Das chinesische Wachstum blüht trotz des Erdbebens

19.06.2008, 10:56 Uhr

Die chinesische Regierung will, wie von Präsident Hu Jintao angekündigt, weiterhin versuchen, die Stabilität auf makroökonomischem Niveau beizubehalten, wobei ein besonderer Fokus auf soziale, umweltverträgliche und nachhaltige Fragestellungen gelegt wird. In der Folge werden als Reaktion auf das Erdbeben keine signifikanten Kurswechsel erwartet. Dies geht aus einem Kommentar von Jan De Bruijn, Far East Equities Fund Manager bei Threadneedle, über China hervor.

Die Hoffnung Chinas, die Olympischen Spiele 2008 in Peking als Vorzeigeprojekt für den Rest der Welt zu nutzen, wurde durch die Unruhen in Tibet zerstört – allerdings haben das Erdbeben in Sichuan sowie die beeindruckende chinesische Reaktion darauf die Bedeutung der Situation in Tibet zu einem gewissen Grad vermindert.

Obwohl das schwere Erdbeben in Sichuan ein schreckliches Naturereignis und im Hinblick auf die Todesopfer eine Tragödie ist, werden aus makroperspektivischer Sicht keine signifikant negativen Auswirkungen für die chinesische Wirtschaft erwartet. Sichuan’s relative Wichtigkeit liegt in der Landwirtschaft, was zu Befürchtungen weiterer Preisaufschläge für Schweinefleisch und andere Landwirtschaftsgüter geführt hat – bis heute gab es dafür allerdings keinerlei Anzeichen. Es sieht vielmehr danach aus, als entstünden aufgrund der Investitionsbedürfnisse für die Rekonstruktion und Reparatur der Infrastruktur gewisse Vorteile. Es könnten spezifische Anlagemöglichkeiten für Unternehmen erzeugt werden, die in den Wiederaufbau involviert sind – beispielsweise Unternehmen, die in den Sektoren Zement, Stahl, Glas und Konstruktionsmaschinerien tätig sind. Insgesamt werden die Auswirkungen für den Kapitalmarkt jedoch weitestgehend neutral sein.

Aus makroökonomischer Hinsicht dreht sich die grösste Besorgnis der Marktteilnehmer im Hinblick auf China um die möglichen Auswirkungen der hohen Öl- und Nahrungsmittelpreise für das Land. Die Bedenken richten sich insbesondere auf folgende Punkte:

1. Indirekte negative Auswirkung auf das Wachstum im Kontext einer Verlangsamung der externen Nachfrage

2. direkte negative Auswirkung auf das Wachstum durch eine Verschlechterung der Handelsbedingungen

3. steigender inländischer inflationärer Druck.

Was das Öl betrifft, so sind die Netto-Energieimporte in % des Bruttoinlandprodukts ausgedrückt mit 3% relativ gering, und China kann für die Mehrheit des Energiekonsums aus inländischen Ressourcen schöpfen. Was das Nahrungsangebot betrifft, so ist China im Bezug auf Getreide autark, und die Nahrungsinflation wurde vielmehr durch die stark ansteigenden Preise für Schweinefleisch angetrieben.

Obwohl die Regierung es sich leisten kann, Preiskontrollen und Subventionen beizubehalten, um die Inflation zu kontrollieren, ist dies mittelfristig nicht nachhaltig, da diese Politik zwar die Nachfrage ankurbelt, gleichzeitig aber das Angebot reduziert, was das Problem verschlimmert. Es kann auch argumentiert werden, dass die momentane Intervention im Hinblick auf die Preisbildung nicht mehr die erhofften ergänzenden Effekte erzielt, sondern angesichts der momentanen makroökonomischen Schwierigkeiten zu exzessiv geworden ist.

Threatneedle erwartet, dass die Preiskontrollen aufgehoben werden, Energiepreise auf realistischere Levels angehoben werden, und Energie-Subventionen reduziert werden (vorzugsweise gleich ganz abgeschafft werden, dies ist jedoch aus politischen Gründen unwahrscheinlich). Der Zeitpunkt dafür ist allerdings unklar, da die Regierung darum bemüht ist, im Vorfeld auf die Olympischen Spiele im August kurzfristige Stabilität herzustellen. Der Nachteil dieser Stabilität ist eine erhöhte Unsicherheit für die Anleger, denn diese zweifeln am Willen der Regierung, sich Marktprinzipien und Deregulierung zu Eigen zu machen. Aus chinesischer Perspektive noch wichtiger ist die Tatsache, dass sich die Zentralbank in diesem Fall noch viel bestimmter als bisher mit dem Anstieg des inflationären Drucks beschäftigen muss.

China befindet sich in einer Phase strukturellen und demographischen Wandels und das diesjährige ökonomische Wachstum – obwohl niedriger als 2007, d.h. 11.4% - wird für 2008 immer noch auf gesunde 9.5% bis 10% veranschlagt, was global gesehen relativ attraktiv ist.

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