04.10.2024, 15:09 Uhr
Während aktive ETFs in den USA weiterhin ein Riesenerfolg sind, ist ihr Anteil in Europa mit etwas mehr als 2% des gesamten ETF-Volumens von knapp zwei Billionen Euro noch überschaubar. Doch das Segment wächst...
«Das Thema künstliche Intelligenz begeistert uns ganz besonders. Wir konzentrieren uns auf Unternehmen, die KI-Technologien mithilfe vorhandener Software und Dienstleistungen zu Geld machen können», schreibt David Eiswert, Portfolio Manager bei T. Rowe Price.
Drei bedeutende Überraschungen kennzeichnen laut Eiswert bislang das Jahr 2023. Erstens sorgen die Energiepreise dank des milden Winters in Europa nicht für einen eisigen Gegenwind, sondern für einen angenehmen Rückenwind. Zweitens präsentierte sich Chinas Wirtschaft nach dem Ende der Null-Covid-Politik weniger robust, als die Anleger erwartet hatten. Drittens hat die KI-Welle (künstliche Intelligenz) die Märkte mit voller Wucht erfasst. Die Gewinne von Halbleiterunternehmen stiegen infolge massiver Ausgaben der Internet-Riesen, die unbedingt Teil der KI-Revolution sein und von ihr profitieren wollen. «Für diese dritte Überraschung waren wir gut positioniert», schreibt David Eiswert, Portfolio Manager bei T. Rowe Price.
Was top-down-orientierte Anleger an dem von Covid-19 gekennzeichneten Zyklus am meisten verblüffe, sei der Umstand, dass die Zinserhöhungen der US-Notenbank die Weltwirtschaft nicht nennenswert belastet haben. Zinserhöhungen der Fed sind immer gefährlich, denn sie können synchrone Konjunkturabschwünge auslösen. Sie können zu «schwarzen Enten» – Situationen, in denen unerwartete Krisen drohen könnten – führen, die manchmal, aber nicht immer zu «schwarzen Schwänen» werden.
Zinserhöhungen setzen in der Regel auch Kreditzyklen in Gang, die ansteckend seien und in Teilsektoren der Wirtschaft sowie in Regionen zu einer Gemengelage aus rückläufigen Umsätzen, Gewinnen und Investitionsausgaben sowie einer steigenden Arbeitslosigkeit führen. «Die steigenden Zinsen und höheren Kapitalkosten werden die weltweite Konjunktur ohne Zweifel verlangsamen. Doch die Frage ist, wann und auf welchem Niveau die Zinsen zu einer Belastung werden und ob ein Kreditzyklus ausreichend synchronisiert ist, um eine grössere Rezession auszulösen», erläutert der Portfoliomanager.
Der covid-geprägte Zyklus hätten auch etwas Positives, denn Verbraucher und Unternehmen hätten die Laufzeiten ihrer Schulden und Anleihen verlängert und dabei Hypotheken und Hochzinsanleihen günstiger refinanziert. Die hohen Einlagenguthaben, die sich auf den Bankkonten von Verbrauchern und Unternehmen ansammelten, hätten den Schock durch die höheren Zinsen gedämpft und bislang eine Krise abgewendet. Die pandemiebedingten Störungen in den Lieferketten und an den Arbeitsmärkten hätten die Unternehmen unterdessen von grösseren Anlageinvestitionen abgehalten.
Geopolitische Veränderungen sind ein Hauptmerkmal der Welt nach Covid-19. Beispiele sind die russische Invasion der Ukraine und die sich ändernde Energielandschaft in Europa. «Durch die stetige Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den USA und China haben wir uns in Bereichen wie Logistik, Arbeitskräfte, Produktivität und Kapitalinvestitionen von der Effizienzgrenze für die globalen Märkte entfernt.»
Die USA und China konzentrieren sich deutlich erkennbar darauf, ihre Welt für eine wettbewerbsintensivere Zukunft umzugestalten – trotz der positiven Erfahrung des gemeinsamen Wachstums in den letzten 30 Jahren. Es ist praktisch unmöglich, dass sich diese beiden Riesen bald voneinander entkoppeln. Die USA sind aber zweifelsfrei bestrebt, ihre Lieferkette – durch Verlegung ins eigene Land und ins «befreundete Ausland» – zu sichern. China wiederum sucht nach Möglichkeiten, die von den USA auferlegten, technologischen Fesseln zu sprengen. Dadurch werden neue Beziehungen und Partnerschaften nötig, die neue Investitionen erfordern werden. Für Aktienanleger werde entscheidend sein, die Unternehmen und Regionen zu identifizieren, die Gewinner dieser Neuausrichtung sein können.
Das während Covid-19 angehäufte Geld und die geopolitischen Spannungen haben ausserdem den Inflationsdruck erhöht, wenngleich die langsame Erholung in China und die unerwartet niedrigen Energiepreise zufällig als kurzfristiges Überdruckventil wirkten. Die anhaltend hohe Inflation bedeutet anhaltend hohe Zinsen. Dies hat die Fed auch deutlich signalisiert, als sie ihre Politik der längere Zeit höheren Zinsen erläuterte. Das bedeutet nicht, dass es keine kurzzeitigen Phasen der konjunkturellen Beschleunigung und Verlangsamung geben wird. Aber im Allgemeinen erscheinen Zinssenkungen und eine Rückkehr zur «langfristigen Stagnation» in nächster Zeit unwahrscheinlich.
«Es sollte betont werden, dass ein sich wandelndes Umfeld nichts an unserem Anlagerahmen ändert. Wir halten nach qualitativ hochwertigen Unternehmen Ausschau, die nach unserer Kenntnis ihre wirtschaftliche Rentabilität in der Zukunft erhöhen, für die wir aber nicht zu viel zahlen müssen. Dieser Anlagerahmen eignet sich gut für eine Welt im Wandel.» Dafür seien jedoch entsprechende Ressourcen notwendig, um zu erkennen, wo sich der Wandel vollzieht. Deshalb sei die Research-Plattform bei T. Rowe Price so entscheidend.
Erfreulicherweise gebe es eine grosse Zahl und ein breites Spektrum von titelspezifischen Anlagechancen. «Das Thema künstliche Intelligenz (KI) begeistert uns ganz besonders. Es wird Phasen wie Infrastrukturaufbau, Optimierung, Anwendungsentwicklung, Disruption und Vertrieb durchlaufen. Dies wird wahrscheinlich zu tiefgreifenden Veränderungen in der Weltwirtschaft führen und Chancen bieten, beachtliche Werte zu schaffen, sofern man Scharlatanen und Blendern aus dem Weg gehen kann», glaubt man bei T. Rowe Price.
Einige Unternehmen würden die KI erfolgreich vertreiben und Geld damit verdienen, andere werden auf der Strecke bleiben. «Einer der interessantesten Bereiche, auf den wir uns konzentrieren, sind Unternehmen, die KI-Technologien mithilfe vorhandener Software und Dienstleistungen zu Geld machen können. Technologie-, Finanz-, Gesundheits-, Industrie- und sogar Rohstoffunternehmen haben die Möglichkeit, von den markanten Veränderungen zu profitieren.»
Die Luftfahrt erholt sich nicht nur von der Pandemie, sondern steht ausserdem vor unserer Ansicht nach mehrjährigen Ertragssteigerungen. Dafür verantwortlich sind eine konsolidierte Branchenstruktur, die stetig zunehmend Marktdurchdringung in Schwellenländern und technologische Innovationen. Die Flugzeuge, Komponenten oder auch Betriebsstunden von Motoren und Triebwerken reichen schlicht nicht aus, um mit der Nachfrage Schritt zu halten.
Die Rückverlegung der Lieferketten ins eigene Land («Onshoring») und ins «befreundete Ausland» («Friend Shoring») böten dagegen umfassendere Chancen, die bislang aber weniger gut verstanden würden. Energiesicherheit, Logistik und Transport sowie das Ökosystem im Baubereich könnten allesamt neue, sehr interessante Möglichkeiten bieten.
Diese sein auch im Gesundheitswesen zu finden. Herzerkrankungen, Krebs, Schlaganfall, Diabetes und andere Gebrechen und Todesursachen stehen in einem engen Zusammenhang mit Adipositas. Neue Diabetesmedikamente, die das Stoffwechselsystem verändern können und eine starke, gesundheitsfördernde Gewichtsabnahme bewirken, könnten diese Erkrankungen abmildern und zu einem längeren Leben in Gesundheit führen. Diese Medikamente werden preisgünstiger und zunehmend nicht mehr injiziert, sondern oral verabreicht. Dies spricht sehr stark für bedeutende gesellschaftliche Veränderungen. «Wir konzentrieren uns darauf, diese Medikamente und ihre Wettbewerbsstellung zu verstehen und darüber hinaus zu erkennen, welche Unternehmen am stärksten von ihrer Einführung profitieren dürften.»
Die Entwicklung an den Märkten wird aktuell nur von extrem wenigen Titeln getragen. Small Caps seien nicht mehr gefragt und Value-Sektoren stehen unter Druck. China erscheint ungeliebt und stark unterinvestiert. Mega-Cap-Technologiewerte sind jedoch robust und profitieren von KI-Trends. Die Renditen gehen allerdings nur auf eine Handvoll von Aktien zurück. «Der VIX Index notiert unter 16, aber die Bewertungen – insbesondere von hoch kapitalisierten Qualitäts- und von Wachstumstiteln – erscheinen sehr hoch und sind möglicherweise nicht auf Dauer haltbar, wenn die Inflation und die Zinsen in Zukunft hoch bleiben. Wir müssen uns im derzeit entstehenden Umfeld behaupten und rechnen zum Jahresende hin mit Volatilität», schreibt Eiswert.
Eine Rezession drohe zwar nach wie vor und eine lautstarke Minderheit an den Märkten rechne mit einer Zinssenkung der Fed in diesem Jahr. «Wir denken aber auch an das nicht ganz so offensichtliche Risiko, dass die Inflationsangst durch Stimulierungsmassnahmen in China, die Energiepolitik der Opec und einfache saisonale Effekte in Europa wieder wachsen könnte. Der Winter naht. Deshalb halten wir es für klug, Positionen in Rohstoffen zu halten und die Vorzüge eines defensiveren Engagements zu nutzen, wenn Aktien so günstig sind. Der Herbst wird eine interessante Zeit des Jahres sein, in der wir beobachten können, wie sich die Marktpositionierung entwickelt.»