20.12.2024, 10:54 Uhr
Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren...
Während die Bevölkerung aufgrund der Zuwanderung kräftig wächst, werden heute rund ein Viertel weniger Neubauwohnungen geplant als noch vor wenigen Jahren. Das zeigt die neuste Studie des Immobilienresearchs der Zürcher Kantonalbank.
«Wird bei der Bautätigkeit nicht das Steuer herumgerissen, laufen wir in der Schweiz sehenden Auges in eine Wohnungsnot», sagt Ursina Kubli, Leiterin des Immobilienresearchs der Bank.
Das Wohnungsangebot hinke hinterher, weil der Bausektor trotz Anlagenotstand in den letzten Jahren weniger Baugesuche eingereicht hat – dies teilweise als Reaktion auf die hohen lokalen Leerstände vor wenigen Jahren. In Gemeinden mit einer Mietwohnungsleerziffer von über 2,5 Prozent liegen die Baugesuche ein Viertel tiefer als 2019. Doch auch in Gemeinden mit knappem Mietwohnungsangebot wurden weniger Wohnungen geplant. Das Problem sind laut ZKB die baulichen Rahmenbedingungen: Zwar sind alle für Verdichtung, aber nur solange sie nicht vor der eigenen Haustüre stattfindet. In der Folge ist der Neubau zu einem regelrechten Hürdenlauf geworden. Eine wachsende Zahl an Auflagen führt zu «Ehrenrunden» in der Bauplanung, was die Bewilligungsdauer verlängert. Vom Baugesuch bis zur Baubewilligung dauert es heute im Landesschnitt 140 Tage – das sind 67 Prozent mehr als noch 2010. Je dichter besiedelt, desto länger die Verzögerung. Im urbanen Kanton Zürich sind es fast 200 Tage, in der Stadt Zürich ist die Zeitspanne gegenüber 2010 um 136 Prozent auf knapp ein Jahr gestiegen. Am längsten dauert es hierzulande mit 500 Tagen im Kanton Genf.
Ist mit der erteilten Baubewilligung endlich eine grosse Hürde überwunden, steht schon die nächste an: Denn jetzt können Projekte aufgrund erfolgreicher Rekurse gekippt werden – und das bis zur letzten Minute. «Einsprachen werden nicht umsonst als fünfte Landessprache bezeichnet», sagt Kubli. Um zu sehen, wie oft dies geschieht, hat das Immobilienresearch sämtliche bewilligte Wohnungsneubauprojekte seit 2010 untersucht und analysiert, ob tatsächlich ein neues Wohngebäude entstanden ist. Das Ergebnis: Seither wurde in der Schweiz trotz Baubewilligung jede zehnte Wohnung nicht realisiert, wodurch dem Mietwohnungsmarkt jährlich rund 4'000 Wohnungen fehlen – Tendenz steigend.
Ein Grund sei die rigide Umsetzung der Lärmschutzbestimmungen. In diesem Hürdenlauf seien grössere Akteure gegenüber Privaten im Vorteil, da sie ihre Ressourcen bei einer Blockade auf andere Projekte lenken können. «Der künftige Fokus der Politik sollte klar auf dem Abbau von Hürden liegen», sagt Kubli. So wird etwa die Abschwächung der Lärmschutzbestimmungen bereits diskutiert. «Man wird aufpassen müssen, dass im Gegenzug nicht andere Einsprachegründe wie etwa das Ortsbild vermehrt Gewicht erhalten.»
Angesichts der hohen Nachfrage sollten die Baugesuche nicht sinken, sondern müssten im Gegenteil stärker steigen als früher. Dies, weil heute immer weniger auf der grünen Wiese gebaut wird, sondern für das verdichtete Bauen vermehrt alte Immobilien abgerissen werden. Das führt dazu, dass es in der Schweiz heute 119 neue Wohnungen braucht, damit der Bestand netto um 100 steigt. Im Kanton Zürich sind es sogar 144 Neubauwohnungen. Hinzu kommt, dass aufgrund der demographischen Entwicklung wie der zunehmenden Alterung und der Individualisierung der Gesellschaft immer mehr Personen allein wohnen.
Familien haben es seit langem schwer, in grossen Städten eine bezahlbare Wohnung zu finden. Mitte 2022 betrug die Leerwohnungsziffer etwa in der Stadt Zürich gerade einmal 0,07 Prozent. Entsprechend hoch sind die Mieten. Die Studie des Immobilienresearchs zeigt nun aber, dass dies in der Stadt Zürich – anders als vermutet – nicht dazu führt, dass Familien verdrängt werden – im Gegenteil: Deren Anteil hat in der Stadt von 2014 bis 2021 gar um 1,3 Prozentpunkte von 18,4 Prozent auf 19,7 Prozent zugenommen.
Dass die Städte für Familien trotz hoher Mieten und engen Verhältnissen so attraktiv sind, hat laut Studie drei Gründe: «Erstens profitieren sie von kürzeren Pendelwegen und zweitens von einer besseren Infrastruktur etwa bei Betreuung, Kultur und Sport. Drittens bleiben viele Familien in der Stadt, weil sie sich durch die starke Zunahme der Immobilienpreise – anders als früher – kein Wohneigentum auf dem Land mehr leisten können», sagt Kubli. Von 2014 bis 2021 sank der Anteil der Familien, die in einem Haus wohnen von 27,6 auf 23,8 Prozent.
Für einkommensschwächere Familien bieten in der Stadt insbesondere Genossenschaften bezahlbare Wohnungen. Doch darin unterzukommen, sei bekanntlich vergleichbar mit einem Lotteriegewinn und längst nicht für alle möglich. Heute befindet sich in der Stadt Zürich ein Viertel aller Wohnungen im Eigentum gemeinnütziger Wohnbauträgerschaften. Der Stadtrat möchte den Anteil preisgünstiger Wohnungen bis 2050 auf einen Drittel erhöhen. «Bleibt die bestehende Bautätigkeit auf heutigem Niveau, müssten ab jetzt ungefähr 70 Prozent aller jährlichen neugebauten Wohnungen gemeinnützig sein. Das ist kaum zu schaffen», sagt Kubli. «Anstatt auf das Drittelziel sollte sich die Politik darauf fokussieren, überhaupt wieder Neubauprojekte zu ermöglichen.»
Aufgrund der Zinswende bezahlen Käufer im Durchschnitt wieder mehr fürs Wohnen als Mieter – dafür erhalten sie etwas, das in Zeiten der Wohnungsknappheit umso wertvoller wird: Wohnsicherheit. Frisch aktivierte Suchabonnements zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft für Eigenheime weiterhin hoch ist. Dass weiterhin Konkurrenz zwischen den Eigenheimsuchenden besteht, sorgt für Stabilität. «Die Abkühlung des Immobilienmarkts drückt zwar immer mehr durch, aber sie erfolgt kontrolliert», sagt Ursina Kubli.