02.12.2024, 10:49 Uhr
«Europa steht wirtschaftlich unter Druck und muss seine Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen globalen Wirtschaftsmächten – insbesondere den USA – verbessern», heisst es im neuesten Marktausblick des...
Während die Weltwirtschaft auf eine strukturelle und konjunkturelle Abschwächung zusteuert, ist die Attraktivität von festverzinslichen Wertpapieren und teilweise auch von Kreditpapieren in den Augen von Sébastien Galy von Nordea Asset Management offensichtlich.
Im Ausblick für das vierte Quartal 2019 sieht Nordea Asset Management Opportunitäten in der europäischen Peripherie, im europäischen Kreditgeschäft (einschliesslich der hochsicheren Pfandbriefe) und in einigen Finanzschulden. Darüber hinaus ist der Ausblick für Aktien nach zwei Quartalen mit einer leichten Ertragsrezession eher verhalten, während die Lockerungspolitik der Zentralbanken die Abwärtsbewegung begrenzen und letztendlich die Aufwärtsentwicklung unterstützen dürfte. In einem solchen Umfeld seitwärts tendierender Märkte bevorzugt Nordea AM weiterhin widerstandsfähige Portfolios und defensive Aktien wie börsennotierte Immobilien und Infrastrukturtitel als Teil einer breiteren Diversifikation. Absolute Return-Strategien tragen weiterhin dazu bei, das Risiko-Rendite-Profil zu verbessern.
Die Handelsgespräche zwischen den Vereinigten Staaten und China haben eine schwierige Wendung genommen. "Der Prozess der Eskalation und nun der Deeskalation dürfte einige Wochen andauern", schätzt Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management. Angesichts des geringen Wachstums in den Vereinigten Staaten und China sieht der Experte gute Chancen, dass sich beide Präsidenten im zweiten oder dritten Quartal 2020 auf ein mittelmässiges Handelsabkommen verständigen können, gerade noch rechtzeitig, um einen Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahlen im Herbst 2020 zu haben.
Allerdings bestehe immer noch die Möglichkeit, dass sich die Situation verschlimmere, da jeder der beiden Präsidenten seine Glaubwürdigkeit als harter Verhandlungsführer unter Beweis stellen möchte. "Dies würde im ersten Quartal geschehen, und somit noch lange genug vor der Wahl, dass sich Wachstumsschock und Aktienmarktkrise verflüchtigen können. Das Abkommen würde sich wahrscheinlich hauptsächlich auf die Bereiche Landwirtschaft und Industrie konzentrieren. Die Kursschwankungen an den Aktienmärkten rund um dieses Thema dürften auch in den kommenden Monaten anhalten", meint Galy. Die Schwellenländer würden sich dabei am stärksten entwickeln. Die Marktchancen sieht er eher bei festverzinslichen Wertpapieren als bei Aktien.
Die Weltwirtschaft verlangsamt sich. Galy ortet drei Ursachen, warum sich die Weltwirtschaft verlangsamt. Die erste ist struktureller Natur: Mehrere Schwellenländer nähern sich einem fortgeschrittenen Entwicklungsniveau, in dem sich die Wirtschaft von einem sehr effizienten verarbeitenden Gewerbe in einen weniger effizienten und weitaus höherwertigen Dienstleistungssektor verlagert. Zweitens altert die Bevölkerung flächendeckend, sei es in Japan, Finnland, Italien, Deutschland, aber auch in weiteren Ländern. Dieser Schock erhöht die Sparquote und reduziert umgekehrt den Verbrauch. Der dritte Faktor ist die Technologie.
"Die Suche nach Rendite zwingt Unternehmen in reifen Branchen, Kosten zu senken, was die Nachfrage dämpft. Andererseits bewegt es sie aber auch zu mehr Innovationen. Darüber hinaus ist es bei niedrigen Zinssätzen erheblich leichter, Unternehmen an den Markt zu bringen. Das bedeutet, dass das Tempo des technologischen Fortschritts wahrscheinlich weitaus höher ist, als unsere aktuellen Messungen vermuten lassen. Das Ergebnis davon ist eine niedrige Inflation", erklärt der Makrostratege.
Konjunkturell verlangsamt sich die Weltwirtschaft, getrieben durch eine Bilanzkrise in China und in geringerem Masse in der Eurozone. In China besteht zu viel Kapazität und es fehlt an soliden Bilanzen im Finanzbereich. Daher hat die chinesische Regierung eingegriffen, um den eventuellen Kapazitätsabbau zu verzögern und die Finanzierungsbedingungen zu lockern, obwohl sie sie im überhitzten Immobiliensektor relativ straff hält. "Die Daten aus China mögen fragwürdig sein - das Wachstum dürfte bei 4,2 Prozent liegen und aufgrund des Handelskrieges auf 3,7 Prozent hinsteuern - aber die Behörden sind äusserst glaubwürdig. Letztendlich werden sie die Situation wieder in den Griff bekommen", denkt Galy.
Dieser Wachstumsschock treffe Europa, insbesondere Deutschland, hart und wirke sich auch in den USA aus. Das Ende der Ära des starken Wachstums in den Schwellenländern und ein Handelskrieg hätten den Unternehmenssektor verunsichert. Die Nordea-Experten erwarten aber, dass sich diese übermässigen Ängste wieder abbauen werden.
Die Kombination aus einer strukturellen und konjunturellen Abschwächung sowie in einigen Fällen auch Bilanzsorgen bevorteile festverzinsliche Wertpapiere (und bis zu einem gewissen Grad auch Kreditpapiere) in europäischen Ländern wie Italien und Griechenland. Galy führt weitere Erklärungen dafür an: Einerseits sei die politische Situation in Italien schwierig. Anderseits wachse die italienische Wirtschaft viel zu langsam im Verhältnis zu ihrem steigenden Schuldenstand, was die Schuldendynamik untragbar mache. "Doch die Italiener sparen viel, wie ihre Leistungsbilanzquote im Verhältnis zum BIP von 2,6 Prozent zeigt. Dies gilt auch für die Eurozone insgesamt. Ein erheblicher Teil davon wird in festverzinsliche Anlagen fliessen, wo immer sich Rendite und Sicherheit finden lassen. Wenn man die Unterstützung der EZB hinzuzieht, hat man einen beträchtlichen Carry-Trade in der italienischen Staatsanleihenkurve oder BTPs."
Die Aussichten für den Kreditmarkt erachtet Galy in Europa als attraktiver denn in den USA. In Europa entsprechen die Kreditrisikoprämien in etwa dem historischen Durchschnitt, während der Verschuldungsgrad in der Regel nicht zu hoch ist, wie es bei manchen US-amerikanischen Hochzinsanleihen der Fall sein kann. Aber der Verzicht auf bestimmte Wertpapiere sei in Europa wichtig (z. B. Collateralized Loan Obligations, CLOs). "Einige Unternehmen sind stark von der Konjunkturabschwächung betroffen. Schwellenländer-Schocks und das rasante Tempo des technologischen Wandels werden einigen defensiven Aktien zum Erfolg verhelfen, während andere an Wert verlieren werden. Diese Realität ist in der Eurozone, wo das Wachstum schwach ist und auch weiterhin so bleiben wird, viel akuter als in den Vereinigten Staaten", analysiert der Makrostratege.
Als Beispiel nennt er die Deutsche Bank. Sie reduziert derzeit rapide ihre Bilanz, bestimmte Geschäftsbereiche sowie ihr Personal und hofft, dass ein geringeres IT-Budget ausreichen wird, um die nachlassenden Geschäftsanforderungen zu erfüllen. Den Wettlauf um IT und Wandel werden nur einige Unternehmen gewinnen, nämlich diejenigen, die auf die richtige Wachstumsbranche setzen. UBS zum Beispiel hat eine dominante Position im Wealth-Management-Geschäft und betreibt dieses nach Meinung Galys auch sehr gut. Jedoch entsprechen die Renditen nicht den Erwartungen.
In den USA sind die Aussichten eher gemischt mit teuren, aber attraktiven Investment-Grade-Papieren, da die Federal Reserve einen Lockerungskurs eingeschlagen hat und die niedrig eingestuften Emittenten des Hochzinsanleihenmarktes ihre Schulden abbauen. "Hochzinsanleihen mögen immer noch attraktiv sein, aber sie sollten mit Vorsicht betrachtet werden, da die Befürchtungen einer Rezession wiederkehren könnten, und diesen Sektor mit einem übermässigen Verschuldungsgrad hart treffen, mahnt Galy.