20.12.2024, 10:37 Uhr
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Aus der Krise der Credit Suisse und der von den Behörden erzwungenen Notfusion der Grossbank mit der UBS sollen Lehren gezogen werden. Dieser Ansicht ist die parlamentarische Untersuchungskommission. Sie hat ihren über 500-seitigen Bericht zur Notfusion und deren Vorgeschichte öffentlich vorgestellt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.
Die parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) untersuchte die rund zehn letzten Jahre der Credit Suisse (CS), also den Zeitraum ab 2015 und bis zum Abschluss der Zwangsfusion mit der UBS im Juni 2023. Als Organ der parlamentarischen Oberaufsicht hatte die PUK den Auftrag, die Geschäftsführung der Bundesbehörden unter die Lupe zu nehmen. Die Geschäftsführung der CS gehörte nicht zu ihrem Auftrag. Eingesetzt wurde die PUK im Juni 2023.
Es waren laut PUK das «jahrelange Missmanagement» der CS-Führung und verschiedene Skandale (unter anderem Beihilfe zur Steuerhinterziehung, Geldwäscherei, Beschattungsaffäre) in der Geschäftsführung der Bank, welche in Kombination mit schlechten Geschäftsergebnissen und gleichzeitig hohen variablen Vergütungen für das Topmanagement für den Vertrauensverlust an den Märkten sorgten. Spätestens ab Sommer 2022 sei die CS in eine zunehmend bedrohliche Schieflage geraten, bis sie dann Mitte März 2023 kurz vor der Abwicklung gestanden habe. Der Beinahekollaps der CS und die daraus resultierende Notfusion mit der UBS ist nach Ansicht der PUK auf eine «selbstverschuldete» Krise der Bank zurückzuführen.
Nicht so gut. Die PUK spricht von einer «grundsätzlichen Renitenz» gegenüber der Aufsichtstätigkeit der Finanzmarktaufsicht (Finma). Trotz zahlreicher Interventionen und insbesondere auch verschiedener Enforcementverfahren habe die CS hinsichtlich der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen «keine nachhaltigen Fortschritte» erzielt. Selbst im Spätherbst 2022, als die Probleme der CS nicht mehr zu verkennen waren, habe sich das Bankmanagement «teilweise vehement» gegen Anweisungen der Finma gewehrt.
Die Leistungsprämien an die Management-Ebene der CS beliefen sich laut Berechnungen der PUK zwischen 2010 und 2022 auf insgesamt 39,8 Milliarden Franken. Gleichzeitig habe die Bank in diesen Jahren einen Gesamtverlust von 33,7 Milliarden Franken ausgewiesen.
Die Finma gewährte der CS ab 2017 umfassende Erleichterungen bezüglich der Eigenmittelanforderungen in Form eines sogenannten «regulatorischen Filters». Diese Erleichterungen waren laut PUK die Voraussetzung, dass die CS der Einführung neuer Rechnungslegungsvorschriften in Bezug auf die Beteiligungen des Stammhauses zustimmte. Der «regulatorische Filter» ermöglichte es, die Änderung der Vorschriften zu «neutralisieren», und er wurde Teil der regulatorischen Eigenmittel.
Der «regulatorische Filter» überdeckte im Urteil der PUK die reale Lage des Stammhauses. Ohne diesen «regulatorischen Filter» sei die ausgewiesene Eigenmittelquote bereits Ende 2019 auf und im dritten Quartal 2022 bereits deutlich unter das regulatorische Minimum gefallen. Wegen der Erleichterungen sei die Bank nicht gezwungen gewesen, ihre Kapitalsituation zu stärken, als dies unter Umständen noch einfacher möglich gewesen wäre.
Die PUK kritisiert an der «Too big to fail»-Gesetzgebung (TBTF), dass Bundesrat und Parlament insbesondere in der Zeit ab 2015 den Anliegen der Bankinstitute bei der Umsetzung der internationalen Standards wie Basel III zu stark entgegenkommen sei. So habe der Bundesrat verschiedentlich Übergangsfristen verlängert oder eine Übernahme internationaler Standards verzögert. Gleichzeitig hat er nach Ansicht der PUK auch auf einen «Aussenblick» verzichtet, was zu einem lückenhaften Vergleich mit den internationalen Standards führte.
Die PUK stellt fest, dass die Finma ihre Erwartungen gegenüber der CS regelmässig schriftlich kommuniziert hat. Gewisse Forderungen habe sie dabei jahrelang wiederholen müssen. Aber: Die Finma griff nach Einschätzung der Kommission zu selten auf das Instrument «formelle Verfügung» zurück. Die Finma hat laut der PUK ihre Aufsichtstätigkeit zwar «intensiv ausgeübt». Trotz zahlreicher Enforcementverfahren und entsprechender Warnungen der Finma habe die CS aber «Skandal an Skandal» gereiht. Entsprechend «bedauert» die PUK die teilweise fehlende Wirksamkeit der Aufsichtstätigkeit. Kritisch sieht sie besonders auch die von der Finma gewährten Eigenmittelerleichterungen.
Als sich im Herbst 2022 und dann im Frühjahr 2023 die CS-Krise akzentuierte, fehlten den Schweizer Behörden laut PUK wichtige Instrumente, über die andere Rechtsordnungen bereits seit einigen Jahren verfügten. Vor allem ins Gewicht fiel, dass der Bundesrat bei der Einführung einer staatlichen Liquiditätssicherung für systemrelevante Banken (Public Liquidity Backstop, PLB) zu zögerlich war. Der PLB musste während der CS-Krise per Notrecht eingeführt werden.
Für die PUK war die SNB bei der Ausübung ihrer Rolle als Kreditgeberin in letzter Instanz zu vorsichtig. So habe die CS zwischen Oktober und Dezember 2022 trotz der hohen Geldabzüge dreimal darauf verzichtet, von der SNB Notfallliquidität (Emergency Liquidity Assistance, ELA) zu beziehen. Allerdings könne die SNB die Banken vom Gesetz her nicht verpflichten, Vorkehrungen im Hinblick auf eine ELA zu treffen, räumt die PUK ein. Die Nationalbank sei daher auf die Mitarbeit der Bank angewiesen.
Weder die SNB noch die Finma befanden es laut der PUK nach einem Austausch im Mai 2022 - also knapp ein Jahr vor der Notfusion - für opportun, die politischen Behörden in Kenntnis zu setzen. Angesichts der Tragweite der Krise einer Grossbank zeuge dies von mangelnder Sensibilität. Zudem kritisiert die PUK die nicht formalisierten «Non-Meetings» des damaligen Finanzministers Ueli Maurer und des SNB-Präsidenten Thomas Jordan.
Der Ende 2022 zurückgetretene Finanzminister Ueli Maurer und der frühere Nationalbank-Präsident Thomas Jordan initiierten nicht formalisierte Non-Meetings, laut PUK ein Parallelformat zur bestehenden Krisenorganisation der Behörden. Vom 16. Oktober bis zum 29. Dezember 2022 fanden fünf Treffen mit dem Verwaltungsratspräsidenten der CS und eines mit dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS statt. Dass die Finma nicht immer vertreten war, wurde damit erklärt, dass dadurch Gespräche möglich geworden seien, die nicht durch die belastete Aufsichtsbeziehung zwischen Finma und CS beeinflusst worden seien. Solche Treffen seien zulässig, und es seien keine bindenden Beschlüsse gefasst worden, schreibt die PUK. Ihr stellt sich aber die Frage, ob sie in Bezug auf die Informationsweitergabe an die Krisenorgane zweckmässig waren.
Der Ende 2022 zurückgetretene Finanzminister Ueli Maurer informierte den Gesamtbundesrat ausschliesslich mündlich und verzichtete konsequent auf schriftliche Unterlagen. Für die PUK ist das nicht nachvollziehbar. Maurer begründete sein Vorgehen gegenüber der PUK mit dem fehlenden Vertrauen in Bezug auf Indiskretionen. Er teilte nur wenige Informationen mit dem Gesamtbundesrat. Damit kam er nach Einschätzung der PUK seiner gesetzlichen Informationspflicht nicht vollständig nach. Die PUK fragt sich auch, weshalb die sechs anderen Regierungsmitglieder nicht nachfragten. Unter Karin Keller-Sutter habe sich die Information in der Regierung ab 2023 verbessert.
In den Augen der PUK funktionierte die Amtsübergabe von Ueli Maurer an seine Nachfolgerin Karin Keller-Sutter nicht optimal. Bei der Übergabe der Akten am 19. Dezember 2022 sei klar gewesen, dass es sich beim CS-Dossier um ein zentrales Dossier handelte. Dennoch habe Maurer Keller-Sutter keine schriftlichen Informationen zur CS gegeben. Er habe offenbar die Bedeutung der rechtzeitigen Vorbereitung seiner Nachfolgerin in einem risikobehafteten Dossier unterschätzt, schrieb die PUK in ihrem Bericht. Die PUK spricht von einem Versäumnis: Die Departementsübergabe habe beim CS-Dossier ungenügend funktioniert.
Die PUK begrüsst, dass die Behörden mehrere Optionen neben der schlussendlich erfolgten Übernahme durch die Konkurrentin UBS vorbereitet hatten. So war auch eine Abwicklung der Credit Suisse gemäss TBTF-Regeln vorbereitet worden. Ebenfalls eine Option stellte eine vorübergehende Verstaatlichung dar. Die gewählte Lösung der CS-Übernahme sei angesichts der Umstände «angemessen» gewesen.
In den Augen der PUK hat die Zusammenarbeit der Behörden nicht optimal funktioniert, und ebenso wenig der Einbezug des Gesamtbundesrates in die Bewältigung der CS-Krise. Sie verlangt Verbesserungen beim Informationsaustausch, beim Risikomanagement und bei der Krisen-Früherkennung. Bei künftigen Regulierungen müsse beachtet werden, dass die UBS die einzige global systemrelevante Bank der Schweiz sei.
Die PUK hat an 45 Sitzungen 79 Personen schriftlich oder mündlich befragt, darunter alle amtierenden und mehrere frühere Mitglieder des Bundesrates. Von der CS kamen die ehemaligen CEOs Tidjane Thiam, Thomas Gottstein und Ulrich Körner zur Anhörung sowie die ehemaligen VR-Präsidenten Urs Rohner, Antonio Horta-Osorio und Axel Lehmann. Von der UBS wurden waren unter anderen CEO Sergio Ermotti sowie Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher von der PUK geladen. Weiter angehört wurden Vertreter der Finanzmarktaufsicht Finma, der Eidgenössischen Finanzverwaltung, des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen, der Schweizerischen Nationalbank und der Revisionsaufsichtsbehörde sowie des Staatssekretariats für Wirtschaft und des Bundesamtes für Justiz. Zudem forderte die PUK von den Behörden Unterlagen ein.
Die PUK richtet zwanzig Empfehlungen an den Bundesrat; dieser hat bis zur Frühjahrssession 2025 Zeit, zum Bericht Stellung zu nehmen. Im März 2025 soll das Parlament den Bericht beraten. Auch hat die PUK zehn parlamentarische Vorstösse eingereicht, zu denen der Bundesrat nun Stellung nehmen muss. Die PUK fordert Lehren aus der Bewältigung der CS-Krise. Denn schon zum zweiten Mal habe der Staat die Abwicklung einer systemrelevanten Bank verhindern müssen. Die Schweiz habe mit der UBS nur noch eine global systemrelevante Bank. Diese sei im Vergleich zum Bruttoinlandprodukt um ein Vielfaches grösser als andere Finanzinstitute in ihren Sitzstaaten.