Auf der Suche nach Renditen: Das Dividenden-Dilemma

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag
Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management, Den Haag

Dieser Tage haben es Anleger nicht leicht, ordentliche Ertragsalternativen für ihre niedrigverzinslichen Sparkonten aufzutun. Denn obwohl die Dividendenrenditen in Europa annähernd 4 % abwerfen und in diesem Jahr noch um mindestens 10 % zulegen sollen, stehen Anleger vor einem ungewöhnlichen Dilemma: Die meisten Unternehmen mit hohen Dividendenrenditen (5 % und darüber) weisen keinerlei Wachstum auf. Umgekehrt zeigen Unternehmen mit hohen Wachstumsraten nur niedrige Renditen. Ad von Tiggelen von ING untersucht deshalb in seiner aktuellen Monatskolumne, ob Investoren eher auf die Höhe ihrer Dividendenerträge oder auf das Wachstum der Dividenden abstellen sollten.

12.07.2011, 15:21 Uhr

Redaktion: hes


Einer der wenigen Sektoren, die in der jüngeren Vergangenheit hohe Dividenden bei ordentlichen Wachstumszahlen abwarfen, waren börsennotierte Immobilienunternehmen. Es wundert daher nicht, dass Immobilienaktien sowohl 2010 als auch im bisherigen Jahresverlauf weit besser als die globalen Aktienmärkte abgeschnitten haben, denn Anleger schätzen diese Kombination aus Einkommen und Inflationsschutz.

Schlechte Wachstumsaussichten
Andererseits hinkt die Performance vieler früherer Dividenden-Champions mittlerweile hinterher. Was den Finanzsektor betrifft, ist das verständlich. Mit der Kreditkrise sind die Dividendenzahlungen drastisch zurückgegangen und die weiteren Aussichten sind ungewiss. Aber auch Telcos und Versorger haben ziemlich schlecht abgeschnitten. Auf den ersten Blick erscheint das seltsam. Warum meiden Anleger Investment-Grade-Unternehmen mit Dividendenrenditen, die mit 6 bis 8 % fast doppelt so hoch wie die Anleiherenditen derselben Unternehmen sind? Die Antwort lautet: schlechte Wachstumsaussichten.

Im Telekomsektor steigt der Druck durch die Konkurrenz preiswerterer Anbieter von mobilem Internetzugang. Zwar sind die Dividenden hoch, doch die Anleger zweifeln an der langfristigen Tragfähigkeit. Das Geschäftsmodell der Versorger ist so gesund wie eh und je, aber hohe Kapitalinvestitionen, staatliche Einflussnahme und die Atomkraftdebatte belasten das Wachstum und lösen Angst vor Dividendenkürzungen aus.

Dividendenzuwachs bei niedriger Rendite
Am anderen Ende des Wachstumsspektrums finden sich die Sektoren, die von der zyklischen Erholung und der weiteren Digitalisierung der Gesellschaft profitieren. Grundstoffe, Technologie, Maschinenbau, Kfz, Luxusgüter usw. weisen überwiegend kräftige Dividendenzuwächse auf, werfen aber nur Renditen von 1 bis 3 % ab.

In diesem dritten Jahr der Markterholung sind zyklische Titel mittlerweile recht teuer, während Aktien mit wirklich hohen Dividendenrenditen preiswert, aber anfällig sind. Offenbar haben wir jetzt einen Punkt im Zyklus erreicht, an dem Anleger auf Aktien mit bescheidenen Bewertungen, durchschnittlichen Renditen (3-5 %) und langsamem, aber stetigem Wachstum setzen sollten. Zahlreiche Titel im Gesundheitssektor, aber auch Lebensmittel-, Getränke- und Tabakhersteller erfüllen nach wie vor diese Voraussetzungen. Die meisten Unternehmen im Erdölsektor und die großen Minenkonzerne sind weiterhin attraktiv. Der Immobiliensektor ist nicht mehr preiswert, aber wir sehen keinen Grund für ein baldiges Ende seiner guten Performance.

Insgesamt erwartet ING in den kommenden Monaten hohe Volatilität – ohne eindeutigen Auf- oder Abwärtstrend – an den Aktienmärkten. Die Bewertungen sind zwar günstig, aber die wachsende Zahl von Gewinnwarnungen und anhaltende Makro-Sorgen begrenzen das Aufwärtspotenzial. In diesem Umfeld ist Diversifizierung wichtiger denn je. Ertragsorientierte Investoren sollten sich nicht allein an den höchsten Dividendenrenditen orientieren, sondern auf Unternehmen mit eher durchschnittlichen Renditen, aber dauerhaftem Wachstumspotenzial setzen.

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