16.06.2022, 17:21 Uhr
Nachdem die US-Notenbank bei ihrer gestrigen Sitzung den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte angehoben hat und die Europäische Zentralbank die Finanzmärkte in der Vorwoche auf baldige Zinsschritte vorbereitete, wagte...
Der Klimapakt von Glasgow hat in der Privatwirtschaft und auf Regierungsebene verhaltenen Optimismus ausgelöst. Nichtregierungsorganisationen reagierten jedoch enttäuscht auf die Ergebnisse. Thomas Höhne-Sparborth von Lombard Odier geht dennoch von einem erheblichen Einfluss der UN-Weltklimakonferenz auf die Wirtschaft aus.
"Es zeichnet sich jetzt schon ab, dass die Weltwirtschaft nach COP26 eine andere sein wird. Umso wichtiger ist es für Investoren, die richtigen Schlüsse zu ziehen", sagt Thomas Höhne-Sparborth, PhD, Head of Sustainability Research bei Lombard Odier. Er zieht aus der UN-Weltklimakonferenz sieben wichtige Schlussfolgerungen für Investoren.
Es war laut dem Experten nicht realistisch im Vorfeld der Konferenz, von einer Beschränkung der Klimaerwärmung auf 1,5°C auszugehen. Erklärtes Ziel war es, das Pariser Abkommen von 2015 zu verschärfen und das Regelwerk für die Umsetzung fertigzustellen. Insofern seien Fortschritte in drei Bereichen gemacht worden: Unter der Annahme, dass alle Zusagen umgesetzt und rechtzeitig erreicht werden, würden die neuen Verpflichtungen die globale Erwärmung auf 1,8°C begrenzen. Also deutlich unter dem 2,7°C-Szenario, das die Regierungspolitik vor der COP26 impliziert hat, und dem 4-6°C-Pfad der Wirtschaft vor der COP21. Zweitens haben sich die Regierungen darauf geeinigt, diese Zusagen nicht nur alle fünf Jahre zu überprüfen, sondern bis Ende 2022 erneut zu prüfen. Drittens einigten sich die Länder auf eine Reihe von Reportingstandards, womit die bisherige Praxis abgeschafft wurde, wonach jedes Land seinen eigenen Weg gehen konnte.
"Ein Problem für Investoren ist die Tatsache, dass nicht alle Netto-Null-Ziele der Unternehmen gleich sind und dass es vielen an klaren Plänen für die Umsetzung fehlt", stellt Höhne-Sparborth. Wie er weiter ausführt, wird die UNO eine Expertengruppe einsetzen, die klarere Standards zur Messung und Analyse der Netto-Null-Verpflichtungen des Privatsektors vorschlagen soll. Heute seien nur 25% der Grossunternehmen darauf ausgerichtet, die Erwärmung unter 2°C zu halten, und nur 6% sind auf dem Weg, die Erwärmung unter 1,5°C zu halten. Die Herausforderung für Investoren besteht folglich weniger darin, Kapital in Unternehmen zu investieren, die bereits auf Netto-Null ausgerichtet sind, sondern vielmehr darin, die Emissionskurve im Rest der Wirtschaft zu biegen. Dort könnten die grösste Wirkung erzielt und die attraktivsten Investmentmöglichkeiten gefunden werden.
Fossile Brennstoffe werden im Pakt ausdrücklich angesprochen, was eine weitere Premiere in den Klimakommuniqués der COP26 darstellt. Parallel dazu wurde ein separates Kohleversprechen abgegeben, das den Ausstieg aus der Kohle in den 2030er Jahren für die grossen Volkswirtschaften und in den 2040er Jahren für die ärmeren Länder - "oder so bald wie möglich danach" - vorsieht und die Investitionen in neue Kohlekraftwerke im In- und Ausland beendet. Mehr als 40 Länder haben den Pakt unterzeichnet, darunter die grossen Kohleverbraucher Polen, Indonesien und Vietnam. Auch diese Zusage lässt viel Spielraum, könnte aber im Erfolgsfall den Ausstieg aus der Kohleverstromung von 40 GW in 20 Ländern ermöglichen.
In der Abschlussvereinbarung wird die Notwendigkeit anerkannt, die Natur und die Ökosysteme zu schützen, zu erhalten und wiederherzustellen. Die Verpflichtung zur Beendigung der Entwaldung, die von Ländern mit über 85% der weltweiten Wälder unterzeichnet wurde, zielt darauf ab, den Verlust von Wäldern und die Verschlechterung der Bodenqualität bis 2030 zu stoppen und umzukehren. Kritiker haben die Glaubwürdigkeit und das Engagement der Regierungen in einigen der am stärksten von Entwaldung betroffenen Ländern in Frage gestellt. "Trotzdem könnte die Zusage den Markt für freiwillige Kohlenstoffkompensationen beflügeln, da eine nachhaltigere Waldbewirtschaftung einer der wirkungsvollsten Hebel zu einer Netto-Nullbilanz ist", meint Höhne-Sparborth.
Technologische Innovationen werden seiner Ansicht nach höchstwahrscheinlich ein wichtiger Katalysator für den Übergang sein und dazu beitragen, die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, zu denen sich die Regierungen in künftigen Verhandlungen verpflichten werden. In Anerkennung der Rolle der Technologie bei der Energiewende sind an den Glasgow Breakthroughs 40 Länder beteiligt, die sich zum Einsatz von Cleantech verpflichten, um mehrere Ziele bis 2030 zu erreichen.
Während der Markt die Entwicklungen auf der COP26 verfolgte, erlebten Cleantech-Aktien einen kleinen Aufschwung. So schnellten die Kurse reiner Elektroautounternehmen in die Höhe.
In Artikel 6 des Pariser Abkommens wurde ein Mechanismus für den Handel mit Kohlenstoff und einen Markt vorgesehen, der eine schnellere und kostengünstigere Reduzierung der Kohlenstoffemissionen zwischen Ländern oder Unternehmen ermöglichen soll.
Es zeichnet sich ein Konsens über die wahrscheinliche Knappheit von Kohlenstoffzertifikaten in der Zukunft ab, da das Kohlenstoffbudget, mit dem 1,5°C in Sichtweite gehalten werden sollen, schnell schrumpft. Dementsprechend stieg der europäische Kohlenstoffpreis zum Abschluss des Gipfels auf ein Allzeithoch von mehr als 66 Euro pro Tonne.
Die Industrieländer haben sich verpflichtet, ihre Beiträge für den globalen Süden bis 2025 auf 40 Mrd. US-Dollar jährlich zu verdoppeln. Ein Durchbruch sei, so der Experte, dass der Pakt von "Verlust und Schaden" spricht, um sich auf die unvermeidlichen Auswirkungen des Klimawandels zu konzentrieren, die nicht gemildert oder angepasst werden können. Damit werde implizit die Verantwortung der reicheren Länder für ihre historischen Emissionen anerkannt, und auf der COP26 wurde der erste Beitrag zum Fonds geleistet. Mit 2 Mio. GBP sei der Betrag jedoch bestenfalls symbolisch, sagt Höhne-Sparborth.
In den kommenden 12 Monaten müssen weitere Fortschritte erzielt werden, bevor der nächste Wegpunkt auf der COP27 in Sharm El-Sheikh erreicht wird. Von den Ländern wird erwartet, dass sie ihre Dekarbonisierungsverpflichtungen verschärfen und die zahlreichen Zusagen in formale Ziele umsetzen.