EU-Hilfspaket als Katalysator für erstarkenden Euro
Der Euro dürfte gegenüber dem US-Dollar weiter erstarken. (Bild: Shutterstock.com/Jay Yuan)
Das EU-Hilfspaket zur Bewältigung der Corona-Krise könnte zu einer erneuten Aufwertung des Euro führen. Die USA hingegen stehen bei der Überwindung der Pandemie vor grösseren Herausforderungen. Das könnte den Dollar schwächen, meinen die Multi-Asset-Spezialisten von Robeco.
08.07.2020, 10:32 Uhr
Redaktion: alm
Das durch Anleihen der Europäischen Kommission unterlegte 750 Mrd. Euro schwere "Next Generation EU"-Hilfspaket soll diejenigen Volkswirtschaften unterstützen, die durch Lockdown-Massnahmen schwer getroffen wurden. Geeint durch einen gemeinsamen "Feind" – das Coronavirus – bündelt Europa all seine Kräfte, um sich so schnell als möglich wieder zu erholen. "Damit hat Europa vermutlich einen Katalysator aktiviert, der in der gemeinsamen Währung enthaltenes Wertpotenzial freisetzen könnte: die Aussicht auf fiskalische Integration", meint Peter van der Welle, Stratege bei Robeco.
Schritt in Richtung fiskalischer Integration
Ein wesentliches Element des Hilfspakets ist, dass die Europäische Kommission im Namen der EU Anleihen zur Finanzierung der Konjunkturpakete ausgeben wird. EU-Ländern, die ansonsten für ihre niedriger bewerteten Staatsanleihen höhere Renditen als für EU-Anleihen mit AAA-Rating bieten müssten, dürfte dies nicht unerhebliche Ersparnisse bringen. "Auch wenn es keine echte Vergemeinschaftung von Schulden geben wird, ist dies dennoch ein vielversprechender Schritt in Richtung fiskalischer Integration in der EU, der rückblickend vielleicht als historisch angesehen werden wird", so die Spezialisten.
Die Ankündigung des neuen Hilfsfonds habe auf die jüngste Aufwertung des Euros wie ein Katalysator gewirkt und sei gleichzeitig mit einem Wendepunkt der Risikoprämie im EUR-/USD-Wechselkurs zusammengefallen. Inwzischen forderten Marktteilnehmer niedrigere Risikoprämien für ihre Euro-Währungspositionen.
Überschiessen der Risikoprämie
Die Euro-Risikoprämie ist definiert als der Teil des EUR-/USD-Wechselkurses, der nicht durch den Zinsabstand zwischen den USA und der Eurozone im Zweijahresbereich zu erklären ist. Aufgrund ihrer Tendenz, Fundamentaldaten zu überschreiten oder zu unterschreiten, kann sie im Laufe der Zeit erheblichen Schwankungen unterliegen. "Unserer Ansicht nach hatten wir Ende März auf Basis des Zinsabstands im Zweijahresbereich eine um ca. 10% überhöhte Euro-Risikoprämie. Es fehlte lediglich ein Katalysator, um dieses Wertpotenzial freizusetzen. Angesichts der Fortschritte in den Verhandlungen über das Hilfspaket könnten wir kurz vor einem weiteren bedeutenden Wendepunkt für die Euro-Risikoprämie stehen", analysiert van der Welle die Situation. Allerdings spreche sehr viel dafür, dass sich Europa auch dann zusammenraufen dürfte, wenn die Beratungen zwischen den EU-Ländern weitergehen. Dies würde dann ebenfalls eine niedrigere Risikoprämie auf Euro-Währungspositionen verlangen.
Die Euro-Risikoprämie unterliegt starken Schwankungen
Quelle: Refinitiv Datastream, Robeco
Europa im Vorteil gegenüber den USA
Im Gegensatz zu Europa stehen die USA bei der Überwindung der Coronavirus-Pandemie vor grösseren Schwierigkeiten. Die Zahlen der Neuansteckungen in Übersee jagen täglich neue Rekorde, die Arbeitslosigkeit ist deutlich höher als in Europa und diejenigen Arbeitsplätze, die nach wie vor bestehen, sind weniger gut gesichert. Ausserdem sind Deutschlands Handelsbeziehungen mit China einige Monate weiter fortgeschritten als diejenigen der USA. "All dies spricht für eine Aufwertung des Euros gegenüber dem Dollar", meint Jeroen Blokland, Senior-Portfoliomanager und Head of Multi-Asset bei Robeco. Denn auch historisch betrachtet folgte auf ein starkes produzierendes Gewerbe in der Eurozone stets eine Aufwertung des Euros.
Dazu kommt, dass der Renditeabstand zwischen zweijährigen US-Staatsanleihen und Bundesanleihen deutlich zurückgegangen ist. Dieser traditionelle Treiber eines starken US-Dollars war in der Vergangenheit der Hauptgrund für EUR-/USD-Wechselkursänderungen. "In den letzten 18 Monaten ist dieser Abstand aber von einem historisch hohen Wert von 3,50% auf unter 0,90% zusammengeschmolzen. Das heisst, der US-Dollar hat im Vergleich zum Euro an relativer Attraktivität verloren", interpretieren Robecos Experten die Entwicklung.
"Doppeltes Defizit" in den USA
Einen weiteren Grund für eine mögliche Dollar-Schwäche sehen die Spezialisten im US-Staatshaushalt. Gemäss Blokland dürften die USA den neuesten Prognosen zufolge in den nächsten Jahren ein wesentlich grösseres Haushaltsdefizit aufweisen als die Eurozone. Ausserdem könnte das zweite grosse Ungleichgewicht in der US-Wirtschaft, das Aussenhandelsdefizit, den Dollar weiter schwächen, sollten Anleger ihren Blick wieder aus das "doppelte Defizit" richten.
Zu einer Dollar-Schwäche käme es laut Blokland und van der Welle schliesslich auch, wenn eine weitergehende fiskalische Integration in der Eurozone zur Schaffung so genannter Eurobonds führt. "Da diese Anleihen durch die gesamte Eurozone garantiert würden, wäre ihre Rendite wahrscheinlich höher als die deutscher Bundesanleihen, was den Renditeabstand gegenüber den USA weiter verringern würde", so Blokland. Sollten tatsächlich Eurobonds ausgegeben werden, wäre eine Diversifizierung von Kapitalströmen über risikoarme Vermögenswerte möglich, was den EUR-/USD-Wechselkurs stützen würde. So das Fazit von Robecos Spezialisten.
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