13.11.2024, 13:49 Uhr
«Das grosse Interesse an risikoreichen Titeln könnte bis zum Jahresende anhalten. Aber dann wird es schwieriger», schreibt Shannon Saccocia, Chief Investment Officer bei NB Private Wealth.
Obwohl globale Energieaktien während der jüngsten Volatilität an den weltweiten Aktienmärkten gelitten haben, trauen die Energieexperten von Investec Asset Management ihnen enormes Potenzial zu.
Mark Lacey und Jonathan Waghorn, Portfoliomanager der globalen Energieportfolios bei Investec, kommen in einer aktuellen Marktanalyse zu dem Schluss, dass sich Anlegern jetzt ein guter Einstiegszeitpunkt im Energiesektor bietet. Hierfür sprächen nicht nur die Aussicht auf steigende M&A-Aktivitäten in der Branche sowie das Verhältnis zwischen den aktuellen Aktienkursen und den zugrundeliegenden Rohstoffpreisen. Nach Einschätzung der Energieexperten haben die aktuellen Bewertungen im globalen Öl- und Gassektor in einigen Fällen die Tiefs von März 2009 unterschritten, als Rohöl bei gerade einmal 35 US-Dollar je Barrel notierte. Das globale Energieangebot sei aber angesichts der Nachfrage weiterhin extrem knapp.
Angebotsknappheit auf dem Ölmarkt hält an
Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass die Energiebranche massiv investieren muss, um ein Kapazitätspolster aufzubauen, denn sie hat lange Zeit zu wenig investiert. Dabei beschränkt sich der Investitionsbedarf nicht nur auf die Suche und Entwicklung neuer Ölfelder, so Mark Lacey. Vielmehr müssten die Unternehmen auch Geld in die Hand nehmen, um bestehende und in weiten Teilen veraltete Anlagen zu ersetzen. Wenn diese Investitionen in den kommenden Monaten wegen unzureichender Mittel ins Stocken gerieten und viele grosse Projekte zurückgestellt würden, führe dies lediglich zu einer weiteren Angebotsverknappung in der Zukunft und damit zu einer weiteren Senkung der vorhandenen Kapazitäten.
In ihrem jüngsten Monatsbericht prognostiziert die Internationale Energieagentur, dass die Marktknappheit vermutlich anhält, und ändert ihre Prognosen gegenüber früheren Angebots- unb Nachfrageszenarien vor Beginn der OECD-Turbulenzen nur wenig. Dazu erklärt Jonathan Waghorn: Isoliert betrachtet und unter der Annahme eines globalen BIP-Wachstums von lediglich 3 Prozent im Jahr 2012 hiesse dies, dass die freien Kapazitäten der OPEC weiterhin etwa 3,3 Mio. Barrel je Tag, also 3,6 Prozent der globalen Ölnachfrage, betragen. Wir bezweifeln jedoch, dass das schwache BIP-Wachstum in den OECD-Ländern die weltweite Ölnachfrage zwangsläufig stark beeinträchtigt. Nach unserem Dafürhalten hängt der weltweite Rohölverbrauch weiterhin vom Nachfragewachstum ausserhalb der OECD ab, während die OECD-Nachfrage wegen der fortschreitenden Effizienzsteigerungen in den nächsten zehn Jahren vermutlich wenig bis gar nicht wächst.
Berücksichtigt man dieses Nachfragewachstum sowie die sinkende Produktion in seit langem bestehenden Feldern etwa in der Nordsee, in Mexiko und Russland, sollte es nach Einschätzung der Manager schwierig werden, die Nachfrage ohne massive Investitionen in Upstream-Projekte zu decken. Daneben sollte auch der chinesische Wachstumstrend beim Ölkonsum die globale Ölnachfrage in den nächsten zehn Jahren wesentlich prägen. Die USA sind mit etwa 18 Millionen Barrel pro Tag der grösste Ölverbraucher und bleiben ein sehr wichtiger Faktor. Wenn der Rohölkonsum Chinas ab heute bis 2020 aber um durchschnittlich 7 Prozent pro Jahr wächst, könnte das Land die USA im Jahr 2022 durchaus an der Spitze ablösen, schätzt Waghorn.
Aktienkurse signalisieren erhebliches Potenzial
Wir haben Ölpreisszenarien von 60, 80 und 100 USD je Barrel untersucht, um festzustellen, ob die aktuellen Aktienkurse Steigerungspotenzial bieten und ob die Unternehmensdividenden nachhaltig sein können, so Waghorn. Ein Vergleich der Unternehmensbewertungen in Zeiten deutlich niedrigerer Rohölpreise bestätigt uns in unserer Einschätzung, dass einige Ölfirmen jetzt aussergewöhnlich günstig scheinen. Angesichts der soliden Bilanzen dieser Unternehmen gilt dies nur umso mehr. Das illustriert letztendlich die Nachhaltigkeit der von diesen Gesellschaften gezahlten Dividenden, während die Rendite zwischen 6 und 9 Prozent liegt. Die Aktienkurse von in Grossbritannien börsennotierten Explorations- und Produktionsunternehmen (E&P) seien in den letzten fünf Monaten um 35 bis 70 Prozent gefallen. Diesen Kursen im britischen E&P-Sektor liege aktuell ein Ölpreis von knapp unter 60 USD je Barrel zu Grunde, während Brent derzeit etwa 105 USD je Barrel koste. Das ist ein immenser Abschlag, und seit Jahren der grösste Abschlag gegenüber den Kassa- und Terminkursen.
Die Manager sehen auch Anlagechancen in Standardwerten aus dem integrierten Öl- und Gassektor, wo die Aktienkurse um 25 bis 40 Prozent eingebrochen sind. Die Aktien einiger dieser integrierten Firmen liegen aktuell unter ihren Kursen von März 2009, als der Ölpreis auf 35 USD je Barrel fiel. Besonders in Europa waren die integrierten Unternehmen extrem schwach, und Firmen mit einem AA-Rating haben nun Dividendenrenditen von 7 bis 8 Prozent. Ausserdem werden integrierte Unternehmen in Europa, den USA, Kanada, Brasilien und Chile mittlerweile unter dem Wert ihrer nachgewiesenen Reserven gehandelt was angesichts der grossen Vorkommen, aus denen diese Unternehmen schöpfen können, in der Branche sehr selten ist. Unser Bewertungsmodell signalisiert auf Basis unseres langfristigen Kurses von 100 USD je Barrel derzeit deutliches Kurssteigerungspotenzial für Aktien.
Bei einem langfristigen Ölpreis von 100 USD je Barrel errechnen Lacey und Waghorn anhand ihrer Bewertungsmodelle ein durchschnittliches Kurssteigerungspotenzial von etwa 95 Prozent für den britischen E&P-Sektor, von etwa 80 Prozent für die USA und von etwa 85 Prozent für kanadische Ölsandunternehmen.