche versteht man unter einem „schwarzen Schwan“ gemeinhin ein unerwartetes und schwerwiegendes Ereignis, das starke Auswirkungen auf die Finanzmärkte insgesamt oder einzelne Anlageklassen hat. Ihrer Natur gemäss ist ein derartiges Ereignis quasi unmöglich vorherzusehen. Ein Beispiel ist die Pleite von Lehman Brothers im September 2008, die innerhalb von sechs Wochen zu einem etwa 30-prozentigen Kursrutsch beim DAX geführt hat. Bei dieser Verlustgrössenordnung befinden wir uns sehr weit links im negativen Bereich der Normalverteilungskurve, also an deren linken Schwanz, daher auch „Tail Risks“.

Wie kann man die Auswirkungen derartiger Ereignisse auf Portfolien ermitteln?
In welcher Form sich ein schwarzer Schwan zeigen wird, kann man definitionsgemäss nicht vorhersehen. Es gibt zwar Methoden, düstere Szenarien durchzuspielen, aber letztlich müssen Sie am Ende immer selbst Annahmen über die Wahrscheinlichkeiten treffen. Die Definition von „Tail Risks“ ist daher nicht unbedingt an das unbekannte oder unerwartete Ereignis an sich gebunden, sondern an den damit verbundenen aussergewöhnlichen Verlust.

Wie können sich Anleger davor schützen?
Extremrisiken können sich individuell ganz unterschiedlich auswirken: Wer 2008 überwiegend in Aktien investiert war, wird dieses Jahr extrem negativ in Erinnerung behalten. Für diese Anleger war der Kollaps von Lehman Brothers ein schwarzer Schwan im ursprünglichen Sinne, also ein Unglücksbote. Wer aber überwiegend in Bundesanleihen investiert war, hat aus Portfoliosicht eines der besten Anlagejahre überhaupt erlebt. Also muss man „Tail Risks“ individuell auf Basis des jeweiligen Portfolios betrachten und analysieren. Dies heisst im Umkehrschluss, dass es beim sogenannte „Tail Risk Hedging“, also bei der Absicherungsstrategie, keine Standardantwort geben kann.

Welche Handlungsalternativen haben Anleger?
Es gibt zwei grundsätzliche Alternativen: Erstens Aussitzen. In den meisten Fällen wurden die Kursverluste nach Extremereignissen in einigen Jahren wieder aufgeholt. Wer einen langen Atem hat und nicht durch Bilanzierungsvorschriften eingeschränkt ist, könnte diese Option also grundsätzlich wählen. Aber: Viele Anleger können dies nicht. Und hierbei rede ich nicht nur von institutionellen Investoren. Schauen Sie beispielsweise nach Japan: Selbst 25 Jahre nach dem Platzen der Blase hat der Aktienindex Nikkei seine Verluste bei weitem nicht wieder wettgemacht. Für die meisten Anleger ist daher das Aussitzen keine echte Alternative. Verstehen. Handeln.

Bleibt also die Portfolio-Absicherung…
Ja, über alle Anlegergruppen hinweg ist dies wohl die zu präferierende Variante. Letztlich wollen unsere Kunden beides: attraktive Renditen bei hohem Schutz vor „Tail Risks“. Für die Absicherung eines Portfolios gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Die eine ist eine optionsbasierte Strategie: Man erwirbt sogenannte Verkaufsoptionen – Puts –, durch die Kursverluste in einzelnen Anlageklassen effektiv nach unten begrenzt werden können. Die zweite, von unseren Kunden sehr viel häufiger nachgefragte Alternative ist ein Risikomanagement im Sinne einer dynamischen Asset Allocation. Hierbei schichten wir mithilfe von Futures dynamisch zwischen den Anlageklassen um und erzeugen damit ebenfalls ein asymmetrisches Risikoprofil – Partizipation bei Kursgewinnen und Schutz gegen übermässige Kursverluste – wie bei der optionsbasierten Variante. Der Charme des dynamischen Risikomanagements liegt allerdings darin, dass es langfristig deutlich kostengünstiger und flexibler ist als der Optionseinsatz. Optionen haben dagegen den Vorteil, dass sie auch bei Adhoc-Ereignissen wie 9/11 eine unmittelbare Absicherung bieten.

Wie wirkt sich das aktuelle Niedrigzinsumfeld und die in einzelnen Anlageklassen austrocknende Marktliquidität auf das dynamische Risikomanagement aus?
Liquiditätsrisiko ist ein grosses Thema. Wir haben bei der Portfolioabsicherung die Liquidität der Instrumente immer schon im Auge gehabt, dies ist jedoch noch wichtiger geworden. Dadurch dass Banken weniger Risiken aufs eigene Buch nehmen und ihre Rolle als Market Maker – also quasi als Käufer der letzten Instanz – weniger als zuvor wahrnehmen, ist nun auch schon in tiefen Märkten wie bei Staatsanleihen phasenweise ein Mangel an Liquidität zu spüren. Damit sind „Tail Risks“ letztlich wahrscheinlicher geworden. Man könnte also argumentieren, dass der Regulator in dem nachvollziehbaren Wunsch, durch ein Mehr an Regulierung künftige „Tail Risks“ zu verhindern, gerade das Gegenteil bewirkt. Und das Niedrigzinsumfeld hat zur Folge, dass die Renditepuffer weg sind. Bei fünf Prozent Rendite oder einem Kupon in dieser Grössenordnung hatten Staatsanleihen früher einen gewissen Puffer: Die Auswirkungen von Kursrückgängen wurden hierdurch zunächst aufgefangen. Heute, wo 10-jährige Bundesanleihen bei einem Prozent rentieren, schlagen Kursverluste praktisch sofort durch.

Was bedeutet dies für die Anlagestrategie, gerade auch von Privatanlegern?
Die Anleger müssen stärker ins Risiko gehen, um eine positive Rendite zu erzielen. Das heisst, sie müssen den Portfolioanteil risikobehafteter Assets wie Aktien, Wertpapiere aus Schwellenländern sowie alternative Investments ausbauen. Wie wir bereits seit längerem sagen: Das grösste Risiko bei der Kapitalanlage ist heutzutage, kein Risiko einzugehen. Diversifikation allein reicht aber leider nicht, um die Auswirkungen eines „Tail Risks“ zu begrenzen. Der Diversifikationseffekt greift leider dann am wenigsten, wenn man ihn am stärksten benötigt – wie auch das Bonmot „In der Krise fällt alles ausser der Korrelation“ formuliert. Daher ist eine zusätzliche Absicherung über dynamisches Risikomanagement unbedingt anzuraten. Allein werden das die meisten Privatanleger nicht aufsetzen können. Multi Asset Fonds mit integriertem dynamischen Risikomanagement sind daher eine sehr gute Alternative.

Herr Hafner, wir danken für das Gespräch.

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