Konjunkturelle Dynamik in Europa verlangsamt sich wieder

Die Wirtschaftserholung schreitet 2021 kräftig voran. (Bild: Shutterstock.com/Sutadimages)
Die Wirtschaftserholung schreitet 2021 kräftig voran. (Bild: Shutterstock.com/Sutadimages)

Die Inflation in den USA verharrt laut den Prognosen von Swiss Life Asset Managers bis Ende Jahr auf über 5% und bleibt zentrales Marktthema, während sich in Europa die konjunkturelle Dynamik bereits wieder verlangsamt. Derweil verschreckt die Regulierungsflut in China die Investoren.

05.08.2021, 17:06 Uhr

Redaktion: rem

In ihren aktuellen "Perspektiven" vom August rechnet Swiss Life Asset Managers für die Schweiz mit einer Fortsetzung der Erholung in spürbar langsamerem Tempo in der zweiten Jahreshälfte 2021 und im nächsten Jahr. "Die jüngste Abkühlung der Unternehmerstimmung in den wichtigsten Exportmärkten und der Umstand, dass die Impulse aus Fiskal- und Gelpolitik allmählich nachlassen, erklären unsere vergleichsweise vorsichtige Prognose für das kommende Jahr", so die Ökonomen von Swiss Life AM. Ihre Prognose: 3,6% BIP-Wachstum in diesem und 2,5% im nächsten Jahr.

In der Schweiz errege die gestiegene Inflation die Gemüter weniger als in den USA oder in Deutschland. Nach vier deflationären Phasen seit 2008 stehe nun eine Periode mit Inflationsraten im Bereich des von der Schweizerischen Nationalbank angestrebten Zielbands von 0% bis 2% in Aussicht. In den kommenden Monaten dürften höhere Preise für Obst und Gemüse nach den Juli-Unwettern für weiteren Preisdruck sorgen. Swiss Life AM sieht die Inflation für die Schweiz bei 0,5% (2021) und 0,7% (2022).

Inflation bleibt zentrales Marktthema in den USA

In den USA bleibt die Inflation zentrales Marktthema. Im Juni stieg die Inflation überraschenderweise auf 5,4% nach wie vor getrieben durch temporäre Effekte wie überschiessende Preise für Gebraucht- und Leihwagen oder Flugtickets, die im Zuge der Öffnung der Wirtschaft sehr gefragt sind. "Die Inflation breitet sich aber zunehmend auf Dienstleistungspreise und Mieten aus, weshalb wir nun bis Ende 2021 mit Inflationsraten über 5% rechnen, bevor auslaufende temporäre Effekte für eine deutliche Beruhigung sorgen", meinen die Ökonomen von Swiss Life AM. Sie erwarten für die USA eine Inflation von 4,3% (2021) und 3,0% (2022). Diese Prognose liegt vor allem für 2021 deutlich über dem Konsensus von 3,7% (2022: 2,8%).

Die Experten veranschaulichen die Auswirkungen der Teuerung an einem Beispiel: "Eine US-Investorin, die vor einem Jahr in eine einjährige Treasury Bill investierte, verlor real über 5% auf diese vermeintlich sichere Anlage. Über diese 'Inflationssteuer' finanzieren die Anleiheinvestoren indirekt die ausschweifende US-Fiskalpolitik." Zur Kasse gebeten werden auch die US-Konsumenten, deren Stimmung sich überraschend stark eingetrübt hat. In der Umfrage der University of Michigan werden insbesondere die höheren Preise für Immobilien und dauerhafte Güter beklagt. Weil gleichzeitig die Löhne steigen und während der Pandemie enorme Ersparnisse angehäuft wurden, dürfte der Konsum zwar intakt bleiben, aber sich zunehmend auf Dienstleistungen verlagern. Swiss Life AM erwartet in den USA ein BIP-Wachstum von 6,0% (2021) und 3,3% (2022).

Prognosevergleich

Quelle: Consensus Economics Inc. London, 12. Juli 2021
Quelle: Consensus Economics Inc. London, 12. Juli 2021

Eurozone: Grosse Bandbreite der Inflationsraten

In der Eurozone hat sich die Konsumentenstimmung zuletzt weiter aufgehellt. Dazu trägt die rückläufige Arbeitslosenquote in starkem Mass bei. Die Unternehmerstimmung in der Industrie, welche seit Anfang Jahr kräftig zugelegt hat, scheine aber ihren Höhepunkt bereits überschritten zu haben. Wie frühere Konjunkturpakete werde auch der EU-Wiederaufbaufonds nur mit Verzögerung in der Realwirtschaft Wirkung entfalten. Diese letztlich prozyklisch wirkenden Gelder dürften laut Swiss Life AM den südlichen Ländern bis über das Jahr 2022 hinaus Wachstumsimpulse verleihen. Die Ökonomen prognostizieren ein BIP-Wachstum von 4,4% (2021) und 3,3%.

Die Bandbreite der Inflationsraten reicht aktuell in der Eurozone von –0,6% für Portugal bis 3,7% für Estland. Über die Sommermonate dürfte die Inflation aufgrund von Basiseffekten aus dem Vorjahr in den meisten Ländern rückläufig sein, bevor ein erneuter Anstieg bis zum Schlussquartal 2021 die Inflationsrate der Eurozone auf rund 2.5% steigen lässt. Im Basisszenario bis 2024 erwarten die Ökonomen von Swiss Life AM, dass sich die Inflation in dieser Region danach bei rund 1,5% einpendeln wird.

China: Regulierungsflut verschreckt Investoren

Wie die Experten weiter erläutern, sind die chinesischen Behörden jüngst einer Regulierungswut verfallen, die Investoren weltweit verschreckt und zu einem Ausverkauf chinesischer Aktien geführt hat. Die Massnahmen reichen von der erzwungenen Löschung von Apps von angeblich marktdominierenden Tech-Unternehmen über Einschränkungen für private Lernstudios und Essenslieferdienste bis zu Restriktionen für das Listing chinesischer Firmen an ausländischen Börsen. Die Risiken dieser Strategie seien mittelfristig erheblich, so Swiss Life AM. Die chinesische Führung sende ein klares Signal an die Privatwirtschaft, dass das Primat bei der Politik liege und die Regeln jederzeit ändern können, mit potenziell negativen Auswirkungen auf die "Animal Spirits" der Unternehmen. Zudem werde kapitalseitig die Entkoppelung vom Westen vorangetrieben, was den internationalen Austausch von Know-how schmälern werde.

Der unmittelbare Effekt auf die Konjunktur dürfte allerdings gering sein, da chinesische Firmen zumeist wenig Mühe bekundeten, sich im Inland zu finanzieren. "Insgesamt fühlen wir uns mit unseren vorsichtigen, leicht unter dem Konsens liegenden Wachstumsprognose für 2021 (8,3%) und 2022 (5,4%) wohl."

Bei der Teuerung in China erwartet Swiss Life AM bis Ende Jahr eine Normalisierung der Konsumentenpreisinflation auf etwas über 2%. Die Swiss Life AM-Inflationsprognose für das Reich der Mitte liegt bei 1,3% (2021) und 2,3% (2022).

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