Sechs erneuerbare Energien, die man im Auge behalten sollte

Der Preisrückgang bei fossilen Brennstoffen hat den alternativen Energien nicht das Licht ausgeknipst. Manche von ihnen leuchten vielmehr recht hell, schreibt Credit Suisse in einem kürzlich veröffentlichten Kommentar.

06.03.2015, 15:48 Uhr
Alternatives

Bei Erdöl gab es schon seit jeher Phasen des Auf- und des Abschwungs. In manchen Jahren trinkt die Erdölbranche Champagner, in anderen verpfändet sie die Kelche, aus denen sie ihn vorher trank. Wird also der aktuelle Preisverfall um 50 Prozent die wirtschaftliche Grundlage der alternativen Energien vernichten, wie es beim letzten Crash Mitte der 1980er Jahre der Fall war? Nein, so das Global Energy Team der Credit Suisse. Erstens ist der derzeitige Angebotsüberhang deutlich geringer als noch vor drei Jahrzehnten. Das Team erwartet, dass sich die Preise bereits im Laufe des Jahres erholen werden. Zweitens spielt Öl bei der Stromerzeugung, wo erneuerbare Energien das grösste Wachstum verzeichnen, mit lediglich 4 Prozent der weltweiten Stromproduktion ohnehin nur eine kleine Rolle. Drittens haben Regierungen diesmal einen weiteren wichtigen Grund, erneuerbare Energien zu fördern: Sie bieten die dringend benötigten Vorteile geringerer CO2-Emissionen und besserer Luftqualität.

Während die Öl- und Gasmärkte taumeln, dürften erneuerbare Energien daher ihren Aufstieg im Jahr 2015 fortsetzen. Es folgt ein Überblick über das «saubere halbe Dutzend» – die wichtigsten Arten unerschöpflicher Energiequellen.

Strahlende Solarenergie
Bis vor Kurzem war Photovoltaik noch eine Nischentechnologie – gut geeignet, um Taschenrechner oder Raumstationen mit Energie zu versorgen, aber zu teuer für die konventionelle Stromerzeugung. Doch diese Zeiten gehören dem «2015 Solar Outlook» der Credit Suisse zufolge der Vergangenheit an. Solarkollektoren erzeugen aktuell nur 1,2 Prozent der Elektrizität, aber dank zweier Trends wird bis 2020 eine annähernde Vervierfachung der Kapazitäten erwartet. Zum einen sind die Kosten in den letzten sieben Jahren um enorme 80 Prozent gefallen. Die Branche durchläuft eine klassische «Lernkurve», bei der Produkte und Produktionsverfahren ständig besser werden. Dies führt dazu, dass es in Australien, Spanien, Deutschland, Chile, Italien und fünf weiteren Ländern für Hausbesitzer billiger ist, Solaranlagen zu installieren, als das örtliche Stromnetz anzuzapfen. Zum anderen sind derzeit einige grosse Projekte im Gange. China, Indien, die Europäische Union und die USA verfügen allesamt über grössere Programme (oder Anreize) zum Aufbau von mehreren hundert Gigawatt zusätzlicher Kapazität in den kommenden zehn Jahren. Der Ausblick: sonnig.

Wachsende Windkraft
Unser Horizont hat sich stark verändert – im wahrsten Sinne des Wortes. Heutzutage ist es nahezu unmöglich, vom Flugzeug, Zug oder Auto aus die Landschaft zu betrachten, ohne riesige Rotorblätter in den Himmel ragen zu sehen. Man kann davon ausgehen, künftig noch mehr Windkraftanlagen zu Gesicht zu bekommen, so ein Bericht der Credit Suisse mit dem Titel «China Power Equipment Sector». Dieser prognostiziert eine Verdreifachung der Kapazität im Zeitraum 2013–2020, was bis zum Ende des Jahrzehnts 12 Prozent des weltweit erzeugten Stroms entsprechen wird. Immer mehr neue Windparks werden im Meer gebaut. Auf der offenen See weht der Wind oft gleichmässiger und es steht mehr Platz zur Verfügung. Vor den Küsten Englands, Dänemarks, Deutschlands und Belgiens stehen bereits riesige Generatoren und es sind weitere geplant; nicht nur in der Nordsee und umliegenden Seegebieten, sondern auch vor China und den USA. Die Kosten der Windenergie sind Brancheninsidern zufolge höher als ursprünglich erwartet und die Stillstandsdauer (wenn der Wind zu stark oder zu schwach weht) höher als anfangs eingeplant. Der Ausblick lautet trotzdem: Rückenwind.

Wuchtige Wasserkraft
Heutzutage ist Wasserkraft die älteste der erneuerbaren Energien. Wasser hat den Beginn der industriellen Revolution in der Mitte des 18. Jahrhunderts vorangetrieben. Bereits um 1880 wurden erste kommerzielle Kraftwerke an Orten wie den Niagarafällen an der amerikanisch-kanadischen Grenze gebaut. Aber alt bedeutet nicht veraltet. Obwohl Wasserkraft mit Abstand die am weitesten entwickelte erneuerbare Energie ist (sie erzeugt ein Sechstel des weltweiten Stroms), wächst sie ausgehend von dieser starken Basis immer noch robust weiter. Von 2013–2020 wird dem «China Power Equipment Sector»-Bericht der Credit Suisse zufolge die Kapazität von Wasserkraft um beinahe zwei Drittel steigen. Viele der grössten Neukapazitäten werden in China entstehen, der Heimat des weltgrössten Wasserkraftwerks in der Drei-Schluchten-Region am Jangtsekiang, sowie im benachbarten Indien. Projekte in beiden Ländern unterstreichen die Vorteile der Wasserkraft: kostengünstige und CO2-arme Stromerzeugung. Und sie zeigen auch die Nachteile: gewaltige potenzielle Störungen für Mensch und Natur, flussauf- und flussabwärts. Der Ausblick: schnelle Strömung.

Grossartige Geothermie
Der Begriff «Wärmepumpe» mag zunächst etwas rätselhaft klingen, aber die meisten von uns haben täglich mit solchen Geräten zu tun, und zwar in Form von Kühlschränken und Klimaanlagen. Eine typische Klimaanlage ist in der Tat nahezu identisch mit einer Wärmepumpe – mit dem Unterschied, dass eine Wärmepumpe üblicherweise Wärme in ein Gebäude hinein und eine Klimaanlage diese aus einem Gebäude hinaus transportiert. Die meisten funktionieren elektrisch (und einige wenige werden mit Gas betrieben), was bedeutet, dass sie im Gegensatz zu Solarenergie, Windenergie und Wasserkraft nicht «fast CO2-frei» sind. In vielen Ländern sind ihre CO2-Emissionen relativ gering, aber unter bestimmten Umständen – etwa wenn der Strom mit Kohle erzeugt wird – stossen sie mehr Treibhausgase aus als ein konventioneller Boiler, der mit Heizöl, Gas oder Flüssiggas betrieben wird. Obwohl Wärmepumpen weniger als 1 Prozent des weltweiten Stroms erzeugen, wird mehreren Marktstudien zufolge bis zum Ende des Jahrzehnts ein anhaltendes jährliches Wachstum von 10 Prozent erwartet. Eine ähnliche Steigerung bei der Stromerzeugung erwartet man ebenfalls von einer anderen Art der Geothermie, die manchmal als «Hot Rocks» (heisses Gestein) bezeichnet wird. Hierbei werden Dampf und Wasser unterirdisch zur Erzeugung von Strom oder zum Heizen genutzt. Nach Angaben des Renewable Energy Policy Network, einem dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen nahestehenden Think Tank, konzentrieren sich solche Projekte auf Gebiete, in denen heisses Gestein nahe der Erdoberfläche liegt. Zu den recht naheliegenden Standorten gehören Island, Neuseeland, Japan und die Türkei, aber es gibt auch erhebliche Kapazitäten in den USA, auf den Philippinen, in Indonesien, Mexiko und Kenia. Der Ausblick: es wird heisser.

Offener Ozean
Die am wenigsten bekannte erneuerbare Energie ist die sogenannte Meeresenergie. Und das aus gutem Grund: Sie erzielt die geringsten Erfolge. Ein Ansatz besteht in der Nutzung der Gezeiten, die an Orten wie der kanadischen Bay of Fundy oder dem englischen Bristolkanal gewaltig sein können, um elektrische Turbinen anzutreiben. Das klingt toll, aber weltweit sind nur 10 solcher Kraftwerke in Betrieb und die meisten werden eher zu Forschungs- als zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt. Ein weiterer Ansatz ist die Nutzung von Wellenenergie zur Stromgewinnung. Die Meeresbrandung kann eine Turbine oder einen Kolben antreiben, oder in einer als «Pelamis» oder «Seeschlange» bezeichneten Anlage beides tun. Der letztgenannte Ansatz weist einige Ähnlichkeiten mit der Geothermie auf. Mit Meereswärmekraftwerken, auch OTEC («Ocean Thermal Energy Conversion») genannt, wird durch die Verbindung von kaltem Wasser aus der Tiefe mit warmem Wasser von der Oberfläche eine stromerzeugende Wärmepumpe geschaffen. Es klingt sonderbar, aber experimentelle Kraftwerke vor den Küsten von Brasilien, Kuba, Hawaii und Japan haben bewiesen, dass das Konzept funktioniert. Sie konnten allerdings nicht beweisen (und das gilt auch für die Wellenenergie), dass sich ihre enormen Investitions- und Wartungskosten reduzieren lassen, damit sie rentabel betrieben werden können. Der Ausblick: Ebbe.

Boomende (und bankrottierende) Biotreibstoffe
Biotreibstoffe sind nichts für schwache Nerven. Die Branche hat einige Erfolge vorzuweisen, aber dafür auch eine bemerkenswerte Reihe von Fehlschlägen und Konkursen. Probleme sind in der Regel Unterkapitalisierung, wechselhafte staatliche Anreize oder eine Mischung aus diesen Faktoren so Russell Heinen, Senior Director bei dem Beratungsunternehmen IHS. Zum Beispiel mussten mehrere Biodieselproduzenten in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrzehnts aufgeben, als ein europäisches Land nach dem anderen die grosszügigen Steuerbefreiungen zurücknahm. Bioethanolproduzenten zeigten sich stabiler, da sie durch die Regierungen Brasiliens und der USA konsequenter unterstützt wurden (was für alle erneuerbaren Energien wesentlich für den Erfolg ist). Aktuellerer Natur ist der Boom von Holzspänen und Pellets, die in immer grösseren Mengen zur Verbrennung in Kraftwerken aus den USA nach Europa transportiert werden. Analysten warnen jedoch, dass Veränderungen bei den undurchsichtigen Regelungen zu erneuerbaren Energien und Emissionsrechten das Wachstum in Windeseile stoppen können. Der Ausblick: auf und ab.

Quelle: Credit Suisse

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