Nachlassender Optimismus bei Schweizer Banken

Die Schweizer Banken blicken gemäss Ernst & Young Bankenbarometer 2012 weniger optimistisch in die Zukunft als vor einem Jahr. Trotz der Turbulenzen an den Finanzmärken erachtet die Mehrheit der Institute die Zukunftsaussichten jedoch weiterhin als intakt. Im Vergleich zum Vorjahr sehen die Banken die aktuellen Entwicklungen rund um Bankkundengeheimnis, Abgeltungssteuer und Steuertransparenz etwas weniger euphorisch. Dennoch rechnen die wenigsten Banken mit bedrohlichen Nettoabflüssen von verwalteten Vermögenswerten. Nebst dem Umgang mit der zunehmenden Regulierung erwarten die Banken für das neue Geschäftsjahr grössere Herausforderungen im Bereich des Zins- und Kreditrisikomanagements.

11.01.2012, 06:40 Uhr

Redaktion: sek


Von den 120 Banken in der Schweiz, die im Dezember 2011 für das Ernst & Young Bankenbarometer 2012 befragt worden sind (ohne die beiden Grossbanken), beurteilen noch 15 (im Vorjahr 52) Prozent die aktuelle Geschäftsentwicklung als positiv. 62 (40) Prozent bewerten den Geschäftsgang als eher positiv, knapp ein Viertel als negativ. Weniger zuversichtlich schätzen die Privatbanken und Auslandbanken den Geschäftsgang ein, rund 40 Prozent beklagen eine rückläufige Entwicklung. Auch wenn der Optimismus nachgelassen hat, so sind die Zukunftsaussichten weiterhin gut: 71 (92) Prozent gehen von einer positiven oder eher positiven Geschäftsentwicklung für 2012 aus. "Die Banken beurteilen die Aussichten vermutlich etwas realistischer als vor einem Jahr, als die Einschätzungen deutlich optimistischer ausfielen. Auch wenn die Urteile zurückhaltender sind, so kann doch festgehalten werden, dass die Schweizer Banken die weltweite Finanzkrise und die europäische Schuldenkrise bisher relativ gut überstanden haben", fasst Iqbal Khan, Leiter Banking & Capital Markets bei Ernst & Young, die Ergebnisse der Umfrage zusammen.

Tiefes Zinsniveau bringt Retail Banking zunehmend unter Druck

Das Retail Banking ist besonders umkämpft. 40 (22) Prozent der befragten Banken stufen den Wettbewerb in diesem Bereich am intensivsten ein. Diese Einschätzung zum klassischen Bilanzgeschäft wird nicht nur von den Regional- und Kantonalbanken, sondern vermehrt auch von Privat- und Auslandbanken geteilt. "Das anhaltend tiefe Zinsniveau und die damit verbundenen rückläufigen Zinsmargen stellen die Banken in ihrem Kerngeschäft zunehmend vor grosse Herausforderungen. Darüber hinaus werden verschärfte Eigenmittel- und Liquiditätsbestimmungen künftig den Wettbewerb nicht nur im Aktivgeschäft, sondern auch im Passivgeschäft, also dem Geschäft mit Kunden- und Spargelder, anheizen. Insbesondere bei einem Zinsanstieg wird der Kampf um Passivgelder deutlich an Bedeutung gewinnen", sagt Patrick Schwaller, Leiter Bankenbarometer bei Ernst & Young.

Für die kommenden sechs bis zwölf Monate rechnen knapp 60 (29) Prozent der befragten Banken mit einem eher wachsenden Bedarf an Wertberichtigungen und Rückstellungen für Ausfallrisiken aus dem Kreditgeschäft. Dies ist vermutlich auch mit ein Grund, weshalb eine Mehrheit von 59 (28) Prozent der Institute für 2012 eine vergleichsweise eher restriktivere Kreditvergabe erwartet.

Private Banking mit rückläufigen Margen - Ernüchterung rund um Steuerabkommen
Im Private Banking bleibt der Wettbewerbsdruck weiterhin hoch. Privatbanken und Auslandbanken erkennen in ihrem Kerngeschäft unverändert die intensivste Konkurrenz. Grund dafür sind die neuen Spielregeln sowie die rückläufigen Margen, mit denen sich die Branche konfrontiert sieht. "Die Anpassung der Geschäftsmodelle und die Umsetzung regulatorischer Neuerungen ist mit Zusatzkosten verbunden, welche die Banken nur schlecht überwälzen können. Ausserdem leidet die Branche zunehmend unter sinkenden Erträgen", sagt Patrick Schwaller.

Die Entwicklung rund um das Bankkundengeheimnis und die Abgeltungssteuer wird weniger zuversichtlich beurteilt. Noch 46 (73) Prozent der Banken erwarten positive oder eher positive Auswirkungen auf den Schweizer Bankenplatz. "Die defensivere Einschätzung der Auswirkungen der Steuerabkommen ist einerseits auf die weiterhin bestehenden Vertragsunsicherheiten sowie andererseits auf die zusätzlichen externen und internen Zusatzkosten bei der konkreten Umsetzung der einzelnen Abkommen zurückzuführen", sagt Hans-Joachim Jaeger, Partner Financial Services bei Ernst & Young.Trotz der schwindenden Euphorie geht jedoch eine Mehrheit von 89 Prozent der befragten Institute davon aus, dass die neuen Steuerabkommen letztlich nicht zu bedrohlichen Abflüssen von Kundengeldern führen wird.

Wohlverhaltensregeln, Zins- und Kreditrisikomanagement im Fokus
Die befragten Banken erachten Compliance, insbesondere im Bereich der Wohlverhaltensregeln sowie Zins- und Kreditrisikomanagement als die wichtigsten Themen für die nächsten Monate. Diese Themen verdrängten die im Vorjahresumfrage meistgenannten Themen "Regulierung von grenzüberschreitenden Aktivitäten (Cross Border)" sowie "Steuerabkommen und Steuertransparenz"."Die Bedeutung der Wohlverhaltensregeln ist im Zusammenhang mit dem Vertriebsbericht 2010 der FINMA und den darin identifizierten Mängeln im Bereich des Kundenschutzes zu sehen. Angesichts der skizzierten künftigen Regulierung ist mit einer stärkeren Formalisierung von Eignungs- und Angemessenheitsprüfung bei der Anlageberatung zu rechnen. Die Bedeutung von Zins- und Kreditrisikomanagement erklärt sich mit dem überdurchschnittlichen Kreditwachstum der letzten Jahre und dem unverändert tiefen Zinsniveau", sagt Iqbal Khan.

Keine Erholung an den Finanzmärkten erwartet
Die Finanzkrise beschäftigt die Banken weiterhin. Als wichtigste negative Konsequenzen nennen die befragten Institute vor allem das tiefe Zinsniveau, den politischen und regulatorischen Druck sowie die Verunsicherung der Anleger und die damit verbundene zunehmende Passivität. Eine Schwächung der eigenen Position aufgrund der Finanzkrise erkennen jedoch bloss 20 (8) Prozent der befragten Banken. Vielmehr gehen 44 (55) Prozent davon aus, dass sich die eigene Position relativ verbessert hat; diese Einschätzung wird vor allem von Kantonalbanken geteilt.

Zur Entschärfung der "Too big to fail"-Problematik erachten 33 Prozent der befragten Banken strengere Eigenmittelvorschriften und 27 Prozent die Trennung von Investmentbanken und Privatbanken als geeignete Massnahmen; ein Verbot des Investment Banking oder die Einführung von Finanztransaktionssteuern werden jedoch als ungeeignet beurteilt.

Eine Mehrheit von 89 Prozent der Banken erachtet die Politik der Schweizerischen Nationalbank im Zusammenhang mit der Einführung einer Untergrenze für den Euro als positiv oder eher positiv. 58 (13) Prozent der befragten Banken prognostizieren für das laufende Jahr eine negative oder eher negative Entwicklung an den weltweiten Finanzmärkten, nur noch 18 Prozent (63 Prozent) erwarten eine eher positive Entwicklung.

Informationen zur Studie
Das zum zweiten Mal erhobene Ernst & Young Bankenbarometer basiert auf einer Befragung von insgesamt 120 Führungskräften (Mitglieder der Geschäftsleitung) von verschiedenen Banken in der ganzen Schweiz, ohne Grossbanken. Bei 35% der befragten Institute handelte es um Privatbanken, bei 15% um Auslandbanken, bei 35% um Regionalbanken und bei 15% um Kantonalbanken. 85 Prozent der Institute stammten aus der Deutschschweiz, 12 Prozent aus der Westschweiz und 3 Prozent aus dem Tessin. Die telefonische Befragung wurde im Dezember 2011 im Auftrag von Ernst & Young durch ein unabhängiges Marktforschungsinstitut (Valid Research, Bielefeld) durchgeführt. Die Studie steht hier zum Download zur Verfügung.

Alle Artikel anzeigen

Diese Website verwendet Cookies, um Ihnen eine bestmögliche Nutzung zu ermöglichen. Mit der Annahme der Cookies bestätigen Sie, dass Sie ein professioneller Anleger mit Sitz in der Schweiz sind.> Datenschutzerklärung