29.11.2024, 13:56 Uhr
«Die Inflation im Euroraum steigt, aber die Daten ermöglichen der EZB einen geldpolitischen Kurswechsel», schreibt Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price in seinem aktuellen Marktkommentar.
Man sollte sich auf eine Wende vorbereiten, aber die Gewinner von gestern werden nicht die Gewinner von morgen sein, schreibt Erik Knutzen, CIO bei Neuberger Berman.
«Anfang 2022 rechneten wir mit einer überraschend hartnäckigen Inflation», schreibt Erik Knutzen, CIO Multi Asset Class bei Neuberger Berman, «wir gingen daher von starken Zinserhöhungen aus, aber auch von einer Seitwärtsbewegung der Langfristrenditen. Wir erwarteten schwaches Wachstum und steigende Arbeitslosigkeit. Einstweilen rechneten wir zwar nicht mit höheren Kreditausfällen, wohl aber mit schwachen Aktienmärkten aufgrund nachlassender Unternehmensgewinne.»
Abgesehen vom unerwartet stabilen Arbeitsmarkt hat sich dieser Konjunkturausblick bis jetzt bestätigt. Aber die Aktienkurse sind nicht eingebrochen. Im Januar hat der MSCI All Country World Index um fast 10% zugelegt, und seit Jahresbeginn liegt er noch immer etwa 3% im Plus.
Der plötzliche Ausbruch von Unsicherheit im Bankensystem sei sowohl ein Signal dafür, dass die Geldpolitik die Finanzbedingungen erheblich gestrafft hat, als auch eine wahrscheinliche Triebfeder für weitere Straffungen. Das könnte die Notenbanken davon überzeugen, dass sie ihre Ziele erreicht haben oder kurz davorstehen. Denkbar ist für Knutzen eine Zinspause oder auch ein Ende der Zinserhöhungen, vor allem, wenn mehr Banken Probleme bekommen.
«Vielleicht war man sich am Aktienmarkt dessen schon lange bewusst, was die Umschichtungen zurück in Technologie-Mega-Caps jedenfalls erklären würde», meint Knutzen und fragt: Haben sich Investoren auf eine erhebliche Straffung der Finanzbedingungen und ein deutlich schwächeres Wirtschaftswachstum vorbereitet, und auf eine anschliessende Wende der Geldpolitik? Könnten jetzt wieder die Aktien vorn liegen, die nach der internationalen Finanzkrise von Negativzinsen und Quantitative Easing profitiert haben? Knutzen hält es für gefährlich, zu sehr daran zu glauben. Natürlich könne man das neue Bank Term Funding Program der Fed als «QE lite» bezeichnen. «Wenn aber jetzt eine Wende ansteht, ist es aus unserer Sicht keine Wende in die Vergangenheit».
Vorbei sind laut Knutzen die Zeiten, als Titel mit langer Duration – amerikanische Technologieaktien und US-Staatsanleihen – von niedriger Inflation, niedrigen Zinsen und einem niedrigen, aber stabilen Wachstum profitierten. Heute sei die Inflation hartnäckiger und strukturell höher, und in den Notenbanken haben meist die Falken die Oberhand.
Bei Aktien sollte man daher vorsichtig bleiben, vor allem, wenn höhere Geldmarkt- und Kurzläuferrenditen für interessante Alternativen sorgen. Wenn eine Wende am Aktienmarkt bevorstehe, dann deshalb, weil die Finanzbedingungen noch straffer werden, das Wachstum nachlässt und Zweifel am Bankensystem aufkommen.
Ein Wendepunkt bedeutet für Knutzen nicht, dass man erst einmal abwarten sollte. An den Börsen sollte man seiner Ansicht nach überlegen, bei welchen Aktienbewertungen und Credit Spreads ein Neueinstieg sinnvoll ist, und rechtzeitig von einer defensiven zu einer neutralen Positionierung wechseln. Im neuen Zyklus hält er eine strukturell höhere Gewichtung der Faktoren Value und Qualität für sinnvoll. Ausserdem scheint ihm eine Diversifikation nach Regionen und Marktkapitalisierungen klüger als der alte Schwerpunkt auf hochkapitalisierten US-Wachstumswerten.
Bei nicht börsennotierten Anlagen, vor allem bei Private Credit und Spezialanlagen, würde er weiter gehen. Hier scheinen ihm jetzt Neuanlagen sinnvoll. Klassische Banken haben schon vor den jüngsten Problemen ihre Kreditstandards gestrafft, und viele ziehen sich jetzt ganz zurück. Für Investoren bedeute das attraktive Renditen und ein gläubigerfreundliches Umfeld.