23.11.2024, 12:00 Uhr
Matt Quinlan, Portfoliomanager bei der Franklin Equity Group, erläutert die entscheidende Rolle, die Dividenden bei der Steigerung der Gesamtrendite und bei der Verringerung der Gesamtvolatilität für Aktienanleger...
Die Schätzungen für Unternehmensgewinne und das Wirtschaftswachstum sind seit Jahresbeginn eingekracht. Den Aktienkursen sieht man das jedoch nicht an. Das aktuelle DWS "Chart of the week" zeigt, wo es beim Aufeinandertreffen von Schätzungen und Marktentwicklungen noch knirschen könnte.
An der Börse werden Erwartungen gehandelt, die Zukunft zählt. Die Basis für den Grossteil der Erwartungen sind jedoch historische Daten. Andernfalls gäbe es keine Kursausschläge mehr, wenn Firmen oder Volkswirtschaften überraschende Zahlen berichteten. Fussen diese Überraschungen nicht auf Einmaleffekten, haben sie einen entsprechenden Einfluss auf die Prognosen. "Das Dilemma der Marktteilnehmer im Zuge der Corona-Krise ist es, nun zu unterscheiden, inwieweit die aktuellen Zahlen Einmalcharakter haben oder noch in künftige Quartale hineinwirken werden", kommentieren die DWS-Experten.
Das "Chart of the week" zeigt, wo es beim Aufeinandertreffen von Schätzungen und Marktentwicklungen noch knirschen könnte. Der Chart vergleicht die Prognoseänderungen für das Wirtschaftswachstum (2020) und die Gewinnschätzungen (2020 und 2021) seit Jahresbeginn mit den Kursveränderungen der entsprechenden Börsen. Dabei seien die regionalen Unterschiede durchaus nachvollziehbar: China hat die Pandemie rigoros bekämpft, hängt aber dennoch am Export, sodass die Schätzung für sein Wirtschaftswachstum zwar am wenigsten, aber immerhin noch um fünf Prozentpunkte reduziert wurde. Die Unternehmensgewinne wurden hingegen sowohl für 2020 wie auch 2021 deutlich geringer als beim Rest der Welt gesenkt, was an der Börse mit einem satten Kurssprung von 12,6% seit Jahresbeginn belohnt wurde.
Auf der anderen Seite muss Lateinamerika den Fall der Rohstoffpreise, einen starken Dollar und einen jetzt besonders heftigen Pandemieverlauf verkraften, weshalb die 2020er Gewinnschätzungen dieses Jahr um fast zwei Drittel gekürzt wurden. Auch den US-Firmen trauen die Analysten für das laufende Jahr 30% weniger Gewinn als zu Jahresbeginn zu, die Gesamtwirtschaft soll um ganze zehn Prozentpunkte weniger wachsen als zuvor angenommen. Der S&P 500 notiert jedoch fast wieder auf Jahresanfangsniveau. Die globalen Zahlen weisen alle ein ähnliches Muster auf: Auf Basis der Wirtschaftswachstums- und Gewinnschätzungen scheinen die Börsen sehr grosszügig zu sein.
Nun ist es nachvollziehbar, dass Anleger anscheinend über das laufende Jahr gnädig hinwegsehen und sich eher an 2021 orientieren, so DWS. Doch auch die 2021er (globalen) Gewinnschätzungen liegen fast ein Fünftel unterhalb denen vom Jahresanfang. Im Umkehrschluss seien die Anleger also bereit, eine deutlich höhere Bewertung (gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis) für die 2021er Gewinne zu bezahlen als noch zu Jahresanfang. Und das, obwohl die Prognosesicherheit sicherlich nicht zugenommen habe. Aber, von der Hilfe der Zentralbanken und Regierungen mal abgesehen, Unsicherheit kann ja in beide Richtungen wirken. Darauf scheinen die Anleger bereits zu spekulieren. DWS schlussfolgert: "Mal sehen, ob die Unternehmen ihnen in der anlaufenden Quartalsberichterstattung bereits mit wohlwollenden eigenen Prognosen entgegenkommen. Es entspräche nicht unseren Erwartungen."