13.11.2024, 13:49 Uhr
«Das grosse Interesse an risikoreichen Titeln könnte bis zum Jahresende anhalten. Aber dann wird es schwieriger», schreibt Shannon Saccocia, Chief Investment Officer bei NB Private Wealth.
Ken Hsia, Portfoliomanager des Investec European Equity Fund, glaubt nicht, dass sich Europa in einer wirtschaftlichen Umbruchphase befindet und sieht gute Chancen im Finanzsektor wenn Anleger auf die richtigen Aspekte achten.
Herr Hsia, wie haben Sie Ihre europäischen Aktien-Portfolios angesichts der politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Europa strukturiert?
Ken Hsia: Wir würden nicht unbedingt sagen, dass sich Europa in einer wirtschaftlichen Umbruchphase befindet. Die harten Wirtschaftsdaten tendieren aufwärts und spiegeln sich in Europa in unterschiedlichem Masse in den Bereichen Nachfragewachstum, Beschäftigungsraten, Lohnniveau und BIP. Dies ist besonders in der Peripherie Europas spürbar, wo es in den letzten Jahren zu einer stärkeren Abschwächung gekommen ist. Die deutlichsten Veränderungen gab es im politischen Umfeld, vor allem in Grossbritannien und Spanien, aber auch in Ländern wie Deutschland, wo das Wahlergebnis ausgewogener als erwartet ausfiel, und Italien. Wir haben aber im Allgemeinen gesehen, dass sich die Politiker der wirtschaftlichen Realität ihrer Entscheidungen bewusst sind und sich nicht in extreme Situationen hineinmanövrieren. Die Aktienauswahl bei unserem 4Factor-Investmentprozess basiert ausserdem auf einem Bottom-up-Approach. Mit einem konzentrierten Portfolio von rund 60 Aktien sind wir in der Lage, uns auf Bereiche zu konzentrieren, in denen wir überzeugt sind und in denen das Risiko/Ertragsverhältnis ausgewogen ist. Dies können beispielsweise Bereiche mit Nachfragesteigerungen, günstige Angebots-Nachfrage-Situationen oder globale Marktführer in ihren jeweiligen Bereichen sein.
Welche Aktien und Sektoren haben sich gut entwickelt?
Gute Beispiele finden sich unter wachstumsstarken Online-Unternehmen, die in Branchen tätig sind, in denen die Online-Penetration weiter zunimmt. Umgekehrt haben wir uns von Märkten, in denen die Online-Penetration nahezu 100% beträgt, ferngehalten. Just Eat, das in einer Reihe von europäischen Ländern und darüber hinaus marktführende Dienstleistungen für die Bestellung von Lebensmitteln via Smartphones und Tablets anbietet, profitiert davon, dass sich die Verbraucher immer mehr von der telefonischen Bestellung abwenden. Es bietet eine hochgradig skalierbare Kostenstruktur und eine Cashgenerierung, die es für M&A-Projekte verwenden kann. Im Bereich der Internetsicherheit profitiert Sophos von der zunehmenden Sensibilisierung der Unternehmen für die Kosten von IT-Sicherheitslücken. Vorfälle wie Reckitt Benckiser und Modelez haben dazu beigetragen. Dies hat die Nachfrage nach Sicherheitsprodukten für mittelständische Unternehmen, die nach einer Out-of-the-Box-Lösung suchen, beschleunigt.
Wo sind Sie aktuell positioniert?
Unser Prozess weist zurzeit auf gute Chancen im Finanzsektor hin. Hier sind wir übergewichtet. Abgesehen von einigen Beispielen, die von der Wachstumsbeschleunigung in Osteuropa profitiert haben, haben die grossen europäischen Banken bisher nicht wesentlich zur wirtschaftlichen Erholung in Europa beigetragen (oder davon profitiert). Sie sind jedoch gut positioniert, da nun die Auswirkungen von Basel IV und MiFID II sichtbar werden; das bedeutet, dass wirklich überschüssiges Kapital deutlicher erkennbar ist und wieder angelegt oder an die Aktionäre zurückgegeben werden kann. Dies gibt dem Bankmanagement die Möglichkeit, sich verstärkt auf Wachstum zu konzentrieren. Dies wird unterstützt von zunehmend selbstbewussten Konsumenten in vielen Ländern. Die Bewertungen reflektieren dies noch nicht überall. Gleichzeitig bleiben wir angesichts potenziell steigender Zinsen und hoher Bewertungen einiger defensiver Brands weiterhin vorsichtig.
Sind auch die grossen Schweizer Banken auf Ihrem Radar?
Im Moment nicht. Aber ich denke, dass das Management von UBS nach der Finanzkrise bezüglich Restrukturierung die Nase vorne hat und nun über ein Geschäftsmodell verfügt, das dem aktuellen Umfeld gerecht wird. Anleger in UBS sollten meiner Meinung auf zwei Dinge achten. Erstens auf Ertragssteigerungen im Wealth-Management-Geschäft: Diese waren in den letzten Jahren aufgrund des Drucks durch sinkende Zinsen und grenzüberschreitende Abflüsse limitiert. Diese Hemmnisse scheinen sich jedoch abzuschwächen. Zweitens auf steigende Ausschüttungen an die Aktionäre: Die Eigenkapitalanforderungen der Bank haben sich in den letzten Jahren wegen des Drucks in- und ausländischer Aufsichtsbehörden erhöht, was die Dividendenausschüttungskapazität einschränkte. Dies war für uns in der Vergangenheit ein Knackpunkt, wenn wir UBS als Investment betrachteten. Mit den Basel-IV-Regeln und Trump, die eine Deregulierungsagenda verfolgen, sind die Aussichten für Dividendenwachstum so vielversprechend wie seit vielen Jahren nicht mehr.
Wie stehen Sie zu Schweizer Aktien im Allgemeinen?
Im Fonds ist die Schweiz derzeit eines der grössten Untergewichte, wobei die Gewichtung 9% unter der Benchmark liegt. Durch den Verzicht auf Nestle, Roche und UBS sind wir nicht negativ gegenüber der Schweizer Wirtschaft. Wir finden nur, dass diese multinationalen Unternehmen im Vergleich zu anderen in unserem Universum zurzeit nicht attraktiv sind.