23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Dean Tenerelli, für die europäische Aktienstrategie verantwortlicher Portfolio Manager bei T. Rowe Price, sieht Zeichen einer breiteren Erholung der europäischen Wirtschaft. Der ausgewiesene Europa-Experte erläutert im Interview, wieso Spanien und Italien derzeit zu seinen Favoriten zählen, und er listet drei Gründe auf, wieso Investoren derzeit Europa nicht aus den Augen lassen sollten.
Welche Rolle spielen europäische Aktien heutzutage?
Dean Tenerelli: Für international tätige Investoren bleibt Europa ein grosser und umfassender Teil ihres Anlageuniversums, der kaum ignoriert werden kann. Europa hat einen Anteil von 27% am MSCI World Index und von 25% am MSCI All Country World Index.
Die schiere Grösse und Vielseitigkeit der Region bietet Aktienanlegern enorme Chancen. Im Aktienuniversum sind es über 2000 Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von 500 Mio. USD und mehr, die wir hinsichtlich Grösse und Liquidität als investitionswürdig erachten. Im Bereich von 100 bis 200 Mio. USD Marktkapitalisierung finden sich nochmals rund 1700 investitionswürdige Unternehmen. Europa ist damit für Anleger eine umfassende und reiche Quelle von Unternehmen und bietet attraktive Möglichkeiten.
In den vergangenen Jahren haben Bedenken hinsichtlich der makroökonomischen Entwicklungen die Aufmerksamkeit auf die Region gelenkt und dabei die laufenden strukturellen Verbesserungen bei der Arbeitsweise und der globalen Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen überschattet. In Europa haben sich im vergangenen Jahrzehnt signifikante Veränderungen vollzogen: Die Märkte wurden geöffnet, die regulatorischen Rahmenbedingungen optimiert und der Wettbewerb gefördert. Auf der anderen Seite haben europäische Unternehmen ihre Geschäftsführungsmethoden und ihre Unternehmenskultur signifikant verbessert, sie pflegen einen aktionärsfreundlicheren Ansatz, zudem werden heute viel gewinnorientiertere und transparentere Strategien verfolgt.
Welche Länder favorisieren Sie?
Spanien und Italien sind derzeit unsere grössten Overweight-Positionen. Grund dafür ist, dass die Regierungen in den peripheren Ländern durch Budgetkürzungen sowie Arbeitsmarkt- und Finanzreformen ermutigende Fortschritte bei der Defizitreduktion und der Beseitigung von Wettbewerbshindernissen erzielt haben. In Spanien sind die Arbeitsstückkosten rapide gesunken und aufgrund konstant steigender Exporte konnte das Land zu Beginn dieses Jahres einen Leistungsbilanzüberschuss ausweisen.
Aus makroökonomischer Sicht beginnen wir in diesen Ländern Anzeichen einer Erholung zu sehen. Eine Wahrnehmung, die auch von den jüngsten PMI-Zahlen untermauert wird.
Und welche Unternehmen bzw. Sektoren sind attraktiv?
Was Aktien betrifft, so sehen wir zahlreiche grossartige Gelegenheiten für Investitionen in solide, im Heimmarkt tätige Unternehmen sowohl aus defensiven als auch aus zyklischeren Sektoren. Wir denken, dass diese Unternehmen vom Markt aufgrund übertriebener Bedenken hinsichtlich des Zustands der inländischen Volkswirtschaften über Gebühr abgestraft wurden, weshalb ihre Titel derzeit mit einem signifikanten Abschlag auf ihren eigentlichen Wert gehandelt werden.
Ein deutliches Beispiel dafür sind die spanischen Medienunternehmen. Aufgrund von Konsolidierungen unter den privaten Fernsehsendern weisen die beiden grössten Privatsender heute zusammen einen Marktanteil von 85% auf. Zugleich hat ein steigendes Defizit in den Kassen sowohl der Regierung zu einer Streichung der Ausgaben für die staatlich finanzierten Sender geführt. Wir halten Aktien beider Sender in unserem Portfolio, da sie wie wir denken grossartige Gelegenheiten für langfristig orientierte Investoren bieten; dies angesichts sich schrittweise stabilisierender Werbeausgaben und einer anhaltenden und damit margenfreundlichen Deflation der Programmkosten.
Welche Anpassungen haben Sie kürzlich im Portfolio des Fonds vorgenommen?
Unser Engagement bei den Finanzwerten haben wir ausgebaut. Der Finanzsektor war einer der am stärksten von der Krise betroffenen Marktbereiche. Und wie bei jeder Krise ist es auch hier so, dass die ausgeprägtesten Unterbewertungen und Verlagerungen dort stattfinden, wo sich die grössten Probleme ereignet haben. Der Heilungsprozess ist zwar eindeutig noch nicht abgeschlossen, doch wir sehen deutliche Zeichen einer Erholung. Der interessanteste Aspekt von Investitionen in Finanzwerte ist, dass es sich um eng mit der wirtschaftlichen Entwicklung verzahnte Werte handelt, wobei Investoren oft unterschätzen, in welchem Ausmass bei einer wirtschaftlichen Erholung auch die Erträge wieder zurückkommen. Angesichts der sich graduell erholenden europäischen Wirtschaft rechnen wir deshalb für Finanzwerte von solider Qualität mit einem mehrjährigen Zyklus von Ertragssteigerungen durch anziehende Kreditvergabetätigkeit und sich verbessernde Handels- und Kommissionserträge sowie einer letztlich wieder ansteigenden Renditekurve. Zugleich hat das sehr nachteilige Umfeld in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern darunter nicht zuletzt in Spanien zu einer Konsolidierung des Sektors geführt, womit sich die langfristigen Ertragsaussichten verbessert haben. In diesem Umfeld werden die Titel vieler Qualitätsbanken weiterhin unter ihrem Buchwert gehandelt, weshalb sie in unseren Augen attraktive Chancen bieten.
Drei Gründe, wieso man europäische Aktien in Betracht ziehen sollte?
Die schlimmste Phase der Eurokrise liegt wahrscheinlich hinter uns, und einhergehend mit den strukturellen Verbesserungen in der Peripherie sehen wir Zeichen einer breiteren Erholung der europäischen Wirtschaft.
Die europäischen Erträge sind denjenigen, die während dieser Periode in den USA erzielt wurden, deutlich hinterhergehinkt. Sie haben deshalb bei einer Stabilisierung der europäischen Ökonomie ein signifikantes Erholungspotenzial. Die Erträge verharren in Europa derzeit auf einem deutlich um ungefähr 35% tieferen Niveau als vor der Finanzkrise der Jahre 2008/2009. Vergleichbar bewegen sich auch die Unternehmensmargen nicht auf historischen Hochs. Europäische Unternehmen haben in der Zwischenzeit jedoch sinnvolle Restrukturierungen vorgenommen, ihre Kosten reduziert und so ihre Marktpositionen verbessert. Wir glauben deshalb, dass viele Unternehmen im operativen Geschäft von signifikanten Hebelwirkungen profitieren werden, sollten wir in Europa eine Fortsetzung der schrittweisen Erholung sehen.
Die Bewertungen der europäischen Aktien bleiben nach wie vor ziemlich attraktiv, sowohl im historischen Vergleich als auch im Vergleich mit anderen Regionen. Darüber hinaus scheinen Aktien auch verglichen mit anderen Anlageklassen attraktiv. Die im europäischen Aktienmarkt verfügbaren Dividendenrenditen bewegen sich auf einem etwa 20% höheren Niveau als die verfügbaren Renditen eines ähnlich gewichteten Korbes von Staatsanleihen. Die Gewinnrendite europäischer Aktien liegt bei gut 8%. Dies kontrastiert mit einer repräsentativen Rendite von 6,8% für hochrentable europäische Unternehmensanleihen und hier insbesondere mit einer Rendite von 4,1% für Investment-Grade-Anleihen.