Wann erholen sich Schwellenländeraktien wieder?

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, erklärt in seiner März-Kolumne anhand verschiedener Faktoren, weshalb die Emerging Markets zurzeit eine derart schwache Performance aufweisen. Dennoch ist er der Meinung, dass sie im weiteren Jahresverlauf die entwickelten Märkte erneut übertreffen werden.

07.03.2011, 14:55 Uhr

Redaktion: ah

Seit Oktober letzten Jahres hinken Schwellenländeraktien ihren Pendants in den entwickelten Märkten um über zehn Prozent hinterher. Damit haben sie ihre relativen Zuwächse seit Anfang 2010 bereits nahezu verspielt. Am Ende eines Jahrzehnts, in dem man sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf die überlegenen Renditen von Schwellenländeraktien verlassen konnte, bereitet dies in der Tat Unbehagen. Andererseits ist die eher schwache Performance der Emerging Markets gegenüber den entwickelten Märkten wahrscheinlich nur eine vorübergehende Erscheinung. Unserer Einschätzung nach besteht durchaus Spielraum für eine Trendwende in der zweiten Jahreshälfte.

Das schwache Abschneiden der Emerging Markets war in jüngster Zeit vor allem auf folgende Faktoren zurückzuführen:

- Relatives (Gewinn-)Wachstum: Die westlichen Volkswirtschaften verzeichneten in den letzten Monaten ein unerwartet hohes Wachstum. Nahezu alle Indikatoren fielen überraschend positiv aus und einige Einkaufsmanagerindizes verbuchten sogar ihre bisher besten Ergebnisse.
- Relative Inflation: In den Schwellenländern sind die Inflationsängste sehr viel ausgeprägter als anderswo. Diese Entwicklung wird durch starkes Lohnwachstum und steigende Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe angetrieben. Letztere wirken sich tendenziell stärker auf die Inflationsentwicklung in den Schwellenländern aus als an den entwickelten Märkten.
- Relative Zinssätze: Während die Zentralbanken zahlreicher Schwellenländer die Zinsen anhoben, um die Inflation zu zügeln, blieben die Zinssätze im Westen unverändert.
- Relatives Angebot: Während das Aktienangebot an den Emerging Markets im Zuge von Neuemissionen stieg, konzentrierten sich die Unternehmen in den Industrieländern eher auf den Rückkauf von Aktien, die Erhöhung der Dividenden sowie Fusionen und Übernahmen.
- Unruhen im Nahen Osten: Die geopolitischen Spannungen pushten nicht nur den Ölpreis nach oben, sondern rückten auch erneut politische Risiken in den Vordergrund, die in den Schwellenländern tendenziell höher sind.

Die beiden letztgenannten Faktoren könnten die Emerging Markets bis auf weiteres belasten. Die Entwicklungen im Nahen Osten werfen wiederum das Schlaglicht auf das politische Risiko als Grundproblem in den Schwellenländern, da undemokratische Regierungen im Internet-Zeitalter im eigenen Land verstärkt der öffentlichen Kontrolle und Kritik ausgesetzt sind. Das wird sich wohl so schnell nicht ändern.

Bei den anderen drei Faktoren sollte sich das Blatt allerdings im weiteren Jahresverlauf allmählich wenden. So wird die starke Wachstumsdynamik bei Konjunktur- und Gewinnentwicklung in den USA und Europa (vor allem Deutschland) ihr derzeitiges Tempo nicht aufrechterhalten können. Angesichts des nunmehr erreichten hohen Niveaus wäre das eine mathematische Unmöglichkeit.

Zum einen dürfte der Preisdruck an den Emerging Markets noch in diesem Jahr nachlassen, sofern die landwirtschaftlichen Ernten im dritten Quartal nicht erneut den ungewöhnlich harschen Wetterbedingungen zum Opfer fallen. Die sich normalisierenden Lebensmittelpreise und die abkühlende Wirkung der geldpolitischen Straffungsmassnahmen sollten den Inflationsängsten den Boden entziehen.

Zum anderen werden die Zentralbanken der Schwellenländer in der zweiten Jahreshälfte den Straffungszyklus weitgehend abgeschlossen haben. Sinnigerweise mag das genau der Zeitpunkt sein, wenn westliche Notenbanken beginnen, die Zinszügel anzuziehen, angefangen mit der EZB und der Bank of England. Die Federal Reserve könnte den Leitzins dagegen das ganze Jahr über auf dem gegenwärtigen Niveau von fast null halten. Der voraussichtliche Ausstieg aus der quantitativen Lockerung in diesem Jahr würde für die USA dann ein weniger stimulatives Umfeld bieten.

Vor allem deswegen könnten die Schwellenländer im weiteren Jahresverlauf erneut die Industrieländer übertreffen. Investoren engagieren sich generell lieber in Ländern, die den Zinsstraffungszyklus nahezu abgeschlossen haben, als in Ländern, denen er noch bevorsteht.

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