Nochmals eine Notenbankwoche – ist die Zinssenkungsfantasie übertrieben?

Die Zinsen heraufsetzen ist das eine, sie zur richtigen Zeit wieder zu senken das andere, (noch) schwierigere. (Bild: Shutterstock.com/Kenishirotie)
Die Zinsen heraufsetzen ist das eine, sie zur richtigen Zeit wieder zu senken das andere, (noch) schwierigere. (Bild: Shutterstock.com/Kenishirotie)

Die letzten Zinsentscheide der Zentralbanken in diesem Jahr stehen bevor: Am Mittwoch die Fed, am Donnerstag SNB und EZB. Aus den Beurteilungen der geldpolitischen Lage wird man herauslesen wollen, wann die Zinsen wieder sinken, erklärt Thomas Stucki, CIO der St. Galler Kantonalbank, und warnt vor übertriebenen Hoffnungen.

11.12.2023, 18:01 Uhr

Redaktion: hf

«Die erste Etappe ist vorbei, die zweite wird schwieriger», titelt der bekannte Ökonom mit SNB-Vergangenheit in seinem wöchentlichen Marktkommentar. Die Zentralbanker würden davor warnen, dass die Risiken bei der Inflation nach oben und nicht nach unten verteilt sind. Sie würden davon sprechen, dass es noch zu früh sei, um an der Zinspolitik etwas zu ändern und dass man mit Zinssenkungen noch lange zuwarten werde, schreibt Thomas Stucki.

Ob ihnen Finanzmärkte zuhören, sei eine andere Frage, kommentiert der CIO der St. Galler Kantonalbank und verweist auf die an den Märkten eingepreisten Erwartungen von raschen und starken Zinssenkungen. Rasche Zinssenkungen seien nicht nötig und auch nicht wahrscheinlich, so Stucki.

Jetzt folgt die zweite Etappe im Zyklus

Umgekehrt stünden Zinserhöhungen nicht mehr zur Debatte, teilt er den inzwischen einhelligen Konsens. Deshalb lohne sich ein Blick auf die zurück auf die erste Etappe im aktuellen Zinszyklus: «Die Zentralbanken haben die Inflationsgefahr unterschätzt, das ist keine Frage. Die meisten, die jetzt mit dem Finger auf sie zeigen, übrigens auch. Ob die Inflationsraten weniger stark gestiegen wären, wenn die Zinserhöhungen ein Jahr früher angefangen hätten, ist alles andere als sicher», führt Stucki aus.

Und begründet: Der Inflationsschub wurde nicht durch die expansive Geldpolitik der letzten Jahre ausgelöst, sondern durch die in ihrem Ausmass einmaligen Fiskalprogramme der Staaten während der Corona-Pandemie. Diese hätten zur Nachfrage-Explosion nach dem Ende der Lockdowns geführt. Dass diese Nachfrage auf ein durch die Lieferkettenprobleme eingeschränktes Angebot traf, hätte auch durch eine restriktive Geldpolitik nicht verhindert werden können. Das gleiche gelte für den Anstieg der Energiepreise nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine.

Nach dem verschlafenen Start haben die Zentralbanken die Zinsen aber konsequent erhöht: Die US-Zentralbank in sechzehn Monaten um mehr als 5 Prozentpunkte. Das gab es letztmals 1980.

Die SNB hat den Leitzins in einem Jahr um 2.50 Prozentpunkte erhöht, für ihre Verhältnisse viel in kurzer Zeit, fügt Stucki an. Das gehe etwas vergessen, weil der Zins mit 1,75% tiefer ist als bei früheren Zinszyklen. Beim letzten Zinserhöhungszyklus verteilte die SNB die gleiche Zinserhöhung auf drei Jahre. Auch die EZB hat, nach anfänglichem Zögern, kräftig an der Zinsschraube gedreht.

Konsequentes Handeln wirkt

Die restriktive Geldpolitik zeigt Wirkung. Die Konjunktur schwächt sich wie gewünscht ab, ohne dass es bisher zu einem starken Wirtschaftseinbruch geführt hat. Die Ausnahme ist Deutschland, wobei dort weniger die Geldpolitik als die strukturellen Probleme und die Energieabhängigkeit der deutschen Industrie der Treiber sind, beobachtet der Experte. Das Momentum bei der Inflationsentwicklung konnte dagegen gebrochen werden. Die Inflationsraten sind, auch dank Mithilfe wieder tieferer Energiepreise, deutlich gesunken.

«Die erste Etappe des Zinszyklus, der Weg nach oben, hat holprig begonnen, aber ein überzeugendes Ende gefunden», folgert Stucki. Herausfordernd sei die zweite Etappe. Im Unterschied zur Schweiz sind die Zinsen in den USA und in der Eurozone auf einem Niveau, das für die Wirtschaft auf Dauer zu hoch sei. Die Zinsen müssten daher im nächsten Jahr in diesen Regionen nach unten genommen werden, meint auch der CIO der St. Galler KB.

Timing wird noch schwieriger

Die Markterwartungen seien diesbezüglich aber zu hoch, wendet er ein. «Die Erwartungen zu zügeln, ohne dass es zu Verwerfungen an den Finanzmärkten kommt, die sich negativ auf die Realwirtschaft auswirken, ist eine kommunikativ schwierige Aufgabe.»

Wenn es gelinge, die Zinsen rechtzeitig zu senken, bevor die Wirtschaft zu stark gebremst werde, ohne neue Inflationsängste zu wecken, weil die Geldpolitik zu expansiv sei, dann könne man den Zentralbanken auch für die zweite Etappe ein gutes Zeugnis ausstellen.

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