Kanton Zürich verliert an Standortattraktivität

In der interkantonalen Verschiebung von Unternehmenssitzen verzeichnet der Kanton Zürich 2021 die grösste Netto-Abwanderung. (Bild: Shutterstock.com/Globalvision360)
In der interkantonalen Verschiebung von Unternehmenssitzen verzeichnet der Kanton Zürich 2021 die grösste Netto-Abwanderung. (Bild: Shutterstock.com/Globalvision360)

Im Kanton Zürich gibt ein Trend Anlass zur Sorge. Privatpersonen mit Vermögen und Unternehmen wandern ab in andere Kantone. Mario Bonato von Avenir Suisse analysiert, warum das so ist und kommt zum Schluss, dass für den Wirtschaftsmotor der Schweiz eine spürbare Steuersenkung neben liberalen, marktnahen Reformen unumgänglich ist.

14.08.2022, 06:00 Uhr

Redaktion: rem

Der Kanton Zürich kommt für über 20% der Schweizer Wirtschaftsleistung auf. Der bevölkerungsreichste Kanton beheimatet nicht nur mehr als 1,5 Mio. Menschen, sondern stellt auch jeden fünften Arbeitsplatz im Land. Im nationalen Finanzausgleich, der "den Zusammenhalt des Landes" stützen soll, ist Zürich mit 500 Mio. CHF der grösste Nettozahler und kommt für 37% der Einzahlungen aller Geberkantone auf. "Der Zürcher Finanzsektor ist mit den global tätigen Versicherungen und Banken prägend für das gesamte Bild der Schweiz im Ausland. Nicht nur in der Schweizer Bundesverfassung, sondern wohl auch im eigenen Selbstverständnis, steht der Kanton zuvorderst", fasst Mario Bonato, Senior Researcher bei Avenir Suisse, die Fakten zusammen.

Andere Kantone laufen Zürich den Rang ab

Doch das Zürcher Selbstbewusstsein verliere zunehmend an Grundlage, stellt er fest. Zwar sei Zürich nach wie vor attraktiv – nur holten andere Kantone bezüglich Standortattraktivität zusehends auf. Interessant ist nach Bonatis Ansicht vor allem die Zusammensetzung der Zu- und Abwanderung: Wohlhabendere Bevölkerungsschichten verlassen den Kanton, während die Zuzüger im Durchschnitt rund halb so vermögend sind. Wie eine Studie zeigt, sind netto innert vier Jahren rund 5 Mrd. CHF an Vermögen mit dem Wegzug natürlicher Personen abgewandert. Weitere Untersuchungen zeigen ein ähnlich negatives Bild bei den juristischen Personen. In der interkantonalen Verschiebung von Unternehmenssitzen verzeichnet der Kanton Zürich 2021 die grösste Netto-Abwanderung – mehr als alle anderen Kantone zusammen. Die meisten dieser einstigen Zürcher Firmen wandern in den attraktiveren Kanton Zug oder in die Kantone Schwyz und Aargau ab.

Der Kanton Zürich verliert Unternehmen

Grafik: Avenir Suisse
Grafik: Avenir Suisse

Insgesamt erscheint laut Bonato in der Nettobetrachtung der Kanton Wallis für einen Standortwechsel am attraktivsten. Auch den Kantonen Thurgau und Appenzell-Ausserrhoden gelingt es überdurchschnittlich, Unternehmen anzuziehen. Vergleicht man diese Wanderungsbewegungen mit den kantonalen Gewinnsteuersätzen, kommt das Institut CRIF – mit Ausnahme des Kantons Wallis – zum klaren Schluss: Die attraktivsten Umzugsziele verfügen über die tiefsten Gewinnsteuersätze.

Steuern entscheiden mit

Das schlechte Abschneiden des Kantons Zürich komme somit nicht von ungefähr, meint Bonato. Vergleiche man die Einkommenssteuersätze zwischen den Kantonen, so finde man im Kanton Zürich den sechsthöchsten, bei den Gewinnsteuersätzen gar den zweithöchsten der Schweiz. "Die Rahmenbedingungen sind heute für Vermögende und viele Unternehmen in anderen Kantonen – zumindest steuerlich – wesentlich attraktiver als im Kanton Zürich", hält der Senior Researcher von Avenir Suisse fest. Die Bewegungen seien gemessen am Gesamtbestand der ansässigen Unternehmen zwar relativ geringfügig, die Aussage über den Trend gebe jedoch Anlass zur Sorge. Umso mehr, wenn man bedenke, dass der Kanton Zürich bei der Anzahl Neugründungen ebenfalls unterdurchschnittlich abschneide.

Kanton Zürich bei Steuern im hinteren Drittel

Kostenumfeld lastet auf Geschäftserfolg

Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Rahmenbedingungen im Kanton Zürich optimiert werden sollten, liefert laut Bonato das Kostenumfeld, das unter anderem das Lohnniveau, die Energiepreise, aber auch Patentboxen oder Steuersätze enthält. Im vorliegenden Kontext sind insbesondere letztere relevant. Wie eine Studie der UBS aufzeigt, findet sich der Kanton Zürich bezüglich Kostenumfeld auf dem zweitletzten Platz – knapp vor dem Kanton Bern und weit hinter dem drittletztplatzierten Kanton Genf. Grösster unmittelbarer Hebel für die Verbesserung des Kostenumfelds wäre eine Anpassung des Steuerfusses.

Geschäften in den Kantonen Bern und Zürich am unrentabelsten

"Das Kantonsparlament hat bereits die richtige Richtung identifiziert und ein Schrittchen getan. Eine Steuerfusssenkung von einem Prozent wurde umgesetzt. Ebenso erkennt der Zürcher Regierungsrat die Zeichen der Zeit und plant 2024 eine weitere Steuersenkung von zwei Prozent. Ob dies genügt, um die Standortattraktivität wesentlich zu verbessern, ist zu bezweifeln", kommentiert Bonato. Unter den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Kantonsrat sei jedoch kaum mehr zu erwarten. Eine spürbare Steuersenkung sei neben liberalen, marktnahen Reformen unumgänglich.

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