23.12.2024, 14:23 Uhr
In eigener Sache: 2024 war nicht nur an den Börsen ein erfolgreiches Anlagejahr mit neuen Rekordständen. Auch Investrends hat mit weit über 2000 publizierten Beiträgen eine neue Höchstmarke erreicht und wird im...
Nach Griechenland stehen nun auch die osteuropäischen Länder im Fokus der Anleger – allen voran Ungarn. Die Strategen von ING Investment Management nehmen zu den wichtigsten Fragen zu Ungarn Stellung.
Was ist passiert?
Die Märkte sind nervös. Diejenigen Anleger, die Europa bereits mit Misstrauen betrachtet haben, sind sogar noch skeptischer, was den Euro betrifft. Budapests Äusserungen in der vergangenen Woche haben diese Vertrauenskrise nur noch verstärkt. Alles, was sich in einem negativen Licht interpretieren lässt, wird auch so gesehen. Dabei wird die Bedeutung schlechter Nachrichten exponentiell übertrieben. Auch dies ist auf den weltweiten Mangel an Zuversicht zurückzuführen.
Geht der weltweite Aufschwung unvermindert weiter?
Ja, das weltweite Wirtschaftswachstum hält unvermindert an. Angesichts der europäischen Staatsschuldenkrise haben sich die Befürchtungen um eine straffere Geldpolitik in China vorerst gelegt. Die in der vergangenen Woche veröffentlichten Zahlen vom US-Arbeitsmarkt schürten jedoch die Angst vor einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Positiv ist indes, dass die Familieneinkünfte in den USA im zweiten Quartal wohl um rund 5 % gestiegen sind. In der Eurozone schreibt derzeit nur Griechenland negative Wachstumszahlen. In anderen Ländern der Eurozone legte das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal abermals zu und stieg aufs Jahr gerechnet von 2,0 % auf 3,0 %. Insgesamt findet zurzeit eine Stabilisierung der Haushaltsdefizite statt (ausser in Griechenland).
Fazit: Der weltweite Aufschwung geht unvermindert weiter, sowohl bei Industrie als auch im Dienstleistungssektor. Je länger jedoch die Risikoaversion an den Märkten anhält, desto grösser ist die Gefahr, dass sich diese Nervosität auch auf die Realwirtschaft auswirkt.
Können westliche Zentralbanken und Regierungen ihre Politik noch rechtzeitig anpassen?
Wohl kaum. Investoren wissen, dass es nur sehr wenig Spielraum für weitere Konjunkturprogramme gibt. Die Leitzinsen sind bereits extrem niedrig und sowohl Japan als auch westliche Industrieländer sind so stark verschuldet, dass zusätzliche Steuererleichterungen nicht machbar sind. Die G20 liess vergangenes Wochenende bereits verlauten, dass Länder, deren Staatsanleihen unter Druck stehen, ihre Ausgaben kürzen sollten.
Zurück zum Thema Ungarn: Was genau hat die Investoren verschreckt?
Seit ein paar Tagen hat Ungarn eine neue Regierung unter Führung der Fidesz-Partei, deren Vorsitzender Lajos Kosa Ungarn mit Griechenland verglich und darauf hinwies, dass Ungarn in weitaus schlechterer Verfassung sei als zunächst angenommen. Am Freitag meldete sich der Sprecher von Premier Viktor Orban zu Wort und teilte mit, dass die Vorgängerregierung die Zahlen gefälscht habe und ein Staatsbankrott denkbar sei.
Nicht gerade hilfreich. Was steckt dahinter?
Eine mögliche Erklärung für diese Äusserungen ist, dass die neue Regierung das bestehende Arrangement mit dem IWF neu verhandeln will. Kommissionspräsident Barroso liess nach einem Treffen mit Orban allerdings verlauten, dass Ungarn seinen Haushalt schleunigst in den Griff bekommen müsse. Der bestehende IWF-Plan stammt aus dem Jahr 2008, dem Beginn der Kreditkrise, als die Märkte jegliches Vertrauen in Ungarn verloren hatten und die Währung des Landes abrutschte.
Was ängstigt die Märkte am meisten?
Die neue Regierung will die Schuld für die Wirtschaftsprobleme anscheinend der vorigen Regierung zuschieben, bei der es sich lediglich um eine Interimsregierung handelte, die verschiedene Notfallmassnahmen umgesetzt hatte. U. a. wurde das Haushaltsdefizit reduziert. Die Märkte befürchten, dass die neue Regierung die Haushaltsdisziplin lockern will. Diese Sorge stützt sich auf das Wahlversprechen der Fidesz-Partei, die Bedingungen des IWF-Rettungspakets neu auszuhandeln. Darüber hinaus hatte die Partei sogar Steuersenkungen in Aussicht gestellt.
Wie geht die neue Regierung dieses Problem an?
Zunächst verglich man sich mit Griechenland. So wurde u. a. für dieses Jahr ein Haushaltsdefizit von 7,0 % des BIP (anstatt der geplanten 3,8 %) prognostiziert. Später betonte man die Unterschiede zur griechischen Situation. So beträgt die Staatsverschuldung Ungarns rund 80 % des BIP gegenüber 133 % in Griechenland.
Was ist Ungarns Schwachstelle in punkto Wirtschaftswachstum?
Ungarns Wirtschaft ist stark von Exporten abhängig, vor allem in die EU. Auf den Exportsektor entfallen über 70 % des BIP. Davon gehen wiederum 80 % in Länder der Europäischen Union. Diese Abhängigkeit macht das Land vor allem zu Zeiten anfällig, in denen die Märkte sich bereits um die wirtschaftliche Verfassung Europas sorgen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund einer Staatsschuldenkrise und geplanter Kürzungen der Staatsausgaben. Der schwache Forint ist natürlich günstig für die Exporte, aber negativ für diejenigen, die Darlehen in Euro und anderen Fremdwährungen abzahlen müssen. Noch kann Ungarn jedoch einen Leistungsbilanzüberschuss aufweisen, der sich dank schwacher Konsumausgaben wohl halten wird.
Welche Massnahmen hat Ungarn am 7./8. Juni zur Beruhigung der Märkte ergriffen?
Am 7. Juni machte die neue Regierung die vollmundige Ankündigung, dass das Haushaltsdefizit für 2010 das von der Vorgängerregierung gesetzte Defizitziel von 3,8 % erreichen werde. Nach der Ungewissheit in der vergangenen Woche war dies ein gutes Zeichen. Am 8. Juni wurden Massnahmen zur Umsetzung dieses Ziels angekündigt. So soll beispielsweise eine neue Steuer auf Bankeinkünfte eingeführt und die öffentlichen Gehälter gekürzt werden. Ferner dürfen Hypotheken nicht mehr auf Fremdwährung lauten. Des Weiteren gab die Regierung zusätzliche Sparmassnahmen in Höhe von 1,0 bis 1,5 % bekannt, um das Defizitziel im vereinbarten Rahmen zu halten. Infolge dieser Ankündigungen legte der Forint am 8. Juni gegenüber dem Euro um 2,0 % zu, nachdem er an den Vortagen um etwa 5,0 % abgesackt war.
In einer von hoher Ungewissheit geprägten Zeit steht für ein Land, das derartig stark von äusseren Faktoren abhängt, sehr viel auf dem Spiel. Das gilt aber auch für die wirtschaftspolitischen Instanzen in Europa, insbesondere angesichts der "Ansteckungsgefahr" der Krise in anderen Ländern Zentral- und Osteuropas. Polen sieht sich – wenn auch in geringerem Masse – denselben Problemen wie Ungarn gegenüber. Auch hier haben sich Private in Fremdwährungen wie dem Euro verschuldet. Der jüngste Einbruch des Zloty war daher äusserst ungünstig für polnische Verbraucher. Dank höherer Binnenausgaben verfügt Polen allerdings über eine ausgeglichenere Volkswirtschaft.
Wie sind die Emerging-Markets-Portfolios von ING IM in Hinblick auf Ungarn positioniert?
Der ING (L) Invest Emerging Europe hält eine 1%ige Übergewichtung von Ungarn, aber eine 6%ige Untergewichtung in Zentraleuropa (Ungarn, Polen, Tschechische Republik). Daher konnte das Portfolio insgesamt von den Schwierigkeiten an diesen Märkten profitieren. Beim ING (L) Invest Emerging Markets haben wir in den letzten Monaten die erhebliche Übergewichtung ungarischer Werte auf eine leichte Übergewichtung (50 Basispunkte) zurückgefahren.
Der ING (L) Renta Fund Emerging Markets Debt (Hard Currency) ist im Hinblick auf Ungarn neutral positioniert.
Der ING (L) Renta Fund Emerging Markets Debt (Local Currency) ist im Hinblick auf den Forint neutral positioniert. (na)