23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Die Kommunikation der Notenbanken ist jeweils ein Balanceakt. Für die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag kommender Woche gilt dies besonders. Welche Renditeniveaus sind günstig und welche sind es in Zukunft? DWS und Aberdeen blicken voraus.
Steigende Rohstoffnotierungen, eine höhere Inflationsrate in der Eurozone als erwartet und die Frage, ob das US-Fiskalpaket letztlich die Inflation antreibt, haben zu einem Anstieg der Nominalrenditen geführt und damit Sorgenfalten auf die Stirn des EZB-Rats getrieben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt günstige Finanzierungsbedingungen mit dem Ziel an, eine Inflationsrate von unter, aber nahe zwei Prozent zu erreichen. Mittlerweile wissen wir, dass die Finanzierungsbedingungen ein breites Spektrum umfassen wie Kreditzinsen, aber auch die OIS-Zinskurve (overnight index swap curve) und die BIP-gewichtete Staatsanleihekurve, wobei letztere wiederum auch die Grundlage für die Preisbildung für Kredite an Unternehmen und Haushalte sind. Wenn aber der Renditeanstieg um 30 Basispunkte bei zehnjährigen Bundesanleihen bereits eine Flut von verbalen Interventionen auslöst, ist Klärung gefragt, betont DWS in ihrem Ausblick auf die EZB-Sitzung von nächster Woche.
DWS rechnet damit, dass EZB-Präsidentin Christine Lagarde erstens die Flexibilität des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) betonen wird – vor allem mit Blick auf eine mögliche Aufstockung, falls es zukünftig notwendig sein sollte. "Dies ist bereits Teil des Eingangsstatements und könnte noch stärker fokussiert werden, um mit Nachdruck den Willen der EZB zu demonstrieren, günstige Finanzierungsbedingungen beizubehalten", schreibt das Institut.
Zweitens dürfte Lagarde den hohen Grad wirtschaftlicher Unsicherheit betonen, was sich in den Projektionen zu Wachstum und Inflation widerspiegeln wird. Drittens, auch wenn die EZB keine explizite Kontrolle der Renditekurve wie in Japan offiziell verfolgt, dürften die Fragen doch um die Definition kreisen, welche Renditeniveaus aktuell noch "günstig" sind und zukünftig günstig sein werden.
Insgesamt rechnet DWS mit deutlichen verbalen Interventionen. Das PEPP sei gross genug und so flexibel konzipiert, dass es auch höhere wöchentliche Ankäufe verkraften könne, ohne rasch schnell an Grenzen zu stossen. Eine Aufstockung oder Neukalibrierung sei deshalb nicht zu erwarten. Der kommunikative Balanceakt der EZB werde sein, das zu verdeutlichen und gleichzeitig die Renditen in Schach zu halten.
Paul Diggle, Senior Economist, Aberdeen Standard Investments, erklärt im Vorfeld der EZB-Sitzung: "Eines ist klar. Die Verkaufswelle am globalen Anleihemarkt wird das beherrschende Thema der Sitzung sein. Aber vor allem wird es darum gehen, was die EZB dem Ausverkauf entgegenzusetzen hat."
Die durchschnittliche Rendite von 10-jährigen Anleihen der Eurozone ist seit dem letzten Jahr um ungefähr 30 Basispunkte gestiegen. Das ist zwar im Vergleich zum Ausverkauf an den US-Anleihemärkten ein wesentlich geringerer Anstieg, aber gerade in der derzeitigen frühen Phase der wirtschaftlichen Erholung keine gute Entwicklung, meint Diggle. Es überrasche daher nicht, dass es im Vorfeld der kommenden Sitzung schon einige verbale Hinweise von Mitgliedern des EZB-Rates darauf gab, dass die Bewegungen am Anleihemarkt nicht begrüsst werden.
Anleger sollten sich auf ähnliche Äusserungen an der kommenden Pressekonferenz einstellen. EZB-Chefin Lagarde könnte sogar schon die nächsten Schritte skizzieren, die die EZB möglicherweise anstrengen wird, um die günstigen Finanzierungsbedingungen aufrechtzuerhalten. "Dies schliesst eine mögliche Ausweitung der Anleihekäufe im Rahmen der quantitativen Lockerung mit ein," schätzt der Aberdeen-Ökonom.
Gleichzeitig wird die EZB ihre neuesten wirtschaftlichen Prognosen veröffentlichen. "Diese werden einen starken Anstieg der Inflation auf kurze Sicht zeigen, die sich dann wieder zurückbildet. Damit dürfte die EZB ihre Inflationsziele für die Jahre 2022 und 2023 nicht erreichen. Ein solcher prognostizierter Inflationsverlauf dürfte die geldpolitische lockere Haltung der EZB untermauern und für zukünftige weitere Lockerungen den Ausschlag geben. Für Investoren bedeute dies, dass die Renditen von Anleihen der Eurozone gut verankert bleiben dürften, auch wenn sie in den USA weiter steigen.