23.12.2024, 14:23 Uhr
In eigener Sache: 2024 war nicht nur an den Börsen ein erfolgreiches Anlagejahr mit neuen Rekordständen. Auch Investrends hat mit weit über 2000 publizierten Beiträgen eine neue Höchstmarke erreicht und wird im...
Die westlichen Industrieländer haben einen Berg an Staatsschulden angehäuft. Schätzungen der OECD zufolge wird der öffentliche Schuldenstand im Verhältnis zum BIP im Durchschnitt der OECD im Jahr 2011 über 100% liegen. Als einer der heissesten Kandidaten für einen Staatsbankrott gilt Griechenland. Kann das Land den Kopf noch aus der Schlinge ziehen? Dr. Daniel Hartmann, Senior Economist beim Anleihenmanager Bantleon mit Sitz in Zug, gibt eine Einschätzung im Interview.
|
Herr Dr. Hartmann, wie ist die aktuelle Situation Griechenlands aus volkswirtschaftlicher Sicht zu beurteilen?
Dr. Daniel Hartmann: Problematisch an der Situation Griechenlands und anderer Industrieländer ist insbesondere der sprunghafte Anstieg der Schuldenquoten. So hat zum Beispiel die EU-Kommission in der vergangenen Herbstprognose Griechenland im Jahr 2020 eine Defizitquote von 200 % prophezeit, sollte sich an der Fiskalpolitik nichts ändern. Das Gefährliche daran ist, dass parallel zur Schulden- auch die Zinslastquote anschwillt, also ein wachsender Anteil der Staatseinnahmen wird für den Zinsendienst verwendet, was irgendwann den fiskalpolitischen Handlungsspielraum zum Erliegen bringt. Für den künftigen Erfolg der Budgetkonsolidierung ist entscheidend, dass Griechenland einen primären Budgetüberschuss erreicht, das Zinsniveau moderat und das Wachstum möglichst hoch ausfällt.
Reichen die bereits beschlossenen Massnahmen aus?
Das Fiskalpaket stellt einen ersten seriösen Schritt in Richtung Fiskalkonsolidierung dar. Die Massnahmen sind mittlerweile so umfangreich, dass auch bei einem spürbar schrumpfenden BIP das Planziel erreicht werden kann. Zudem sind wir hinsichtlich des Vollzugs zuversichtlich. Die meisten Steuererhöhungen sind bereits in Kraft getreten, etwa die Mehrwertsteuererhöhung, und zur Durchsetzung des restlichen Budgetplans hat die Regierung eine ausreichende parlamentarische Mehrheit. Die erste Etappe des Konsolidierungsplans sollte daher erreicht werden. Anders sieht es in den kommenden drei Jahren aus. Die Regierung setzt hier stark auf eine Konsolidierung über das Wirtschaftswachstum. Den vom griechischen Finanzministerium unterstellten Konjunkturausblick mit 1,5 % bis 2,5 % Wachstum p. a. halten wir jedoch für zu optimistisch. Wir erwarten vielmehr, dass die griechische Exportwirtschaft im laufenden und den kommenden Jahren aufgrund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit nur unterdurchschnittlich an der weltwirtschaftlichen Erholung partizipiert und die Konsum- neben der Staatsnachfrage zu einem permanenten Belastungsfaktor avanciert. Deshalb gehen wir davon aus, dass das BIP 2010 deutlich schrumpft und danach für zwei Jahre stagniert. Um die Ziele des Defizitabbaus 2011 bis 2013 einzuhalten, wird der Regierung somit nichts anderes übrigbleiben, als weitere Grausamkeiten wie Steuererhöhungen und Lohnkürzungen zu beschliessen. Angesichts der bereits erbrachten Opfer werden die nächsten Sparrunden jedoch kaum den Umfang dieses Jahres erreichen. Damit zieht sich der Konsolidierungsprozess in die Länge und die Regierung wird ihren Zeitplan ab 2011 nicht einhalten können.
Wie lange wird die Konsolidierung des griechischen Haushalts dauern?
Wir sind zuversichtlich, dass die griechische Regierung ihr Budgetziel im ersten Jahr erreicht. Danach wird sich die Konsolidierung jedoch in die Länge ziehen, weil vom nominalen Wirtschaftswachstum so gut wie keine Unterstützung ausgeht. Die Regierung ist deshalb gezwungen, weitere Sparpakete zu beschliessen, die indes im Umfang deutlich kleiner ausfallen werden als im Jahr 2010. Wir gehen davon aus, dass der Konsolidierungsprozess etwa doppelt so lang dauert wie bislang unterstellt, also sieben bis acht statt vier Jahre, und erst ab dem Jahr 2016 die Schuldenstandsquote wieder zu sinken beginnt. (mak)