Russland bleibt wachstumsstark

08.04.2008, 14:02 Uhr

Vor dem Hintergrund einer weltweiten Verlangsamung des Wachstums dürfte sich Russland als willkommene Ausnahme erweisen und unter den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) am besten behaupten, analysiert Agne Zikute, Senior Investment Managerin des Russian Equity Fund.


Im Jahr 2008 könnte Russland als einzige Volkswirtschaft ein ähnliches Wachstum erzielen wie 2007. Gründe dafür sind unter anderem massive Infrastrukturinvestitionen, deren Finanzierung durch die hohen Ölpreise, den gesunden Konsumtrend im Inland und die unterbewertete Landeswährung erleichtert wird. Die Klärung des politischen Umfelds und tiefe Aktienbewertungen sind ermutigende Stützen dieses positiven makroökonomischen Rahmens und verbessern die Aussichten auf eine Wertsteigerung, die mit jener der BRIC-Staaten im Jahr 2007 vergleichbar ist.

Putin Nachfolger beruhigt die Investoren

Zu Beginn dieses Jahres löste Wladimir Putin den gordischen Knoten, indem er einerseits Dimitri Medwedew, einen seiner engen Verbündeten, zu seinem Nachfolger als Präsident vorschlug und gleichzeitig selbst als Premierminister kandidierte. Bei der Präsidentschaftswahl am 2. März 2008 trug Medwedew dann den Sieg davon, und es ist höchst wahrscheinlich, dass Putin in der von Medwedew zu bildenden Regierung am 7. Mai das Amt des Premierministers übernehmen wird. Das Tandem Putin-Medwedew sorgt nicht nur für Kontinuität und politische Stabilität, sondern dürfte auch zu einer Aufhellung des politischen Klimas gegenüber den USA und der Europäischen Union führen. Medwedew - der sein Amt zwar als Zögling Putins antritt - wird Politik und Wirtschaft wahrscheinlich positiv beeinflussen. Er gehört nicht zu den Silowiki, d.h. er war weder Mitglied der Geheimdienste noch der Armee wie sonst die meisten Verbündeten Putins, und wirkt deshalb eher businessfreundlich.

Neben anderen bemerkenswerten Vorhaben zeigt sich Medwedew auch entschlossen, die Korruption zu bekämpfen, die in wirtschaftlichen und politischen Institutionen noch immer weit verbreitet ist. Weitere strukturelle Reformen, beispielsweise die Gewährleistung einer unabhängigen Rechtssprechung durch die Gerichte, sind deshalb wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund ist auch mit verstärktem Druck der Bevölkerung für die Durchsetzung von Eigentumsrechten zu rechnen. Konkret könnte die Kaufkraft der Mittelklasse steigen und der Wettbewerb zwischen Unternehmen zunehmen. Weitere Produktivitätssteigerungen und eine entsprechend höhere Rentabilität ausgewählter Gesellschaften sind daher zu erwarten.

Gestiegene öffentliche Infrastrukturausgaben

Vor dem Hintergrund der drohenden US-Konjunkturverlangsamung oder gar einer Rezession zeigt sich Russland äusserst stark und könnte als eine der wenigen Volkswirtschaften ein ähnliches BIP-Wachstum wie 2007 (+8,1%) erreichen. Der Hauptantrieb für dieses Wachstum dürfte von höheren öffentlichen Infrastrukturausgaben ausgehen. Für die Investitionsausgaben wird in den drei Jahren bis 2009 praktisch mit einer Verdoppelung von USD 240 Mrd. auf USD 420 Mrd. gerechnet. Von Kapitalinvestitionen betroffene Sektoren dürften einen Boom erleben. Dazu gehören die untereinander verbundenen Kohlen- und Stahlbranchen, Rohre und Zement. Evraz und Mechel beispielsweise sind stark im Kohlegeschäft tätig. Beim Inlandskonsum der Haushalte weisen die Regionen ein stärkeres Wachstum auf, weil der von den grossen Wirtschaftszentren ausgehende Wohlstand allmählich die Regionen erreicht. Davon dürften insbesondere die Branchen Telekom, Einzelhandelsketten, Nahrungsmittel und Banken profitieren.

Neue Trends im Immobilienbereich

Anlagen in Immobilien, die ebenfalls auf die Regionen übergreifen, nehmen weiter zu. Angesichts des grossen russischen Leistungsbilanzüberschusses und anhaltend hoher Energie- und Rohstoffpreise wird der gegenüber dem Dollar feste Rubel als unterbewertet beurteilt und zieht Geldströme für Immobilieninvestitionen an. Die unternehmerische Tätigkeit in Landwirtschaft und Maschinenbau, die zwar schwer zugängliche Sektoren bleiben, beginnt ebenfalls Erträge abzuwerfen.

Der Markt gilt als unterbewertet

2007 wies Russland unter den BRIC-Märkten die schlechtesten Ergebnisse aus, da die Ölpreise zu Jahresende nachgaben, Ungewissheit über die Nachfolge Putins herrschte und zahlreiche Börseneinführungen im Gange waren. Auf KGV-Basis fielen die Bewertungen auf historische Tiefs. Damit wurde Russland mit Kursen, die zwischen dem 10- und 11-fachen der erwarteten Gewinne liegen, weltweit zu einem der preiswertesten Schwellenmärkte. Bedeuten eine US-Rezession oder die anhaltende Kreditkrise für Russland ein Risiko? Erstens ist der Einfluss des US-Konsums auf Russland – anders als auf China – äusserst gering. Zweitens besteht kaum ein Zusammenhang zwischen den russischen Kreditmärkten und strukturierten Finanzprodukten. Russland riskiert in Tat und Wahrheit einen Liquiditätsüberschuss, da das Land wegen der unterbewerteten Landeswährung massiv Kapital anzieht, was zu inflationärem Druck und Wertsteigerungen führt, wie dies in den übrigen BRIC-Staaten (Brasilien, Indien und China) im Jahr 2007 der Fall war.

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