04.10.2024, 15:09 Uhr
Während aktive ETFs in den USA weiterhin ein Riesenerfolg sind, ist ihr Anteil in Europa mit etwas mehr als 2% des gesamten ETF-Volumens von knapp zwei Billionen Euro noch überschaubar. Doch das Segment wächst...
Gregory Peters, Co-Chief Investment Officer PGIM Fixed Income, warnt im Interview vor zu frühen Zinssenkungen, sieht Chinas Einfluss in der Welt schwinden und bevorzugt Europäische High Yield Anleihen, da sie auch in einem schwachen konjunkturellen Umfeld performen können.
Wird 2024 wieder ein Jahr für Anleihen?
Gregory Peters: Ein neues Regime höherer Anleiherenditen macht festverzinsliche Anlagen für langfristige Anleger sehr attraktiv. Unser Basisszenario mit einer Abschwächung des globalen Wachstums und einer hohen, aber sinkenden Inflation, ich nenne es `Weakflation`, ist für Spread-Produkte positiv. Also ja, es wird wieder ein Jahr der Anleihen.
Die Märkte erwarten erste Zinssenkungen für das zweite Halbjahr. Halten Sie das für verfrüht?
Der Markt ist in Bezug auf mögliche Zinssenkungen in diesem Jahr noch zu optimistisch und ich habe das Gefühl, dass die Anleger das Narrativ der Kürzungen vorantreiben. Aber dabei sollten Anleger genau im Blick behalten, warum die Zinsen gesenkt werden. Wenn die Zentralbanken ihre Geldpolitik lockern, weil die Inflation niedriger ist, dann ist das auch eine Disinflation. Wenn sie aber aufgrund einer Verlangsamung der Lohninflation auf den Arbeitsmarkt auf die Bremse drücken, kann das ein echter Vorteil für die Märkte sein.
Bislang ist der US-Arbeitsmarkt überraschend stabil geblieben. Wo sehen Sie die Ursachen dafür?
Der Arbeitsmarkt hat definitiv nicht so reagiert, wie es die Fed-Beamten vorhergesagt haben. Dies ist vor allem dem Zustrom ausländischer Arbeitskräfte zu verdanken. Denn der Kuchen ist grösser geworden. Das gibt eine zugrundeliegende Stärke, die anerkannt werden muss, aber nicht ewig andauern wird.
Wie meinen Sie das?
Die Herausforderung besteht darin, dass der Arbeitsmarkt in der Regel die stärkste und die letzte Grösse ist, die sich bewegt. Sobald man sich mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt wohlfühlt, schwächt er häufig auch schon ab. So augenblicklich, wie die Wirtschaft in eine Rezession eintritt. Während wir uns mit der strukturellen Stärke des US-Arbeitsmarktes trösten, sollten wir uns daran erinnern, dass dieser auch sehr empfindlich auf den Zyklus reagieren kann, wenn das auch zeitlich als letztes geschieht.
Sie sind also doch skeptisch für die US-Wirtschaft?
Es gibt eine grundlegende Stärke der US-Wirtschaft, die meiner Meinung nach unterschätzt wurde. Das wird durch die Daten zum Bruttoinlandsprodukt bestätigt, die weiterhin positiv überraschen. Ein Grund ist der starke Arbeitsmarkt, ebenso wie der Konsum, denn höhere Renditen auf Bankkonten kurbeln die Konsumausgaben an. Auf der anderen Seite sind zwar die Kreditkosten gestiegen, aber viele Leute haben sich niedrige Schuldzinsen gesichert und profitieren so von den höheren Sparquoten. Das wird den USA helfen, sich weiterhin wirtschaftlich überdurchschnittlich zu entwickeln.
Haben Sie Zweifel daran, dass sich die Inflation hüben wie drüben in den jeweils angestrebten Bandbreiten stabilisieren wird?
Die Inflation im Euroraum erweist sich als hartnäckig, da sich der Energieschock und die unterbrochenen Lieferketten auf die Kerninflation ausgeweitet haben. In den USA haben sich die Inflationsaussichten verbessert – aber die Frage nach der letzten Meile bleibt. Die Gesamtinflation ist zwar rückläufig, aber die Inflation im Dienstleistungssektor bleibt hartnäckig hoch. Somit liegt die Gesamtinflation in den USA trotz der massiven Disinflation, die wir im Jahr 2023 erlebt haben, immer noch über dem langfristigen Ziel von über 2 Prozent. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Rate weiter sinkt. Aber wenn man sich die Marktpreise ansieht, sind diese viel aggressiver als das, was die Fed sagt. Und das finde ich besorgniserregend.
Inwiefern?
Die Anleger orientieren sich an der Zeit vor COVID, in der die Zentralbanken einen harten Sparkurs fahren konnten. Heute haben sie jedoch nicht den Spielraum dafür. Ein gutes Beispiel ist die EZB. Frau Lagarde hat gesagt, eine erste Zinssenkung käme frühestens im Sommer. Und die Märkte preisen prompt bis zum Sommer 50 Basispunkte ein.
Was empfehlen Sie Anlegern für dieses Jahr?
Nach einem Jahrzehnt extrem niedriger Zinsen sind die Renditen für US-Staatsanleihen wieder in die historisch normalen Spannen von 3 bis 5 Prozent zurückgekehrt, und ich denke, das ist ein gutes Zeichen für langfristig orientierte Sparer. Fixed Income hat nicht umsonst das Einkommen im Namen.
Wie sind die geografischen Präferenzen: Welche Anleihen würden Sie derzeit empfehlen, Europa oder USA?
Wir haben derzeit eine Präferenz für US-Staatsanleihen. Bislang waren wir positiv für die Anleihenmärkte in der europäischen Peripherie wie Spanien, Italien, Griechenland und sogar Portugal. Dort haben wir einen echten Wert gesehen und die Spreads sind hereingekommen.
Was ist mit Corporate Bonds?
Der Markt für Unternehmensanleihen ist derzeit interessanter. Wir sehen in Europa mehr Wertpotenzial bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen als in den USA. Europa ist in Bezug auf die Unternehmensspreads bislang etwas hinter der US-Performance zurückgeblieben. Und für High Yield Bonds braucht man kein wirklich starkes Makro. In einem mäandernden Umfeld geht es bei Hochzinsanleihen mehr um einen relativen Wert. Die makroökonomische Volatilität bietet hier Chancen für aktive Manager.
Inwieweit beeinflussen die geopolitischen Probleme die Märkte, namentlich im Nahen Osten und der Ukraine?
Die Frage ist, welche Art von finanzieller Unterstützung die USA weiterhin leisten wird. Das ist offen. Der politische Wille für weitere Unterstützung im Nahen Osten und in der Ukraine lässt nach, vor allem seitens einer Fraktion der Republikaner. Die traurige Realität – eine von vielen – ist aber, dass die Situation in der Ukraine keine einzigartige Situation ist, sondern nur einer der unzähligen Konfliktherde, auf die wir auch achten müssen. Wir leben in einer politischen Ära, in der die Demokratie weltweit auf dem Rückzug ist und sich stattdessen die Autokratie wieder breit macht. Für die Weltwirtschaft bedeutet das ein Regimewechsel, der die globale Nachfrage und das globale Angebot verändert. Es wird eine Reihe säkularer Verschiebungen geben – die Welt verändert sich.
Sie verändert sich auch nach politischen Abstimmungen, und davon gibt es in diesem und nächstem Jahr viele wichtige. Welche Auswirkungen haben die Präsidentschaftswahlen in den USA auf die Märkte?
Es gibt viele Theorien, von denen man weiss, dass die Fed in dieser Hinsicht voreingenommen sein wird und deshalb ihre Zinssenkungen früher durchführen wird, um sich nicht mit den Wahlen auseinanderzusetzen. Es gibt keine Beweise dafür, dass dies jemals geschehen ist. Die Zentralbanken sind agnostisch in Bezug auf ihr Recht, sie sind unabhängig. Gleichzeitig ist es mehr als klar, dass wenn Trump gewählt werden sollte, es einen starken Druck auf Jerome Powell als Fed-Gouverneur geben wird.
Auch Chinas Wirtschaft schwächelt. Sinkt die Bedeutung Chinas in der Weltwirtschaft?
Chinas Einfluss auf das globale Wachstum und die Rohstoffversorgung wird weiter an Bedeutung verlieren. Die Regierung in Peking hat eine Menge Impulse zur Ankurbelung der Wirtschaft gegeben, aber die Konjunktur ist hauptsächlich auf den Binnenkonsum ausgerichtet. Selbst wenn Chinas Wirtschaft also um 5 Prozent wächst, wird das Konstrukt dieses Wachstums ganz anders und viel mehr internalisiert sein. Insgesamt gehe ich deshalb davon aus, dass der wirtschaftliche Einfluss Chinas in Zukunft deutlich geringer sein wird als das, was wir bisher erlebt haben. Hinzu kommt, dass China ein grosses Schuldenproblem hat, dass darf man auch nicht vergessen. Und im Land herrscht immer noch Armut, gemessen am Wohlstand pro Kopf ist China ein armes Land und es wird alt, bevor es reich wird.
Welche Folgen haben die verschärften Handelsbarrieren zwischen USA und China?
Bei den US-Importen haben wir einen echten Rückgang der chinesischen Importe gesehen und einen ähnlich hohen Anstieg der Importe aus Kanada und Mexiko. Dies passt zum neuen Trend des Onshoring. Eine solche De-Globalisierung im grossen Stil ist auf der einen Seite begrüssenswert, wirkt sich aber andererseits auch eher inflationär statt deflationär auf die US-Wirtschaft aus. Und damit wären wir wieder am Beginn des Gesprächs und der Frage, ob die Inflation erfolgreich bekämpft wurde und 2024 die Zeit reif ist für erste Zinssenkungen. Meine Antwort bleibt die gleiche: Ich halte es noch für zu früh, um endgültig Entwarnung zu geben.
Die SEC hat jüngst entschieden, dass es per 2025 eine neue zentrale Clearingstelle für den US-Anleihenmarkt geben soll. Wird das den Handel am US-Anleihenmarkt belasten?
Es besteht die Sorge, dass dies mehr Druck auf den Markt ausüben wird. Ein zentrales Clearing würde den Handel verteuern, was dazu führen könnte, dass die Zahl der Transaktionen aus Kostengründen zurück geht. Ein zentrale Clearingstelle ist im Idealfall eine sinnvolle Sache, nur einige der praktischen Aspekte davon machen weniger Sinn. Da gibt es noch eine Menge Details zu klären.
Aber es würde für mehr Transparenz sorgen?
Transparenz zum Zeitpunkt des Handels ist ein Liquiditätskiller. Die ganze Sache mit der zentralen Klärung wirkt wie eine Mautgebühr und eine solche belastet ein System und macht es ineffizient. Daher gibt es bis zur Einführung, die frühestens für das Jahr 2025 vorgesehen ist, noch eine Menge Details zu klären.