20.12.2024, 14:24 Uhr
Das neue Diätmittel CagriSema von Novo Nordisk ist zwar besser als das alte Mittel, aber nicht besser als die Konkurrenz. Das führt zu einem Kurssturz weil mehr erwartet worden war.
Technologietitel klettern von Höchst zu Höchst. Die Bewertungen können helfen, einen attraktiven Einstiegszeitpunkt zu finden, sind aber nur bedingt geeignet, die Unternehmensqualität zu messen. "Günstig kaufen ist im Technologiesektor nicht unbedingt eine gute Strategie, es geht um Qualität", betont Jeremy Gleeson, Portfoliomanager Digital Economy von Axa Investment Managers.
Die Kurse von Technologieaktien sind seit Beginn der Pandemie in die Höhe geschossen. Die Produkte und Dienstleistungen dieser Unternehmen ermöglichen die Anpassung an neue Lebensweisen im Pandemieumfeld. Sie haben die globale Vernetzung beschleunigt und die Tech-Indizes weltweit von Höchst zu Höchst getrieben. Das hat die Sorge geweckt, der Sektor sei überhitzt und überbewertet.
Die Märkte haben bei Ausbruch der Pandemie zwar heftige Rückschläge erlitten, aber Tech-Investoren konnten sich schon bald darauf über erhebliche Gewinne freuen. Im Jahr 2020 erzielte der Nasdaq eine atemberaubende Rendite von 45%, während der breiter gefasste S&P 500 respektable 18% avancierte. Seit Anfang 2021 haben die beiden Indizes um 20 bzw. 22% zugelegt.
Der Höhenflug der Technologiewerte bedeutet, dass die relative Bewertung gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des S&P 500 IT-Indexes beispielsweise um 27,5% höher ist als diejenige des breiten S&P-Indexes. Allerdings waren Technologieaktien schon immer tendenziell höher bewertet als Titel von Unternehmen traditionellerer Sektoren. "In vielen Fällen dürften die KGV das zusätzliche Wachstumspotenzial von Technologieunternehmen aber immer noch nicht vollständig spiegeln", meint der Digital-Economy-Spezialist von Axa Investment Managers (Axa IM).
Qualität zum richtigen Preis
"In der Technologiebranche sind die Bewertungen nur ein Teil der Geschichte", führt er weiter aus. Qualitativ hochwertiges Wachstum zieht in der Regel einen Aufschlag nach sich, den Investierende bezahlen müssen, wenn sie am langfristigen Potenzial des Sektors partizipieren wollen. Ist eine neue Technologie für den kommerziellen Einsatz bereit, spreche sie oft einen viel grösseren Markt an als ursprünglich angenommen: "Der Hauptgrund für das Zahlen eines Aufpreises ist der «Zinseszins-Effekt» des Wachstums."
Portfoliomanager Jeremy Gleeson rechnet vor: Ein Unternehmen, das beispielsweise ein Quartalswachstum von 10% aufweist, erzielt somit ein erwartetes jährliches Wachstum von rund 45%. Wächst es aber 11% pro Quartal – also nur wenig mehr als erwartet –, entspricht dies einem jährlichen Wachstum von rund 52%. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis sieht plötzlich ganz anders aus.
Investorinnen und Investoren sollten sich auf Unternehmen mit einem erheblichen langfristigen Potenzial konzentrieren, empfiehlt Gleeson. Viele Technologieunternehmen hätten in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage sind, Meilensteine nicht nur zu erreichen, sondern zu übertreffen – "und sie werden dies auch weiterhin tun."
Mehr Umsatz, mehr Gewinn
Der Tech-Gigant Alphabet (Google) ist seit 2004 börsennotiert, aber das Unternehmen wächst in vielerlei Hinsicht immer noch wie ein Start-up. Die aktuelle Situation kann nicht mit der Dotcom-Blase 1999 verglichen werden, als viele Technologieunternehmen Bewertungen erreichten, die mangels Einnahmen und Kunden völlig unrealistisch waren, schiebt Gleeson nach. Heute weisen Technologieunternehmen realen Umsatz, Gewinne und Kunden auf, sie erwirtschaften einen starken Cashflow, und viele könnten noch in sehr grosse weitere Märkte expandieren.
Die jüngsten Quartalsberichte zeigen, wie robust der Sektor ist. Alphabet gab bekannt, dass die Werbeeinnahmen von Google im zweiten Quartal 2021 um 69% auf 50,44 Mrd. Dollar stiegen. Amazon meldete eine Steigerung des Nettoumsatzes um 27% auf 113,1 Mrd. Dollar; Microsoft erhöhte den Umsatz um 21% auf 46,2 Mrd. Dollar. Facebook und Apple verzeichneten einen um 56% (29 Mrd. Dollar) respektive 36% (81,4 Mrd. Dollar) höheren Quartalsumsatz und Apples Gewinn verdoppelte sich fast (alle Zahlen im Vergleich zur Vorjahresperiode).
Die digitale Transformation hat erst begonnen
Die Ausgaben von Unternehmen für Cloud-Infrastrukturen sind in den letzten Jahren besonders schnell gewachsen. Nach Angaben von McKinsey & Co. haben die drei grössten Cloud-Service-Anbieter im Jahr 2020 zusammen einen Umsatz von 100 Mrd. Dollar erzielt – und das ist erst der Anfang. "Der Sektor bietet nach wie vor eine Fülle von Möglichkeiten", ist Portfoliomanager Gleeson überzeugt.
Nach Ausbruch der Pandemie sind die Ausgaben für Technologien, die es den Unternehmen ermöglichen, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten – wie das Einrichten von Home-Office-Arbeitsplätzen – in die Höhe geschnellt. Viele längerfristige digitale Projekte, die zurückgestellt wurden, werden jetzt in Angriff genommen.
Im Finanzsektor beispielsweise gibt es viele (regionale) Banken, die erst ungenügende digitale Dienstleistungen anbieten. "Sie müssen in Sachen digitaler Transformation noch markante Fortschritte machen, wenn sie die Bedürfnisse jüngerer Kundinnen und Kunden befriedigen und Marktanteile nicht an neue, digitale und agile Konkurrenten abtreten wollen", betont Gleeson.
Bewertung vs. langfristiges Potenzial
Wer ein teuer bewertetes Technologieunternehmen finden will, muss nicht lange suchen. Viele der hohen Bewertungen sind gerechtfertigt, andere jedoch weniger. Genauso einfach sind aber auch günstig bewertete Technologietitel zu finden, die im Laufe der Jahre schlechte Renditen erzielt haben. Der Digital-Portfoliomanager von Axa IM betont: "Günstig kaufen ist im Technologiesektor nicht unbedingt eine gute Strategie, denn es geht um Qualität."
Bewertungen könnten helfen, einen attraktiven Einstiegszeitpunkt zu finden, "aber sie sind nur bedingt geeignet, die Unternehmensqualität für sich zu messen." Es sei wichtig, alle Informationen zum Wachstum einer Gesellschaft zu analysieren – von Qualität und Nachhaltigkeit bis zur Hebelwirkung, die ein Unternehmen erzielen kann.
Der Technologiesektor ist starken «Modetrends» ausgesetzt, die Bewertungen können ebenso schnell steigen wie fallen. Doch zurzeit berge er für Anlegerinnen und Anleger, die nach langfristigen Gewinnern suchen, viele Chancen – "auch wenn solche Titel zurzeit mit einem Aufschlag gehandelt werden", folgert Tech-Experte Gleeson.