11.11.2024, 16:30 Uhr
Der jüngste Global Investor Insights Survey zeigt, dass Family Offices Chancen bei Private Assets nutzen, um die Marktvolatilität zu bewältigen. Ganz wichtig bleiben für Sie die Zinsen und die Zentralbanken,...
Der Aufstieg und Fall des Bitcoin ist ein Nebenschauplatz der potenziellen Veränderungen, die der Investmentbranche bevorstehen. Peter Harrison von Schroders ist der Meinung, dass die Blockchain den Impuls für Wandel in der Branche geben wird.
Skeptikern dürfte der Kurseinbruch des Bitcoin ein zufriedenes Lächeln entlockt haben. Sie können sich selbst beglückwünschen, weil sie die Bewertungen richtig eingeschätzt haben, zumindest bis jetzt. "Sie haben Recht, dass Überschwang gefährlich ist. Im Laufe der Geschichte ist dies nur allzu häufig deutlich geworden", sagt Peter Harrison, CEO von Schroders. Die Entstehung von Kryptowährungen und ihr beispielloser Popularitätszuwachs werfe jedoch eine andere Frage auf: Gehen der Investmentbranche die Argumente für traditionelle Anlagen aus? Verpasst sie gerade etwas?
Laut einer Branchenschätzung halten etwa 300 Millionen Menschen Kryptowährungen. In Schwellenländern halten Anlegerinnen und Anleger sogar häufig mehr Kryptowährungen als Aktien. Ein entscheidender Faktor sei die Zugänglichkeit. "Diese dramatischen Zahlen geben wieder, was wir im täglichen Leben beobachten – bei den Unterhaltungen in Pubs, auf den sozialen Medien oder auf den Rücksitzen von Taxis. Viele Menschen liessen sich inspirieren, auf einen unerprobten, unregulierten und höchst volatilen neuen Vermögenswert zu setzen", so Harrison. Für einige hatte dies katastrophale Folgen, vor allem, wenn sie am Höhepunkt gekauft haben.
Wenn sich Kryptowährungen und digitale Vermögenswerte trotz dieser offensichtlichen Nachteile so gut verkaufen, könnten Vermögensverwalter einiges daraus lernen. Ironischerweise könnte gerade die Blockchain, die Technologie, die Kryptowährungen zugrunde liegt, den Impuls für den Wandel in der traditionellen Investmentbranche geben. In den kommenden Jahrzehnten könnten neue Arten von massgeschneiderten Anlageprodukten gängiger werden als die Investmentfonds und offenen Investmentgesellschaften, die heute dominieren.
Die Blockchain-Technologie werde dazu beitragen, Anlegerinnen und Anlegern Zugang zu aufregenderen, greifbaren Vermögenswerten zu verschaffen. Eine neue Art von Vermögensverwaltungsunternehmen mit einem breiten Angebot werde es einfach machen, in die direkte Umgebung zu investieren. Zum Beispiel könnte ein Einkaufszentrum aufgeteilt und in Form von Beteiligungen an lokale Anlegerinnen und Anleger verkauft werden, möglicherweise an die gleichen Leute, die dort einkaufen. Die Ledger-Technologie würde das Eigentum erfassen und effektiv eine Handelsplattform bilden.
"Der Kauf und Verkauf ist einfach und transparent und der Vermögenswert ist greifbar. Solche Beteiligungen könnten einem Portfolio beigemischt werden, um eine gewisse Diversifikation zu gewährleisten und das beste Ergebnis für den Anleger zu erreichen", ist Harrison der Meinung.
Die Greifbarkeit sei ein wichtiger Faktor, da sie den Bezug zu den zugrunde liegenden Investments herstellt. Dies zeigte sich an der Beliebtheit des Crowdfundings und der Nachfrage nach Aktien mit Bezug zu disruptiven Technologien. Anlegerinnen und Anleger möchten die Story hinter ihren Investments kennen und sichergehen, dass sie zu ihren eigenen Werten passen. Sie möchten, dass ihr Portfolio auf sie persönlich zugeschnitten ist, meint der CEO. Der Einsatz der Blockchain-Technologie könne dazu beitragen.
Die traditionelle Investmentwelt werde ebenfalls von der Blockchain-Technologien profitieren. Die Effizienz von Back-Office-Aktivitäten könnte sich drastisch verändern. Die Übertragung des Eigentums an einem Vermögenswert durch einen einfachen Klick ist gegenüber dem aktuellen 17-stufigen Handelsprozess vorzuziehen, so Harrison.
Anlegerinnen und Anleger dürften von dieser Demokratisierungswelle profitieren: Bisher absolut unzugängliche Vermögenswerte könnten tokenisiert, leicht zugänglich und bezahlbar werden.
"In nicht allzu ferner Zukunft werden Anleger vermutlich mehr Investments in ihrer digitalen Brieftasche haben als in Fonds. Dies könnte noch in meiner Berufslaufbahn zur Realität werden", meint Harrison. In dieser demokratisierten Welt werde der Bedarf an Vermögensverwaltern zunehmen, die Vermögen aktiv verwalten. Die Vielfalt der neuen Anlagemöglichkeiten müsse analysiert werden, um ihr Potenzial und ihre Wirkung zu beurteilen. Portfolios müssten ausgewogener und strukturierter werden, um die Ziele ihrer Eigentümer zu erreichen.
"Die Frage ist nur, ob die Branche diese Herausforderung anpacken kann. Nicht jedes Unternehmen ist dazu bereit. Einige werden diesen Weg nicht gehen. Unternehmen, die heute schon öffentliche und private Märkte auf ihren Plattformen vereinen, werden am besten aufgestellt sein", ist Harrison überzeugt.
Der entscheidende Faktor sei ein guter Bezug zu Unternehmen, die bereits tief in die Welt der Kryptowährungen eingetaucht seien. Die Kryptobranche befinde sich in einer ähnlichen Situation wie die Hedgefondsbranche vor 20 oder 30 Jahren. Obwohl sie immer noch unreguliert ist, versuchen einige Plattformen, die extreme Volatilität zu nutzen, um vorhersehbarere Erträge zu erzielen.
Sehr viele Investoren haben auf Kryptowährungen gesetzt. Andere entschieden sich, Unternehmen, an die sie glauben, per Crowdfunding zu finanzieren. Die Branche könne diesen Bedarf nach Personalisierung und einer breiten Auswahl decken, indem sie auf die Blockchain setze und sich für Möglichkeiten öffne, neue Anlageklassen in Portfolios einzusetzen. "Wenn wir bei diesen Bestrebungen scheitern, werden noch mehr Anleger dem Reiz der unorthodoxen und unerprobten Investments von morgen erliegen, wie immer diese auch aussehen mögen", meint Harrison abschliessend.