FIDLEG/FINIG: Umsetzung mit vielen Fragezeichen

Bei den Finanzmarktakteuren gibt es bei der Umsetzung von FIDLEG/FINIG noch einige Fragezeichen. (Bild: Shutterstock.com/TierneyMJ)
Bei den Finanzmarktakteuren gibt es bei der Umsetzung von FIDLEG/FINIG noch einige Fragezeichen. (Bild: Shutterstock.com/TierneyMJ)

Die in der Schweizer Finanzgemeinde beliebte Diskussionsplattform Friends of Funds gibt sich von Corona nicht geschlagen und führte die Veranstaltung zum Thema "FIDLEG und FINIG: erste Umsetzungserfahrungen" digital durch. Unter der Moderation von Franco Staub von BDO, debattierten Diana Imbach, stv. Leiterin Sfama, Christian Koller, Blum&Grob Rechtsanwälte, sowie Pascal Sprenger, KPMG.

09.06.2020, 14:51 Uhr

Redaktion: ras

Die Swiss Funds & Asset Management Association (Sfama) begrüsst grundsätzlich die neue Schweizer Finanzmarktregulierung. Denn mit der Einführung von FIDLEG (Finanzdienstleistungsgesetz) und FINIG (Finanzinstitutsgesetz) per 1.1.2020 gelten nun für die Schweizer Finanzindustrie generell gleichlange Spiesse. Gemäss Sfama wird die heute primär sektorielle Regulierung im Kollektivanlagengesetz (KAG) durch eine horizontale Regulierung aufgebrochen. So werden mit FIDLEG sektorübergreifend einheitliche Regelungen für die Erbringung von Finanzdienstleistungen sowie für das Angebot von Finanzinstrumenten eingeführt und das Verhalten am "Point of Sale" für alle Finanzinstrumente geregelt. Die Regeln gelten unabhängig davon, ob der Finanzdienstleister eine Bank, ein unabhängiger Vermögensverwalter oder ein anderer Finanzintermediär ist.

Abwarten und Tee trinken

Die Umsetzung der neuen Regulierung scheint allerdings alles andere als einfach. Diesen Eindruck erweckte ein Panelgespräch im Rahmen der Veranstaltungsreihe Friends of Funds, welches wegen der Corona-Pandemie erstmals online durchgeführt wurde. Gemäss Diana Imbach (Sfama) nutzen die meisten Marktteilnehmer die relativ langen Übergangsfristen von bis zu zwei Jahren und beobachten die Entwicklung. Immerhin verspürt Christian Koller (Blum&Grob) eine anziehende Nachfrage nach Beratung. "Vermögensverwalter, welche noch nicht bewilligungspflichtig waren, versuchen sich an die neue Gesetzgebung heranzutasten", meint er. Ausserdem klären einige ausländische Finanzinstitute ab, ob sie ihre Dienstleistungen in der Schweiz via Niederlassung oder Vertretung weiter erbringen können, oder ob sie sich aus dem Markt zurückziehen sollen. Für konkrete Schritte wie Bewilligungen sei es aber noch zu früh, zumal Aufsichtsorganisationen noch gar nicht existieren.

Die Panelteilnehmer sind sich einig, dass die Schweizer Finanzmarktaufsicht (Finma) viel Arbeit geleistet sowie viele Rundschreiben und Verordnungen erlassen habe und eine gute Führung biete. Jetzt gehe es jedoch um die Praxistauglichkeit und Angemessenheit der neuen Finanzregulierung. Gemäss Pascal Sprenger (KPMG) dürfen die Auswirkungen für die Finanzindustrie nicht unterschätzt werden. Vor allem der Vertrieb ist einem fundamentalen Wandel unterworfen. Dementsprechend müssen die Finanzinstitute vorab ihren Beratungs- oder Vertriebssetup checken.

Gleich lange Spiesse für alle

Koller betont, dass auch diskretionäre (individuelle) Vermögensverwalter, die bislang einer Selbstregulierungsorganisation angeschlossen waren, vor grossen Herausforderungen stehen. Sie müssen künftig von der Finma bewilligt und von einer Aufsichtsorganisation beaufsichtigt werden. Damit bestehe kein grosser Unterschied mehr zu einer kollektiven Vermögensverwaltung. Kleinere Vermögensverwalter geniessen zwar Ausnahmeregelungen, doch grundsätzlich gelten für alle die gleichen Regeln, vor allem an der Kundenfront, also am Point of Sale. Die Podiumsteilnehmer sehen darin den grössten Paradigmenwechsel, den die neue Finanzmarktregulierung bringt.

So wird der Vertriebsbegriff durch den Begriff Angebot ersetzt. Angebot bedeutet gemäss Koller eine Einladung zum Erwerb eines Finanzinstruments, womit verschiedene Pflichten verknüpft sind. So wird eine Registrierungspflicht für alle Kundenberater (Vermögensverwalter, Anlageberater, Versicherungsvermittler sowie Vertriebsträger) eingeführt. Zentral in der Umsetzung ist die Pflicht der Finanzdienstleister, sich ins Beraterregister einzutragen und Qualitätsstandards bezüglich Professionalität, Verhaltensregeln sowie Haftung nachzuweisen. "Nicht alle, die heute Vertrieb machen, sind sich dessen bewusst", warnt Sprenger.

Schaffung von Ombudsstellen als neue Herausforderung

Als neue Herausforderung erweist sich die Pflicht, sich einer Ombudsstelle anzuschliessen, an welche sich Kunden wenden können. Gemäss Imbach wird diese Pflicht für Finanzdienstleister unweigerlich kommen, wobei noch nicht klar sei, wie die diese Funktion konkret organisiert und eingebettet wird. Auch die Fintech-Vorlage deute darauf hin, dass die Funktion einer Ombudsstelle an Bedeutung gewinnen wird.

Die Panelteilnehmer bestätigen, dass in der Praxis noch Konfusion bestehe und viele Fragen ungeklärt seien. Die meisten Marktteilnehmer führen die bestehenden vertraglichen Verhältnisse weiter, was grundsätzlich bis Ende 2021 möglich sei. Allerdings müssen die neuen Regeln eingehalten werden, weshalb der Wechsel gezielt angegangen werden muss. Die Umsetzung hängt auch vom Zeitplan der Finma ab. Bis Ende Jahr dürften die Verordnungen und Richtlinien aufdatiert werden, danach werde es dann mit den Folgeregulierungen konkreter.

Ob mit den neuen Richtlinien das Ziel erreicht wurde, mit dem EU-Markt kompatibel zu werden und den Kundenschutz zu stärken, wird von den Panelteilnehmern bezweifelt. So muss die EU-Finanzmarktrichtlinie MIFID II wegen wachsender Kritik da und dort angepasst werden. Davon ist auch das Drittstaatszugangsregime betroffen, auf welches das FIDLEG ausgerichtet sei. Ausserdem hat die EU wegen Brexit und Corona mit anderen Sorgen zu kämpfen als sich um die kleine Schweiz zu kümmern. Es bleibt also weiterhin vieles offen und damit spannend.

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