23.12.2024, 08:37 Uhr
Der Spezialkunststoff-Hersteller Gurit will sich künftig ganz auf profitablere Regionen und Geschäftsbereiche konzentrieren. Im Zuge der angekündigten Restrukturierung sollen Werke in Dänemark, Indien und der...
Das neue Jahr wird ganz im Zeichen der Zinsen stehen, sagt der bekannte deutsche Fondsmanager und Vermögensverwalter Dr. Jens Erhardt. Grundsätzlich ist er zuversichtlich gestimmt, mit dem nicht unwesentlichen Vorbehalt: Zwingt die Inflation die US-Zentralbank zu stärkeren Zinserhöhungen, werde es höchstwahrscheinlich ein schlechtes Börsenjahr.
Die gute Konjunkturentwicklung der letzten Jahre war nur aufgrund der durch die Notenbanken gedrückten Zinssätze möglich, schreibt Jens Erhardt, Gründer und Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital in seinem Kapitalmarktausblick 2022. Dadurch standen den rekordhohen Verschuldungsraten historische Tiefst beim Schuldendienst gegenüber.
Sollten die Zinsen aber steigen, werde sich dies konjunkturell bei Konsum und Investitionen massiv negativ auswirken. An den Aktienmärkten komme dann auch zum Tragen, dass die Bewertungen historisch hoch sind und die Überinvestierung der Anleger in Aktien historische Extreme erreicht hat.
Zwinge die Inflationsentwicklung die US-Zentralbank zu stärkeren Zinserhöhungen (am Terminmarkt waren schon bis zu drei per Jahresende 2022 eingepreist), so werde es höchstwahrscheinlich ein schlechtes Börsenjahr, hält er fest. Sehe die US-Notenbank dagegen durch die laufende Inflationswelle hindurch und bleibe bei der Meinung, dass die Inflation im nächsten Jahr wieder deutlich fallen wird und sehe entsprechend von Zinserhöhungen ab, "könnte 2022 erneut ein sehr gutes Börsenjahr werden", wiegt Erhardt ab.
In der Vergangenheit sind allen Börsenjahren mit über 20% Indexplus (wie in den USA bisher in diesem Jahr) im Folgejahr in der Regel Aufwärtsbewegungen in zweistelliger Prozentzahl gefolgt. "Bleiben die Zinsen tief, gibt es in der Tat keine Anlagealternative zu Aktien – und die augenblickliche Investitionswelle in den USA, die stärkste der Nachkriegszeit, dürfte sich fortsetzen. Damit wären weiter steigende Gewinne vorprogrammiert", erläutert er.
Tatsächlich bestehe Hoffnung, dass wichtige Inflationskomponenten wie der Ölpreis im kommenden Jahr wieder deutlich nachgeben. Die gestiegenen Güterpreise dürften ein steigendes Angebot auslösen, was nach dem üblichen Schweinezyklus auch wieder zu niedrigeren Preisen führen sollte. Schwieriger ist die Inflation im Dienstleistungssektor zu beurteilen. In den USA fehlt es besonders für unqualifizierte Arbeit an Mitarbeitern. Da dürften die Löhne weiter zweistellig anziehen.
Dagegen ist die Gehaltsentwicklung bei Mitarbeitenden mit gehobener Ausbildung nicht anders als vor der Pandemie, "so dass die Entwicklung einer Lohn-Preis-Spirale aus heutiger Sicht – ganz anders als in den 1970er-Jahren – nicht realistisch ist."
Bei den Währungen sollte der Dollar im Trend freundlich bleiben. Während die Deutsche Bundesbank seinerzeit immer internationaler Vorreiter in der Inflationsbekämpfung war, zeigt die Europäische Zentralbank weltweit am wenigsten Ansätze zu einer Anti-Inflationspolitik. Daher dürfte der Euro gegen den Dollar weiter abwerten – mit einer Fortsetzung der rekordhohen Inflation bei den deutschen Importpreisen, meint der Experte.
Entsprechend würden auch die Produzentenpreise in Deutschland, die bereits auf einem 30-Jahres-Hoch liegen, weiter steigen. Im Euro-Land Spanien sind die Produzentenpreise sogar um 31,9% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. "Angesichts hoher Teuerungsraten ist eine Flucht in Sachwerte trotz der hohen Preise bei Immobilien und den Aktienindizes nicht ausgeschlossen." Dies würde dem üblichen Bild einer Abwertungshausse entsprechen, erklärt Erhardt.
Auch Gold sollte nach einem in Dollar gerechnet enttäuschenden Jahr wieder anziehen können. Allerdings stiegen die Goldpreise in Euro gerechnet 2021 sogar leicht. Die Käufer aus Indien und China sind 2021 wieder zurückgekehrt. Die bisher drückenden Verkäufe amerikanischer ETF-Anleger dürften bei weiterem Inflationsanstieg auslaufen, denkt er. Sollten die Goldpreise anziehen, dürften Goldaktien überdurchschnittlich steigen.
Der schwarze Schwan 2022 könnte China werden, betont Erhardt. Bisher war die Immobilienkonjunktur der Hauptkonjunkturtreiber, was in Zukunft nicht mehr zu erwarten sei. Die Immobilieneigentümerquote liegt mit 95% weit über dem Stand in Deutschland von unter 50%, die Bevölkerung geht zurück und die erheblich gewachsene Verstädterung scheint auszulaufen.
Die hohen Leerstände (Chinesen legen ihre Ersparnisse weitestgehend in Immobilien an) könnten auf die Preise drücken, was wiederum Verkäufe leerstehender Immobilien bewirken dürfte. Die im Gegensatz zum Westen sehr hohen chinesischen Zinsen dürften die in den letzten Jahren erheblich gewachsene Verschuldung bei Privaten und besonders bei Unternehmen zum Problem machen. Eine schlechte Konjunktur würde besonders Deutschland als grösstes Exportland der Welt ausserhalb Chinas treffen.
Unberechenbar bleibt das Covid-Problem. Zwar versuche man, aus wirtschaftlicher Sicht weltweit Lockdowns zu vermeiden, aber trotzdem dürfte das Konsumverhalten gedrückt werden. Dieses ist in China aufgrund der Immobilienkrise ohnehin schon getrübt. Während westliche Länder in Sachen Covid offen oder versteckt auf die Immunisierungsstrategie setzen, mit der Schweden begonnen hatte, schlug China als einziges Land mit seiner Null-Covid-Strategie einen anderen Weg ein.
Bei einer nur begrenzten Öffnung wie zuletzt in den USA könnte auf China ein bisher von keiner Seite erwartetes massives Covid-Problem zukommen, mahnt Jens Erhardt. China habe also die Wahl: Null-Covid-Strategie und damit anhaltend schwaches Wachstum, welches das Land seit Jahrzehnten nicht gekannt hat, oder die Öffnung und mehr Wirtschaftswachstum, aber Infektionszahlen von vielleicht über einer Millionen Menschen pro Tag.