"Tiefe Zinsen schmerzen mehr als volatile Aktienmärkte"

Die starken Kursschwankungen an den Aktienmärkten schütteln die Anleger durch. (Bild: Shutterstock.com)
Die starken Kursschwankungen an den Aktienmärkten schütteln die Anleger durch. (Bild: Shutterstock.com)

Der Einbruch der Aktienkurse nach den düsteren Aussichten von Fed-Präsident Jerome Powell für die Wirtschaft brachte laut Thomas Stucki von der St.Galler Kantonalbank die Erkenntnis an die Aktienmärkte zurück, dass die Krise noch nicht vorbei ist.

15.06.2020, 14:58 Uhr

Redaktion: rem

"Die starken Kursschwankungen an den Aktienmärkten schütteln die Anleger durch. Das gilt vor allem für Anleger wie die Pensionskassen, die an bestimmten Stichtagen über ihre Vermögensverhältnisse Rechenschaft ablegen müssen", sagt Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank. Falle dieser Stichtag auf eine Phase mit schlechten Aktienmärkten, müssten unter Umständen Sanierungsmassnahmen beschlossen werden, die drei Monate später bei wieder höheren Aktienkursen nicht nötig wären. Als Konsequenz davon würden sich viele Pensionskassen davor scheuen, einen hohen Anteil an Aktien in ihren Portfolios zu halten. "In den nächsten Jahren werden sie jedoch nicht darum herumkommen, ihre Aktienquote zu erhöhen", so Stucki.

Der Leitzins der SNB wird auf Jahre hinaus bei -0.75% verharren

Die Fed hat bekräftigt, dass sie ihre Zinsen noch lange auf dem aktuellen Niveau von 0.00%-0.25% halten will. Sie will die Zinsen erst anheben, wenn die Arbeitslosenrate wieder auf ein tiefes Niveau gefallen ist. Nach der Finanzkrise wartete die Fed, bis die Arbeitslosenrate gegen 5% gesunken war. Dies dauerte sechs Jahre und es sei unwahrscheinlich, dass es nach der Corona-Rezession viel schneller gehen werde, meint Stucki und fügt an: "Bevor die Fed die Zinsen anhebt, sind Zinserhöhungen für die EZB und damit auch für die SNB kein Thema. Der Leitzins der SNB wird damit auf Jahre hinaus bei -0.75% verharren." Das bedeute, dass mit Obligationen während dieser Zeit kein Ertrag erzielt werden kann. Der Beitrag des sicheren und stabilisierenden Teils des Portfolios zur Erzielung der notwendigen Anlagerendite falle also weg.

Damit werde jedoch eine der Grundlagen für die Erfüllung der Rentenverpflichtungen der Pensionskassen weiter geschwächt. Die für die Finanzierung der zukünftigen Renten notwendige Anlagerendite auf dem Kapital könne nicht mehr mit den Zinserträgen risikoarmer Anlagen erzielt werden. "Die Pensionskassen werden gezwungen sein, entweder den technischen Zinssatz zu senken oder das Risiko bei den Anlagen zu erhöhen", sagt Stucki.

Viele Pensionskassen nach Alternativen zu Aktien

Den technischen Zins zu senken bedeute aber tiefere zukünftige Renten für die aktiven Versicherten und eine irgendwie zu deckende Finanzierungslücke für die laufenden Renten. Der Anreiz, mit mehr Risiko eine höhere Rendite im Portfolio anzustreben, werde daher grösser, je länger die Zinsen tief bleiben. "Dabei ist am sinnvollsten, das zusätzliche Risiko über eine Erhöhung der Aktienquote vorzunehmen", betont der CIO der St. Galler Kantonalbank. Über einen längeren Horizont sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass mit einem breit diversifizierten Aktienportfolio auch ein Mehrertrag erzielt werden könne.

Die Angst vor den offensichtlich volatilen Aktien lasse aber viele Pensionskassen nach Alternativen suchen, die eine Mehrrendite versprechen. High Yield Anleihen, nachrangige Anleihen, Privatdarlehen im Ausland oder Investitionen in ausländischen Infrastrukturprojekten seien beliebte Beispiele solcher Ausweichpositionen. Allen sei gemeinsam, dass die angebotenen Anlageprodukte häufig intransparent seien, die versprochenen Renditen meistens nicht lieferten und trotzdem teuer seien. In schlechten Börsenzeiten führe die mangelnde Liquidität dieser Produkte zudem oft zu starken Kursverlusten. "Es ist daher besser, die Schwankungen bei den Aktien in Kauf zu nehmen und zu wissen, warum die eigene Anlagerendite negativ oder positiv ist", so Stucki.

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