Es ist ruhig da draussen, zu ruhig…

Scott Berg, Portfolio Manager, Global Growth Equity Strategy bei T. Rowe Price.
Scott Berg, Portfolio Manager, Global Growth Equity Strategy bei T. Rowe Price.

Scott Berg, Portfolio Manager, Global Growth Equity Strategy bei T. Rowe Price sagt, wo die Risiken liegen, wenn die Phase niedriger Volatilität zu Ende geht.

20.04.2017, 09:43 Uhr

Während Investoren sich weiterhin an starken Gewinnen von globalen Aktien erfreuen, bleibt ein nagendes Unwohlsein: Die bemerkenswert tiefe Marktvolatilität, insbesondere angesichts der anstehenden Unsicherheiten an der makroökonomischen und politischen Front sowie bezüglich Unternehmensgewinnen. Dies zeigt sich am MSCI AC World Index, der auf Jahresbasis rund 7% und seit der US-Wahl über 10% zulegte – mit einer entschlossenen und kaum unterbrochenen Aufwärtsdynamik. Die ruhige Art des Marktes kann auch daran hergeleitet werden, dass die Aktienmarktvolatilität auf Niveaus gefallen ist, wie sie in der jüngsten Marktgeschichte kaum beobachtet werden konnten. Zwar stellt mehr Rendite bei weniger Volatilität immer eine willkommene Perspektive für Investoren dar, doch können solche Extreme selten ein nachhaltiges Umfeld sein.

Aber warum ist die Volatilität gesunken? Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass die fallende Volatilität teilweise auf tatsächliche positive und reale Veränderungen des weltwirtschaftlichen Umfelds zurückzuführen ist. Dazu gehören Daten wie ein Anstieg der globalen PMIs (Einkaufsmanagerindizes), die erstmals im Sommer 2016 angezogen haben. Sie erreichen nun Niveaus, die mit einer soliden Beschleunigung der globalen Weltwirtschaft übereinstimmen. Auch die Unternehmensgewinne (tatsächliche und erwartete) haben sich stetig von ihren Tiefs erholt – in einer Zeit, in der es entscheidend wurde, unternehmenseigene Optimierungen zu liefern. Grund dafür waren insbesondere die gestiegenen Erwartungen, welche sich rasch in den Aktienbewertungen widerspiegeln. Indessen bleiben die globalen Zinsraten tief und die Währungspolitik unterstützend. So weit, so gut. Warum also suchen wir Gründe, vorsichtiger zu sein als der Konsens?

Von "verzweifelt" zu "überschwänglich"
Trotz der fundamentalen Verbesserung haben Hoffnung und Anlegerstimmung beim Auftrieb der Märkte ihre ganz eigene Rolle gespielt als der Konsens sich innerhalb eines Jahres von "verzweifelt" zu "überschwänglich" gewandelt hat. Dies fällt besonders auf, wenn man den drastischen Stimmungsumschwung bei kleineren US-Unternehmen seit der Wahl betrachtet. Diese positive Stimmungsänderung scheint sich in den Aktienmärkten widerzuspiegeln und hat ihre Wurzeln sowohl in den verbesserten Daten als auch in den potenziellen Folgen, die der Regimewechsel in den USA auf die Aussichten für das US- und Weltwirtschaftswachstum haben könnte – trotz fehlender konkreter Vorschläge der Trump-Administration. Die Auswirkung einer solchen Beschleunigung auf die zyklischen Segmente des globalen Aktienmarktes hat eine Welle von zyklischen Käufen in der Zeit nach der Wahl hervorgerufen – einen Trend, gegen den man sich bei T. Rowe Price mit einer vorsichtigen "Contrarian-Haltung" positioniert.

Steuerreformen bzw. -kürzungen, Fiskalstimuli und Deregulierung haben einen wachstumsbasierten Hintergrund, da Donald Trump beabsichtigt, seine Wahlkampf-Rhetorik umzusetzen. Bei T. Rowe Price bleibt man dennoch vorsichtig, was den realen Einfluss seiner Politik betrifft, gerade im Hinblick auf die makroökonomischen Entwicklungen auf hoher Ebene, die sich kaum über alle Industrien und Sektoren gleich auswirken dürften.

Entgegen dem Marktverlauf, der weiterhin nach oben geht, glaubt Portfolio Manager Scott Berg in vielerlei Hinsichten, dass es nun an der Zeit ist, titel-spezifisch zu werden und die Aktien-Wunschliste zu erneuern. Denn viele werden schon bald "on sale" sein, sollten Enttäuschungen im Makro- oder politischen Umfeld auftreten. Zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Marktvolatilität rein optisch zwar tief ist, scheint die Volatilität über Sektoren (zyklisch vs. defensiv) und Anlegerstil (value vs. growth) hinweg als auch auf vielen einzelnen Aktien basierend überdurchschnittlich zu sein. Dies ist eine unübliche Perspektive, die für aktive Investoren (für uns selbst und unsere Konkurrenten) sicherlich für mehr Volatilität im Alpha gesorgt hat – ungeachtet des relativ tiefen Niveaus der Volatilität im Beta des Aktienmarktes.

Wo also liegen die Risiken, wenn die Phase niedriger Volatilität zu Ende geht? Und wie wirken sie sich auf die Aktienmärkte aus? Während die jüngsten Daten in fast allen Bereichen positiv waren, stellt genau das teilweise ein Risiko für Einzeltitel dar. Im Anschluss an die globale Finanzkrise durchlebten wir ein Wechselspiel von Angst und Wiederbelebung. Nun befinden wir uns an einem Punkt, an dem die Daten so etwas wie einen positiven Referenzpunkt dieser "guten" Zeiten setzen. Dieser wird zweifelsohne schwierig zu übertrumpfen sein. Als fundamentale Investoren geniesst T. Rowe Price gute Neuigkeiten an der fundamentalen Front. Jedoch ist es wahrscheinlich, dass das Momentum der Wirtschaftsaktivität an einem gewissen Punkt verblassen wird. So oder so werden die Bären im Aktienmarkt, die für eine Weile ruhig waren (oder zumindest ruhiggestellt wurden), erneut angestachelt werden. Nichtsdestotrotz ist es wichtig zu bestätigen, dass man im Falle einer solchen Schwäche – unter sonst unveränderten Voraussetzungen – Käufer der favorisierten Aktien bleiben würde. Den Mut, seine Überzeugungen auch in pessimistischen Zeiten aufrechtzuerhalten, war in diesem nun sehr langen und meist holprigen Bullenmarkt essentiell. Berg glaubt nicht, dass sich dies verändert hat.

USA: Unternehmensgewinne rückläufig
Neben der Stimmung und der jüngsten wirtschaftlichen Verbesserung ist man sich bei T. Rowe Price auch bewusst, dass die Inflation (allen voran in den USA) steigen wird und einige mittelfristige Risiken für den Aktienmarktzyklus hervorrufen wird. Zum jetzigen Zeitpunkt wird höhere Inflation als Ausdruck der wirtschaftlichen Verbesserung gesehen, die vor fast einem Jahr angefangen hat. Mit der steigenden US-Kerninflation einher geht jedoch ein Trend zu höheren Löhnen, der sich auf die Unternehmensgewinne auswirkt. Diese sind bereits seit dem Höchststand im Jahr 2015 rückläufig. Das Potenzial zur Preisgestaltung bei den einzelnen Unternehmen ist somit ein wichtiges Leistungsmerkmal hinsichtlich der Margenverteidigung und der wachsenden Gewinne im nächsten Stadium des Aktienzyklus’. Dazu werden auch die Schuldfähigkeit und der Verschuldungsgrad zählen, sofern die US-Zinsraten wie erwartet einen moderaten Anstieg bestreiten werden.

Mittelfristig wird die Bandbreite der Unternehmensgewinne die Aktienmarktvolatilität vermutlich auf "normalere" Niveaus anheben, da die Unternehmen entweder ihre Möglichkeiten ausnutzen oder im neuen Umfeld von erhöhten Erwartungen und Bewertungen enttäuschen werden. Dies sollte nicht als Zeichen eines endenden Aktienzyklus’ gesehen werden, sondern vielmehr als eine Normalisierung einer Zeit ungewöhnlich positiver Daten und Anlegerstimmung. Damit werden neue Einstiegsmöglichkeiten geschaffen, sowohl für kurzfristig Wachsame als auch für langfristige Contrarians.

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